Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.Staatsmann bis dahin blos in den Coulissen der großen Oper und bei den soupors Staatsmann bis dahin blos in den Coulissen der großen Oper und bei den soupors <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0406" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94307"/> <p xml:id="ID_1148" prev="#ID_1147" next="#ID_1149"> Staatsmann bis dahin blos in den Coulissen der großen Oper und bei den soupors<lb/> uns der gcnußstürmendcu fashionablen Jugend bethätigt hatte. Der Polizeiminister<lb/> Maupas, der, obwol sein Vater ein reicher Holzhändler gewesen, doch nicht aus<lb/> adeligen Holze gemacht ist, war vor seiner plötzlichen Erhebung nur durch seine ange¬<lb/> nehme Stimme und durch seine Talente als Salonmensch bekannt. Louis Bonaparte<lb/> machte einen Minister ans ihm, und die Courtiscms des kaiserlichen Hofes erzählen uns<lb/> täglich neue Wunder von seiner außerordentlichen Begabung. Die Hautevolee bestürmt<lb/> ihn mit Bitten um Einladungen zu seinen Bällen, und unsre gouvernementalen Philister<lb/> wissen nicht genug Aufhebens zu machen von dem Tacitus der rue as V«rei>nes und von<lb/> der hochtoryistischcn Poesie seiner zahlreichen Kreisschreiber an die Gcncralinspcctoren und<lb/> Präfecten, welche die gerettete Gesellschaft mit väterlicher Sorgfalt überwachen, damit<lb/> sie der schwcrerkauftcn Rettung nicht zu bald überdrüssig werde. Herr vou Parad,<lb/> ein legitimistischer Quästor der weiland republikanischen Nationalversammlung, theilt die<lb/> Bewunderung der vielen Anbeter Mänpaö' nicht, aber er ist dafür anch ein Anarchist,<lb/> ein Socialist, oder was jetzt aus dasselbe hcranSkommtj kein Bonapartist. Zu seinem<lb/> Glücke gehört Parad der legittmistischen Partei an, denn diese darf sich unter Louis<lb/> Bonaparte Vieles erlauben, weil die Legitimsten als unfähige Invaliden der Politik<lb/> am wenigsten furchtbar scheinen. Herr Maupas, der wie jeder Polizeiminister allwissend<lb/> ist, das heißt Alles weiß, was man zu verbergen sich keine Mühe giebt, erfuhr, daß<lb/> Herr von Parad, ungleich dem Beispiel seiner politischen Glaubensgenossen, nicht müde<lb/> werde, die Machthaber der kaiserlichen Republik mit seinen Epigrammen zu verfolge».<lb/> Herr Maupas, vom Geiste der bonapartistischen Politik zu sehr durchdrungen und<lb/> selbst zu vollkommener Gentleman, als daß er mit einem Legitimisten so wenig Um¬<lb/> stände machen sollte > wie dies zum Beispiele einem orleanistischen. Anftömmliug gegen¬<lb/> über der Fall gewesen wäre, ließ Herrn von Parad durch einen seiner außerordentliche»<lb/> Botschafter der Varcnnesgasse auffordern, in Zukunft weniger Geist zu zeigen. Herr<lb/> von Parad, dem es zunächst darum zu thun gewesen sein mochte, zu beweisen, daß er<lb/> diese Mahnung wirklich verdiente, ließ dem Polizeiminister antworten, daß er diese<lb/> Weisung gern beherzigen wolle, wenn ihm Herr Manpas sein Recept mittheilte. Es bleibt<lb/> darum nichts desto weniger eine ausgemachte Sache, daß Herr Maupas einer der<lb/> tüchtigsten Administratoren, der durchdringendsten Staatsmänner und der geistreichsten<lb/> Köpfe des Jahrhunderts ist, wenn er gleich bisher blos für einen liebenswürdigen Le¬<lb/> bemann gegolten. Herr Perstgny, der auch ein Herr von geworden, als ob er in der<lb/> Weiter Alles adelnden Bourgeoisie erzogen wäre, ist gleichfalls ein Jünger des Wohlle¬<lb/> bens und ein Diplomat, der seine hohe Schule bei Tortoni, den trois l'i'vros provenysux<lb/> u. s.w. durchgemacht. Herr Rönnen war unter Ludwig Philipp durch seineCalcmbonrgS<lb/> und Enlcnspicgelstrciche der Liebling der literarischen Gassenjungen gewesen, und die<lb/> kleinen amüsanten Thatsachen der politischen Journale haben manchen Pagcnstreich des<lb/> gegenwärtigen Direktors der schönen Künste aufgezeichnet. Das „rothe Gespenst" war<lb/> sein letzter Pagenstrcich und auch sein einträglichster. Es war blos die Wiederholung<lb/> feiner alten Künste in größeren Maßstabe, aber diesmal gelang das Meisterstück über alle<lb/> Erwartung, denn die armen Bürger der Se. Denis- und Se. Martin-Vorstädte waren so<lb/> ins Bockshorn gejagt, daß sie "das heroische Mittel Nomicn's, die militairische Dictatur,<lb/> als einzige Rettung aus den Händen des Chirurgen Frankreichs, ohne Widerrede, wenn<lb/> gleich unter den possierlichsten Grimassen, hinabschlnckten. Seither ist Nomicn el» ern¬<lb/> ster Staatsmann geworden, ein so ernster, daß wohlunterrichtete Korrespondenten ans den<lb/> zuverlässigsten Quellen berichten konnten, es sei die Rede davon, Herr Nomicn werde<lb/> dem Minister des Junern, Herr Persigny, in dessen Amte nachfolge». Das war vor<lb/> der Hemd nur eine wohlunterrichtete Ente, welche die beiden Freunde nicht einen Augen¬<lb/> blick entzweite. Prrsigny ergeht sich vielmehr noch jetzt häufig mit Nomicu und eini¬<lb/> gen anderen nicht minder ernsten Staatsmännern und um so heitereren Sta atsmä » Irin¬<lb/> nen von de» Plagen seines wichtigen Amtes in einem oder dem andern der vielen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0406]
Staatsmann bis dahin blos in den Coulissen der großen Oper und bei den soupors
uns der gcnußstürmendcu fashionablen Jugend bethätigt hatte. Der Polizeiminister
Maupas, der, obwol sein Vater ein reicher Holzhändler gewesen, doch nicht aus
adeligen Holze gemacht ist, war vor seiner plötzlichen Erhebung nur durch seine ange¬
nehme Stimme und durch seine Talente als Salonmensch bekannt. Louis Bonaparte
machte einen Minister ans ihm, und die Courtiscms des kaiserlichen Hofes erzählen uns
täglich neue Wunder von seiner außerordentlichen Begabung. Die Hautevolee bestürmt
ihn mit Bitten um Einladungen zu seinen Bällen, und unsre gouvernementalen Philister
wissen nicht genug Aufhebens zu machen von dem Tacitus der rue as V«rei>nes und von
der hochtoryistischcn Poesie seiner zahlreichen Kreisschreiber an die Gcncralinspcctoren und
Präfecten, welche die gerettete Gesellschaft mit väterlicher Sorgfalt überwachen, damit
sie der schwcrerkauftcn Rettung nicht zu bald überdrüssig werde. Herr vou Parad,
ein legitimistischer Quästor der weiland republikanischen Nationalversammlung, theilt die
Bewunderung der vielen Anbeter Mänpaö' nicht, aber er ist dafür anch ein Anarchist,
ein Socialist, oder was jetzt aus dasselbe hcranSkommtj kein Bonapartist. Zu seinem
Glücke gehört Parad der legittmistischen Partei an, denn diese darf sich unter Louis
Bonaparte Vieles erlauben, weil die Legitimsten als unfähige Invaliden der Politik
am wenigsten furchtbar scheinen. Herr Maupas, der wie jeder Polizeiminister allwissend
ist, das heißt Alles weiß, was man zu verbergen sich keine Mühe giebt, erfuhr, daß
Herr von Parad, ungleich dem Beispiel seiner politischen Glaubensgenossen, nicht müde
werde, die Machthaber der kaiserlichen Republik mit seinen Epigrammen zu verfolge».
Herr Maupas, vom Geiste der bonapartistischen Politik zu sehr durchdrungen und
selbst zu vollkommener Gentleman, als daß er mit einem Legitimisten so wenig Um¬
stände machen sollte > wie dies zum Beispiele einem orleanistischen. Anftömmliug gegen¬
über der Fall gewesen wäre, ließ Herrn von Parad durch einen seiner außerordentliche»
Botschafter der Varcnnesgasse auffordern, in Zukunft weniger Geist zu zeigen. Herr
von Parad, dem es zunächst darum zu thun gewesen sein mochte, zu beweisen, daß er
diese Mahnung wirklich verdiente, ließ dem Polizeiminister antworten, daß er diese
Weisung gern beherzigen wolle, wenn ihm Herr Manpas sein Recept mittheilte. Es bleibt
darum nichts desto weniger eine ausgemachte Sache, daß Herr Maupas einer der
tüchtigsten Administratoren, der durchdringendsten Staatsmänner und der geistreichsten
Köpfe des Jahrhunderts ist, wenn er gleich bisher blos für einen liebenswürdigen Le¬
bemann gegolten. Herr Perstgny, der auch ein Herr von geworden, als ob er in der
Weiter Alles adelnden Bourgeoisie erzogen wäre, ist gleichfalls ein Jünger des Wohlle¬
bens und ein Diplomat, der seine hohe Schule bei Tortoni, den trois l'i'vros provenysux
u. s.w. durchgemacht. Herr Rönnen war unter Ludwig Philipp durch seineCalcmbonrgS
und Enlcnspicgelstrciche der Liebling der literarischen Gassenjungen gewesen, und die
kleinen amüsanten Thatsachen der politischen Journale haben manchen Pagcnstreich des
gegenwärtigen Direktors der schönen Künste aufgezeichnet. Das „rothe Gespenst" war
sein letzter Pagenstrcich und auch sein einträglichster. Es war blos die Wiederholung
feiner alten Künste in größeren Maßstabe, aber diesmal gelang das Meisterstück über alle
Erwartung, denn die armen Bürger der Se. Denis- und Se. Martin-Vorstädte waren so
ins Bockshorn gejagt, daß sie "das heroische Mittel Nomicn's, die militairische Dictatur,
als einzige Rettung aus den Händen des Chirurgen Frankreichs, ohne Widerrede, wenn
gleich unter den possierlichsten Grimassen, hinabschlnckten. Seither ist Nomicn el» ern¬
ster Staatsmann geworden, ein so ernster, daß wohlunterrichtete Korrespondenten ans den
zuverlässigsten Quellen berichten konnten, es sei die Rede davon, Herr Nomicn werde
dem Minister des Junern, Herr Persigny, in dessen Amte nachfolge». Das war vor
der Hemd nur eine wohlunterrichtete Ente, welche die beiden Freunde nicht einen Augen¬
blick entzweite. Prrsigny ergeht sich vielmehr noch jetzt häufig mit Nomicu und eini¬
gen anderen nicht minder ernsten Staatsmännern und um so heitereren Sta atsmä » Irin¬
nen von de» Plagen seines wichtigen Amtes in einem oder dem andern der vielen
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