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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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Man ist der ewigen Gefühlswirthschast, dieser unerschöpflichen HcrzenSpumpe
müde und dann nur zu geneigt, sich eine zu große Vorstellung von den Charak¬
teren zu machen, die weniger schnell mit den ^Schnupftüchern ' bei der Hand sind.
Wir haben es daher auch ganz natürlich gesunden, als Alfred Meißner in den aufge¬
regten Zeiten sich Ideale ä la Nsrst bildete und gar nicht abgeneigt war, eine ziem¬
liche Anzahl köpfen zu lassen. Eine solche Periode muß Jeder durchmachen, wie die
Kinderkrankheit. Diese Vorliebe sür Charaktere, in denen der Verstand und die Reflexion
das Gefühl überwiegt, hat sich denn auch in seinen beiden Dramen Luft gemacht.
Im ersten wurde die Liebe nach politischen Rücksichten modificirt -- und das ist für
einen abstracten Liebessänger ein großer Fortschritt, auch wenn er etwas über das Ziel
hinausschießt: im zweiten ist der eigentliche Held ein verstockter Verstandesmensch, ein
zweiter Mephistopheles. Das Sujet ist ein Seitenstück zum Clavigo, was übrigens
nicht der geringste Vorwurf ist, denn dramatische Stoffe sind nicht in übertriebenen
Maße vorhanden, und es kann nur darauf ankommen, einem bekannten Stoff neue und
interessante Seiten abzugewinnen. Der Gegensatz zwischen einem leicht bestimmbaren und
einem festen, bestimmten Charakter kehrt auch schon bei Goethe fast in allen Dramen
wieder, Tasso, Faust u. s. w., das specifisch Goethe'sche Publicum neigt sich entschieden
aus die Seite der bestimmbaren Idealisten und verdammt den hartherzigen Weltmann, der
dem Genie nicht den gehörigen Respect erweist. Sieht man dann aber näher zu, so
entdeckt man im Weltmann viele anerkennenswerthe Eigenschaften und im Dichter manche
schwache Seiten, und endlich treten die letzteren so stark hervor, daß man von Clavigo,
von Tasso u. s. w. Nichts mehr wissen "will und ihren Gegnern Recht giebt. Man ver¬
gißt dabei, daß anch diese kalten Menschen erst dann Interesse gewinnen, wenn sie ein¬
mal aus sich herausgehen und der Leidenschaft folgen, die bei ihnen um so stärker aus¬
bricht, je strenger sie sie zurückgedrängt haben. Ans diesem Standpunkt steht jetzt'
Alfred Meißner. Aber sein Versuch, uns für den raffinirten Egoisten, der immer nur
nach dem Verstand geht, zu interessiren, mußte scheitern, weil die Aufgabe eine Unmög¬
lichkeit ist. Das zeigt sich in den beiden letzten Acten viel mehr, als in den ersten,
wo man durch die verständige Exposition interessirt und gefesselt wird; nachher aber,
wo der Charakter Glendower's sich in seinem wahren Lichte zeigen soll, merkt man,
daß dem Dichter nur ein ganz unbestimmtes Bild vorgeschwebthat, da er im kritischen
Punkt sein Verhältniß zu Clarissc obenhin behandelt, da er ihn den gröbsten Rech-
nungsfehler machen läßt und ihn dadurch, ohne es zu wollen, in d^er Augen des Publi-
cums herabsetzt, und da er endlich keinen andern Schluß findet, als ein allgemeines
Gemetzel. -- Also hat das Wiener Publicum richtig empfunden. Aber damit ist über
den Dichter Nichts entschieden. Noch ist der Weg, den er geht, ein Abweg, aber hie
Kraft und Entschiedenheit, mit der er ihn betreten hat, giebt die beste Hoffnung, daß
er sich zurecht finden und auch diese Erfahrungen nicht ungenutzt lassen wird.
'"

Das interessante "Leben Scydelmanns von A. Lewald wird von Sturm und
Koppe an Schauspieler zu dem billigen Preise von 1ü Sgr. ausgegeben.--

Die Herren Gye und Wagner haben gegen die Entscheidung des VicekanzlcrS
in ihrem Proceß gegen Lumley Protest eingelegt; der Termin ist aus den 22. Mai fest¬
gesetzt. Frl. Wagner wird also schwerlich in London auftreten. --

Im abgelaufenen Theaterjahr betrugen die Einnahmen in Paris: große Oper
99S.000 Fr.; Opers oomiciug 924,000 Fr.; IlMtre er-mysis 667,000 Fr.; die
Tantiemen der dramatischen Dichter durch ganz Frankreich 917,000 Fr. --

Frau Auguste von Strantz, dem Leipziger Conccrtpublicum von früher her in
gutem Andenken, ist jetzt als Tankred und als Fides in Leipzig aufgetreten; als Theatcr-
sängerin leistet sie noch nicht ganz, was ihre herrliche Altstimme versprach. --

Der Bassist Salomon geht von Berlin nach München; Frl. Ureus aus Königs¬
bergs wo sie sehr gefeiert zu sein scheint, nach Berlin; Frau Grünberg-Liebe als Sän¬
gerin nach Königsberg. Frau Cäcilie Kanvw-Thalburg ist in Freiberg gestorben. --


Man ist der ewigen Gefühlswirthschast, dieser unerschöpflichen HcrzenSpumpe
müde und dann nur zu geneigt, sich eine zu große Vorstellung von den Charak¬
teren zu machen, die weniger schnell mit den ^Schnupftüchern ' bei der Hand sind.
Wir haben es daher auch ganz natürlich gesunden, als Alfred Meißner in den aufge¬
regten Zeiten sich Ideale ä la Nsrst bildete und gar nicht abgeneigt war, eine ziem¬
liche Anzahl köpfen zu lassen. Eine solche Periode muß Jeder durchmachen, wie die
Kinderkrankheit. Diese Vorliebe sür Charaktere, in denen der Verstand und die Reflexion
das Gefühl überwiegt, hat sich denn auch in seinen beiden Dramen Luft gemacht.
Im ersten wurde die Liebe nach politischen Rücksichten modificirt — und das ist für
einen abstracten Liebessänger ein großer Fortschritt, auch wenn er etwas über das Ziel
hinausschießt: im zweiten ist der eigentliche Held ein verstockter Verstandesmensch, ein
zweiter Mephistopheles. Das Sujet ist ein Seitenstück zum Clavigo, was übrigens
nicht der geringste Vorwurf ist, denn dramatische Stoffe sind nicht in übertriebenen
Maße vorhanden, und es kann nur darauf ankommen, einem bekannten Stoff neue und
interessante Seiten abzugewinnen. Der Gegensatz zwischen einem leicht bestimmbaren und
einem festen, bestimmten Charakter kehrt auch schon bei Goethe fast in allen Dramen
wieder, Tasso, Faust u. s. w., das specifisch Goethe'sche Publicum neigt sich entschieden
aus die Seite der bestimmbaren Idealisten und verdammt den hartherzigen Weltmann, der
dem Genie nicht den gehörigen Respect erweist. Sieht man dann aber näher zu, so
entdeckt man im Weltmann viele anerkennenswerthe Eigenschaften und im Dichter manche
schwache Seiten, und endlich treten die letzteren so stark hervor, daß man von Clavigo,
von Tasso u. s. w. Nichts mehr wissen «will und ihren Gegnern Recht giebt. Man ver¬
gißt dabei, daß anch diese kalten Menschen erst dann Interesse gewinnen, wenn sie ein¬
mal aus sich herausgehen und der Leidenschaft folgen, die bei ihnen um so stärker aus¬
bricht, je strenger sie sie zurückgedrängt haben. Ans diesem Standpunkt steht jetzt'
Alfred Meißner. Aber sein Versuch, uns für den raffinirten Egoisten, der immer nur
nach dem Verstand geht, zu interessiren, mußte scheitern, weil die Aufgabe eine Unmög¬
lichkeit ist. Das zeigt sich in den beiden letzten Acten viel mehr, als in den ersten,
wo man durch die verständige Exposition interessirt und gefesselt wird; nachher aber,
wo der Charakter Glendower's sich in seinem wahren Lichte zeigen soll, merkt man,
daß dem Dichter nur ein ganz unbestimmtes Bild vorgeschwebthat, da er im kritischen
Punkt sein Verhältniß zu Clarissc obenhin behandelt, da er ihn den gröbsten Rech-
nungsfehler machen läßt und ihn dadurch, ohne es zu wollen, in d^er Augen des Publi-
cums herabsetzt, und da er endlich keinen andern Schluß findet, als ein allgemeines
Gemetzel. — Also hat das Wiener Publicum richtig empfunden. Aber damit ist über
den Dichter Nichts entschieden. Noch ist der Weg, den er geht, ein Abweg, aber hie
Kraft und Entschiedenheit, mit der er ihn betreten hat, giebt die beste Hoffnung, daß
er sich zurecht finden und auch diese Erfahrungen nicht ungenutzt lassen wird.
'"

Das interessante „Leben Scydelmanns von A. Lewald wird von Sturm und
Koppe an Schauspieler zu dem billigen Preise von 1ü Sgr. ausgegeben.—

Die Herren Gye und Wagner haben gegen die Entscheidung des VicekanzlcrS
in ihrem Proceß gegen Lumley Protest eingelegt; der Termin ist aus den 22. Mai fest¬
gesetzt. Frl. Wagner wird also schwerlich in London auftreten. —

Im abgelaufenen Theaterjahr betrugen die Einnahmen in Paris: große Oper
99S.000 Fr.; Opers oomiciug 924,000 Fr.; IlMtre er-mysis 667,000 Fr.; die
Tantiemen der dramatischen Dichter durch ganz Frankreich 917,000 Fr. —

Frau Auguste von Strantz, dem Leipziger Conccrtpublicum von früher her in
gutem Andenken, ist jetzt als Tankred und als Fides in Leipzig aufgetreten; als Theatcr-
sängerin leistet sie noch nicht ganz, was ihre herrliche Altstimme versprach. —

Der Bassist Salomon geht von Berlin nach München; Frl. Ureus aus Königs¬
bergs wo sie sehr gefeiert zu sein scheint, nach Berlin; Frau Grünberg-Liebe als Sän¬
gerin nach Königsberg. Frau Cäcilie Kanvw-Thalburg ist in Freiberg gestorben. —


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[0408] Man ist der ewigen Gefühlswirthschast, dieser unerschöpflichen HcrzenSpumpe müde und dann nur zu geneigt, sich eine zu große Vorstellung von den Charak¬ teren zu machen, die weniger schnell mit den ^Schnupftüchern ' bei der Hand sind. Wir haben es daher auch ganz natürlich gesunden, als Alfred Meißner in den aufge¬ regten Zeiten sich Ideale ä la Nsrst bildete und gar nicht abgeneigt war, eine ziem¬ liche Anzahl köpfen zu lassen. Eine solche Periode muß Jeder durchmachen, wie die Kinderkrankheit. Diese Vorliebe sür Charaktere, in denen der Verstand und die Reflexion das Gefühl überwiegt, hat sich denn auch in seinen beiden Dramen Luft gemacht. Im ersten wurde die Liebe nach politischen Rücksichten modificirt — und das ist für einen abstracten Liebessänger ein großer Fortschritt, auch wenn er etwas über das Ziel hinausschießt: im zweiten ist der eigentliche Held ein verstockter Verstandesmensch, ein zweiter Mephistopheles. Das Sujet ist ein Seitenstück zum Clavigo, was übrigens nicht der geringste Vorwurf ist, denn dramatische Stoffe sind nicht in übertriebenen Maße vorhanden, und es kann nur darauf ankommen, einem bekannten Stoff neue und interessante Seiten abzugewinnen. Der Gegensatz zwischen einem leicht bestimmbaren und einem festen, bestimmten Charakter kehrt auch schon bei Goethe fast in allen Dramen wieder, Tasso, Faust u. s. w., das specifisch Goethe'sche Publicum neigt sich entschieden aus die Seite der bestimmbaren Idealisten und verdammt den hartherzigen Weltmann, der dem Genie nicht den gehörigen Respect erweist. Sieht man dann aber näher zu, so entdeckt man im Weltmann viele anerkennenswerthe Eigenschaften und im Dichter manche schwache Seiten, und endlich treten die letzteren so stark hervor, daß man von Clavigo, von Tasso u. s. w. Nichts mehr wissen «will und ihren Gegnern Recht giebt. Man ver¬ gißt dabei, daß anch diese kalten Menschen erst dann Interesse gewinnen, wenn sie ein¬ mal aus sich herausgehen und der Leidenschaft folgen, die bei ihnen um so stärker aus¬ bricht, je strenger sie sie zurückgedrängt haben. Ans diesem Standpunkt steht jetzt' Alfred Meißner. Aber sein Versuch, uns für den raffinirten Egoisten, der immer nur nach dem Verstand geht, zu interessiren, mußte scheitern, weil die Aufgabe eine Unmög¬ lichkeit ist. Das zeigt sich in den beiden letzten Acten viel mehr, als in den ersten, wo man durch die verständige Exposition interessirt und gefesselt wird; nachher aber, wo der Charakter Glendower's sich in seinem wahren Lichte zeigen soll, merkt man, daß dem Dichter nur ein ganz unbestimmtes Bild vorgeschwebthat, da er im kritischen Punkt sein Verhältniß zu Clarissc obenhin behandelt, da er ihn den gröbsten Rech- nungsfehler machen läßt und ihn dadurch, ohne es zu wollen, in d^er Augen des Publi- cums herabsetzt, und da er endlich keinen andern Schluß findet, als ein allgemeines Gemetzel. — Also hat das Wiener Publicum richtig empfunden. Aber damit ist über den Dichter Nichts entschieden. Noch ist der Weg, den er geht, ein Abweg, aber hie Kraft und Entschiedenheit, mit der er ihn betreten hat, giebt die beste Hoffnung, daß er sich zurecht finden und auch diese Erfahrungen nicht ungenutzt lassen wird. '" Das interessante „Leben Scydelmanns von A. Lewald wird von Sturm und Koppe an Schauspieler zu dem billigen Preise von 1ü Sgr. ausgegeben.— Die Herren Gye und Wagner haben gegen die Entscheidung des VicekanzlcrS in ihrem Proceß gegen Lumley Protest eingelegt; der Termin ist aus den 22. Mai fest¬ gesetzt. Frl. Wagner wird also schwerlich in London auftreten. — Im abgelaufenen Theaterjahr betrugen die Einnahmen in Paris: große Oper 99S.000 Fr.; Opers oomiciug 924,000 Fr.; IlMtre er-mysis 667,000 Fr.; die Tantiemen der dramatischen Dichter durch ganz Frankreich 917,000 Fr. — Frau Auguste von Strantz, dem Leipziger Conccrtpublicum von früher her in gutem Andenken, ist jetzt als Tankred und als Fides in Leipzig aufgetreten; als Theatcr- sängerin leistet sie noch nicht ganz, was ihre herrliche Altstimme versprach. — Der Bassist Salomon geht von Berlin nach München; Frl. Ureus aus Königs¬ bergs wo sie sehr gefeiert zu sein scheint, nach Berlin; Frau Grünberg-Liebe als Sän¬ gerin nach Königsberg. Frau Cäcilie Kanvw-Thalburg ist in Freiberg gestorben. —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/408>, abgerufen am 04.07.2024.