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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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Reis, dazu jedesmal eine gute Portion eingepökeltes Rind- oder Schweinefleisch,
Sonnabends aber Kartoffeln und Hering. Kamen wir nun mit unsren Speise-
gcräthcn in unser Steerage herabgezogen, so war es allerdings für Diejenigen,
welche in dem hintern Theile ihre Plätze suchten, nachdem die vorderen Sitze schon
eingenommen waren, keine leichte Sache, sich dnrch die in einander gesteckten
32 Beine hindurchzuwinden, zumal da die Sonne so wenig Licht herabsandte, daß
wir beim Eintreten eine ägyptische Finsterniß vor uns zu sehen glaubten, und erst
nach' einiger Zeit die verschiedenen Formen von einander unterscheiden lernten.
Was mich anlangt, so hat mir die einfache Kost immer gut geschmeckt, und ich
habe mich bei derselben stets wohl und munter befunden; den meisten übrigen
Passagieren wollte sie freilich im Anfange, als die Seekrankheit den Magen mit
Beschlag belegt hatte, nicht besonders behagen, und wenigstens zwei Drittheile
der Portionen wurden damals als ein willkommenes Geschenk für die Fische über
Bord geworfen; drei Wochen später aber wurden die Blechuäpfe so rein aus¬
geleert, daß das Auswaschen sich geradezu als unnütz Heransstellen mußte -- solch
ein gesunder Appetit hatte sich nun nach überstandener Seekrankheit eingestellt.

Gegen i Uhr Nachmittags clam das Geschäft des Wasserhvlens. Jetzt drängte
sich die Bevölkerung mit blechernen Wasserflaschen um den Steuermann, der aus
einem großen Fasse vermittelst einer Pumpe den Labetrnnk herausbeförderte. Jeder
Passagier bekam täglich ungefähr V- Quart; diese Menge halte recht wohl hin¬
reichen können, den Durst zu löschen, da anßer Wasser auch Kaffee und Thee
vertheilt wurde; aber dessen ungeachtet hat mich selten ein so heftiger Durst ge¬
plagt, als auf der endlosen Wasserfläche des Meeres. Der Grund dieses Uebels
lag theils in dem Genusse des Salzfleisches, theils aber auch, wenigstens in der
spätern Zeit, in der Qualität des Wassers. In den ersten vier Wochen, als
wir noch unter höheren Breitegraden sichren, war das Wasser wegen der nie¬
drigen Temperatur und wegen seines geringen Alters frisch und wohlschmeckend,
als wir aber dem Wendekreise näher kamen und als wir ihn später passirt hatten,
wirkte die hohe Temperatur in Verbindung mit der Zeit so nachtheilig ein, daß
es kaum noch zu genießen war, ja schon der blose Geruch konnte den Genuß
verleiden. Glücklich war dann Der, welcher von dem Wasser der Cajüte und der
Schiffsmannschaft einen Trunk von dem Steuermann oder von dem Steward
erbetteln konnte; denn dieses letztere, welches in reinen, gut ausgepichten Fässern
aufbewahrt wurde, hielt sich völlig wohlschmeckend und rein bis zum Ende der
Reise, während das Trinkwasser der Zwischendeckspassagiere, von dem Schiffs¬
befrachter in alte, unreine Fässer gefüllt, bald^von der Fäulniß angegriffen wurde.

Einigermaßen wurde der Mangel an gutem Trinkwasser durch den Thee
ersetzt, welcher Abends regelmäßig vertheilt wurde, und in welchem durch das
Kochen der faule Geruch und Geschmack des Wassers größtentheils vernichtet war.
Mit dem Theeholen war das vierte und letzte regelmäßige Geschäft beendet.


Reis, dazu jedesmal eine gute Portion eingepökeltes Rind- oder Schweinefleisch,
Sonnabends aber Kartoffeln und Hering. Kamen wir nun mit unsren Speise-
gcräthcn in unser Steerage herabgezogen, so war es allerdings für Diejenigen,
welche in dem hintern Theile ihre Plätze suchten, nachdem die vorderen Sitze schon
eingenommen waren, keine leichte Sache, sich dnrch die in einander gesteckten
32 Beine hindurchzuwinden, zumal da die Sonne so wenig Licht herabsandte, daß
wir beim Eintreten eine ägyptische Finsterniß vor uns zu sehen glaubten, und erst
nach' einiger Zeit die verschiedenen Formen von einander unterscheiden lernten.
Was mich anlangt, so hat mir die einfache Kost immer gut geschmeckt, und ich
habe mich bei derselben stets wohl und munter befunden; den meisten übrigen
Passagieren wollte sie freilich im Anfange, als die Seekrankheit den Magen mit
Beschlag belegt hatte, nicht besonders behagen, und wenigstens zwei Drittheile
der Portionen wurden damals als ein willkommenes Geschenk für die Fische über
Bord geworfen; drei Wochen später aber wurden die Blechuäpfe so rein aus¬
geleert, daß das Auswaschen sich geradezu als unnütz Heransstellen mußte — solch
ein gesunder Appetit hatte sich nun nach überstandener Seekrankheit eingestellt.

Gegen i Uhr Nachmittags clam das Geschäft des Wasserhvlens. Jetzt drängte
sich die Bevölkerung mit blechernen Wasserflaschen um den Steuermann, der aus
einem großen Fasse vermittelst einer Pumpe den Labetrnnk herausbeförderte. Jeder
Passagier bekam täglich ungefähr V- Quart; diese Menge halte recht wohl hin¬
reichen können, den Durst zu löschen, da anßer Wasser auch Kaffee und Thee
vertheilt wurde; aber dessen ungeachtet hat mich selten ein so heftiger Durst ge¬
plagt, als auf der endlosen Wasserfläche des Meeres. Der Grund dieses Uebels
lag theils in dem Genusse des Salzfleisches, theils aber auch, wenigstens in der
spätern Zeit, in der Qualität des Wassers. In den ersten vier Wochen, als
wir noch unter höheren Breitegraden sichren, war das Wasser wegen der nie¬
drigen Temperatur und wegen seines geringen Alters frisch und wohlschmeckend,
als wir aber dem Wendekreise näher kamen und als wir ihn später passirt hatten,
wirkte die hohe Temperatur in Verbindung mit der Zeit so nachtheilig ein, daß
es kaum noch zu genießen war, ja schon der blose Geruch konnte den Genuß
verleiden. Glücklich war dann Der, welcher von dem Wasser der Cajüte und der
Schiffsmannschaft einen Trunk von dem Steuermann oder von dem Steward
erbetteln konnte; denn dieses letztere, welches in reinen, gut ausgepichten Fässern
aufbewahrt wurde, hielt sich völlig wohlschmeckend und rein bis zum Ende der
Reise, während das Trinkwasser der Zwischendeckspassagiere, von dem Schiffs¬
befrachter in alte, unreine Fässer gefüllt, bald^von der Fäulniß angegriffen wurde.

Einigermaßen wurde der Mangel an gutem Trinkwasser durch den Thee
ersetzt, welcher Abends regelmäßig vertheilt wurde, und in welchem durch das
Kochen der faule Geruch und Geschmack des Wassers größtentheils vernichtet war.
Mit dem Theeholen war das vierte und letzte regelmäßige Geschäft beendet.


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[0386] Reis, dazu jedesmal eine gute Portion eingepökeltes Rind- oder Schweinefleisch, Sonnabends aber Kartoffeln und Hering. Kamen wir nun mit unsren Speise- gcräthcn in unser Steerage herabgezogen, so war es allerdings für Diejenigen, welche in dem hintern Theile ihre Plätze suchten, nachdem die vorderen Sitze schon eingenommen waren, keine leichte Sache, sich dnrch die in einander gesteckten 32 Beine hindurchzuwinden, zumal da die Sonne so wenig Licht herabsandte, daß wir beim Eintreten eine ägyptische Finsterniß vor uns zu sehen glaubten, und erst nach' einiger Zeit die verschiedenen Formen von einander unterscheiden lernten. Was mich anlangt, so hat mir die einfache Kost immer gut geschmeckt, und ich habe mich bei derselben stets wohl und munter befunden; den meisten übrigen Passagieren wollte sie freilich im Anfange, als die Seekrankheit den Magen mit Beschlag belegt hatte, nicht besonders behagen, und wenigstens zwei Drittheile der Portionen wurden damals als ein willkommenes Geschenk für die Fische über Bord geworfen; drei Wochen später aber wurden die Blechuäpfe so rein aus¬ geleert, daß das Auswaschen sich geradezu als unnütz Heransstellen mußte — solch ein gesunder Appetit hatte sich nun nach überstandener Seekrankheit eingestellt. Gegen i Uhr Nachmittags clam das Geschäft des Wasserhvlens. Jetzt drängte sich die Bevölkerung mit blechernen Wasserflaschen um den Steuermann, der aus einem großen Fasse vermittelst einer Pumpe den Labetrnnk herausbeförderte. Jeder Passagier bekam täglich ungefähr V- Quart; diese Menge halte recht wohl hin¬ reichen können, den Durst zu löschen, da anßer Wasser auch Kaffee und Thee vertheilt wurde; aber dessen ungeachtet hat mich selten ein so heftiger Durst ge¬ plagt, als auf der endlosen Wasserfläche des Meeres. Der Grund dieses Uebels lag theils in dem Genusse des Salzfleisches, theils aber auch, wenigstens in der spätern Zeit, in der Qualität des Wassers. In den ersten vier Wochen, als wir noch unter höheren Breitegraden sichren, war das Wasser wegen der nie¬ drigen Temperatur und wegen seines geringen Alters frisch und wohlschmeckend, als wir aber dem Wendekreise näher kamen und als wir ihn später passirt hatten, wirkte die hohe Temperatur in Verbindung mit der Zeit so nachtheilig ein, daß es kaum noch zu genießen war, ja schon der blose Geruch konnte den Genuß verleiden. Glücklich war dann Der, welcher von dem Wasser der Cajüte und der Schiffsmannschaft einen Trunk von dem Steuermann oder von dem Steward erbetteln konnte; denn dieses letztere, welches in reinen, gut ausgepichten Fässern aufbewahrt wurde, hielt sich völlig wohlschmeckend und rein bis zum Ende der Reise, während das Trinkwasser der Zwischendeckspassagiere, von dem Schiffs¬ befrachter in alte, unreine Fässer gefüllt, bald^von der Fäulniß angegriffen wurde. Einigermaßen wurde der Mangel an gutem Trinkwasser durch den Thee ersetzt, welcher Abends regelmäßig vertheilt wurde, und in welchem durch das Kochen der faule Geruch und Geschmack des Wassers größtentheils vernichtet war. Mit dem Theeholen war das vierte und letzte regelmäßige Geschäft beendet.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/386>, abgerufen am 24.07.2024.