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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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spätere Vermischungen mit Blättern gewisser Weidenarten oder tropischer Verbe-
naceen, Versetzungen mit Campescheholz und Berlinerblau, Färbungen mit Kupfer¬
lösungen und Mineralgrün argwöhnen müssen. Solcher Thee kann dann aller¬
dings viele der schädlichen Wirkungen äußern, welche das ärztliche Publicum
namentlich dem grünen Thee zur Last legt. Aber nicht den Thee, sondern die
Entweihung seines Blattes, die Habsucht und Gewissenlosigkeit der eigentlichen
Verbreiter dieses Körperevangelinms der civilisirten Menschheit muß der verdam¬
mende Fluch der Leidenden treffen.

Gröbere Naturen, abgehärtet von körperlichen Anstrengungen, der höheren
geistigen Empfindungen des Theegenusses minder bedürftig, setzen freilich den
Kostenpunkt obenan. Es ist darum nicht zu verwundern, daß von den 19 Mil¬
lionen Pfund Thee, welche Nordamerika jährlich verbraucht, über Is Millionen
aus verschiedenen grünen Sorten bestehen. Dagegen hat England mit dem Ab¬
laufe des Monopols der ostindischen Compagnie (also seit dem Beginne der
eigentlichen Verwilderung im überseeischen Theehandel) seinen Verbrauch an grü¬
nem Thee so sehr eingeschränkt, daß heute von den Mill. Pfund seines Thee,
bedarfs blos noch 7 Mill. durch ihn befriedigt werden, während in derselben'
Periode die Gesammteinfuhr des Thee's beinahe um das Doppelte zunahm. --
Deutschlands theetrinkende Regionen und Bevölkerungsschichten, folglich die Be¬
vorzugten und Hervorragenden der Nation, theilen ihr Interesse mit gewohnter
Unparteilichkeit zwischen dem grünen und schwarzen Thee. Da wir beide Sorten
fast nur auf dem Seeweg erhalten, so sind wir leider ausschließlich an die eng¬
lischen Häuser in Canton, im Durchschnitte sonach fast unbedingt an mittlere und
geringe Sorten gewiesen. Wir werden es voraussichtlich uoch so lange sein, bis
eine deutsche Flotte uns die englische Kraft des Zwanges an den chinesischen
Küstenplätzen giebt, oder bis Oestreichs nationale Bestrebungen für Mitteleuropa
einen Landweg nach China gesichert haben, der jedenfalls zu den unermeßlichen,
nur leider noch "ungehobener Schätzen des Ostens" gehört, die uns für den
Fall verheißen wurden, 'daß wir die Kleinigkeit an Zollverein, die wir haben, ge¬
gen die Sicherheit der Wiener Vor- und mittelstaatlichen Nachschwebungen ein¬
tauschen. Ein Paar vorläufige Jahre des Urins unsrer bisher zollvereinlichen
Handels- und Jndustrieverhältnisse können bei einer solchen ungeheuren Aussicht
natürlich gar nicht in Anschlag kommen; und wenn etwa später auch die Aussicht
verschwinden sollte, so haben >wir Binnenländer doch die ^gtg, Nor^us, nicht zu
theuer mit unsrem Hab und Gut bezahlt, da ein solches Phänomen bekanntlich
sehr schön und, mit Ausnahme der gesegneten afrikanischen Wüste oder der bei¬
nahe gleichermaßen gesegneten Steppenlande Asiens, überdies äußerst selten im
Innern des Kontinents vorkommt. Wer indessen mit seinem Theegenuß nicht
bis zu dieser Zeit der Entscheidung warten mag, dem ist in Deutschland die Mi- '
chuug eines Drittels grünen mit zwei Dritteln schwarzen Thee's zu empfehlen,


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spätere Vermischungen mit Blättern gewisser Weidenarten oder tropischer Verbe-
naceen, Versetzungen mit Campescheholz und Berlinerblau, Färbungen mit Kupfer¬
lösungen und Mineralgrün argwöhnen müssen. Solcher Thee kann dann aller¬
dings viele der schädlichen Wirkungen äußern, welche das ärztliche Publicum
namentlich dem grünen Thee zur Last legt. Aber nicht den Thee, sondern die
Entweihung seines Blattes, die Habsucht und Gewissenlosigkeit der eigentlichen
Verbreiter dieses Körperevangelinms der civilisirten Menschheit muß der verdam¬
mende Fluch der Leidenden treffen.

Gröbere Naturen, abgehärtet von körperlichen Anstrengungen, der höheren
geistigen Empfindungen des Theegenusses minder bedürftig, setzen freilich den
Kostenpunkt obenan. Es ist darum nicht zu verwundern, daß von den 19 Mil¬
lionen Pfund Thee, welche Nordamerika jährlich verbraucht, über Is Millionen
aus verschiedenen grünen Sorten bestehen. Dagegen hat England mit dem Ab¬
laufe des Monopols der ostindischen Compagnie (also seit dem Beginne der
eigentlichen Verwilderung im überseeischen Theehandel) seinen Verbrauch an grü¬
nem Thee so sehr eingeschränkt, daß heute von den Mill. Pfund seines Thee,
bedarfs blos noch 7 Mill. durch ihn befriedigt werden, während in derselben'
Periode die Gesammteinfuhr des Thee's beinahe um das Doppelte zunahm. —
Deutschlands theetrinkende Regionen und Bevölkerungsschichten, folglich die Be¬
vorzugten und Hervorragenden der Nation, theilen ihr Interesse mit gewohnter
Unparteilichkeit zwischen dem grünen und schwarzen Thee. Da wir beide Sorten
fast nur auf dem Seeweg erhalten, so sind wir leider ausschließlich an die eng¬
lischen Häuser in Canton, im Durchschnitte sonach fast unbedingt an mittlere und
geringe Sorten gewiesen. Wir werden es voraussichtlich uoch so lange sein, bis
eine deutsche Flotte uns die englische Kraft des Zwanges an den chinesischen
Küstenplätzen giebt, oder bis Oestreichs nationale Bestrebungen für Mitteleuropa
einen Landweg nach China gesichert haben, der jedenfalls zu den unermeßlichen,
nur leider noch „ungehobener Schätzen des Ostens" gehört, die uns für den
Fall verheißen wurden, 'daß wir die Kleinigkeit an Zollverein, die wir haben, ge¬
gen die Sicherheit der Wiener Vor- und mittelstaatlichen Nachschwebungen ein¬
tauschen. Ein Paar vorläufige Jahre des Urins unsrer bisher zollvereinlichen
Handels- und Jndustrieverhältnisse können bei einer solchen ungeheuren Aussicht
natürlich gar nicht in Anschlag kommen; und wenn etwa später auch die Aussicht
verschwinden sollte, so haben >wir Binnenländer doch die ^gtg, Nor^us, nicht zu
theuer mit unsrem Hab und Gut bezahlt, da ein solches Phänomen bekanntlich
sehr schön und, mit Ausnahme der gesegneten afrikanischen Wüste oder der bei¬
nahe gleichermaßen gesegneten Steppenlande Asiens, überdies äußerst selten im
Innern des Kontinents vorkommt. Wer indessen mit seinem Theegenuß nicht
bis zu dieser Zeit der Entscheidung warten mag, dem ist in Deutschland die Mi- '
chuug eines Drittels grünen mit zwei Dritteln schwarzen Thee's zu empfehlen,


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[0343] spätere Vermischungen mit Blättern gewisser Weidenarten oder tropischer Verbe- naceen, Versetzungen mit Campescheholz und Berlinerblau, Färbungen mit Kupfer¬ lösungen und Mineralgrün argwöhnen müssen. Solcher Thee kann dann aller¬ dings viele der schädlichen Wirkungen äußern, welche das ärztliche Publicum namentlich dem grünen Thee zur Last legt. Aber nicht den Thee, sondern die Entweihung seines Blattes, die Habsucht und Gewissenlosigkeit der eigentlichen Verbreiter dieses Körperevangelinms der civilisirten Menschheit muß der verdam¬ mende Fluch der Leidenden treffen. Gröbere Naturen, abgehärtet von körperlichen Anstrengungen, der höheren geistigen Empfindungen des Theegenusses minder bedürftig, setzen freilich den Kostenpunkt obenan. Es ist darum nicht zu verwundern, daß von den 19 Mil¬ lionen Pfund Thee, welche Nordamerika jährlich verbraucht, über Is Millionen aus verschiedenen grünen Sorten bestehen. Dagegen hat England mit dem Ab¬ laufe des Monopols der ostindischen Compagnie (also seit dem Beginne der eigentlichen Verwilderung im überseeischen Theehandel) seinen Verbrauch an grü¬ nem Thee so sehr eingeschränkt, daß heute von den Mill. Pfund seines Thee, bedarfs blos noch 7 Mill. durch ihn befriedigt werden, während in derselben' Periode die Gesammteinfuhr des Thee's beinahe um das Doppelte zunahm. — Deutschlands theetrinkende Regionen und Bevölkerungsschichten, folglich die Be¬ vorzugten und Hervorragenden der Nation, theilen ihr Interesse mit gewohnter Unparteilichkeit zwischen dem grünen und schwarzen Thee. Da wir beide Sorten fast nur auf dem Seeweg erhalten, so sind wir leider ausschließlich an die eng¬ lischen Häuser in Canton, im Durchschnitte sonach fast unbedingt an mittlere und geringe Sorten gewiesen. Wir werden es voraussichtlich uoch so lange sein, bis eine deutsche Flotte uns die englische Kraft des Zwanges an den chinesischen Küstenplätzen giebt, oder bis Oestreichs nationale Bestrebungen für Mitteleuropa einen Landweg nach China gesichert haben, der jedenfalls zu den unermeßlichen, nur leider noch „ungehobener Schätzen des Ostens" gehört, die uns für den Fall verheißen wurden, 'daß wir die Kleinigkeit an Zollverein, die wir haben, ge¬ gen die Sicherheit der Wiener Vor- und mittelstaatlichen Nachschwebungen ein¬ tauschen. Ein Paar vorläufige Jahre des Urins unsrer bisher zollvereinlichen Handels- und Jndustrieverhältnisse können bei einer solchen ungeheuren Aussicht natürlich gar nicht in Anschlag kommen; und wenn etwa später auch die Aussicht verschwinden sollte, so haben >wir Binnenländer doch die ^gtg, Nor^us, nicht zu theuer mit unsrem Hab und Gut bezahlt, da ein solches Phänomen bekanntlich sehr schön und, mit Ausnahme der gesegneten afrikanischen Wüste oder der bei¬ nahe gleichermaßen gesegneten Steppenlande Asiens, überdies äußerst selten im Innern des Kontinents vorkommt. Wer indessen mit seinem Theegenuß nicht bis zu dieser Zeit der Entscheidung warten mag, dem ist in Deutschland die Mi- ' chuug eines Drittels grünen mit zwei Dritteln schwarzen Thee's zu empfehlen, 42*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/343>, abgerufen am 24.07.2024.