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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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verhaucht auf den Wellen des Oceans den feinsten Inhalt seiner Lebensgeister.
Mochte auch die ostindische Compagnie, so lange sie noch das Monopol des
Seeverkehrs mit China hatte, mit ungeheuren Summen die feinsten Thecschmecker
an den verschiedenen Hafenvrten besolden, mochten diese auch noch so sorgfältig
kosten und sortiren -- derselbe Thee derselben Plantage, welcher nach längerem
Landwege in Nischnei-Nowgorod oder Moskau alle Anforderungen der feinsten
Gourmandise übertraf, er war nach der raschem Seereise in London kaum mehr
als Prinz von Geblüt zu erkennen. Seitdem nun vollends die ostindische Com¬
pagnie ihr Monopol verlor, haben die theestolzen Familien des Reiches der
Mitte sich fast ausschließlich auf den Handel mit Rußland zurückgezogen. Seewärts
aber ist der herrliche Thee ein' gewöhnlicher Handelsartikel geworden, und da
sich in Form des grünen Thee's geringere Sorten durch zierliche Behandlung
besser verwerthen lassen -- ungefähr wie man geringern Tabak oft zierlicher
gesponnen findet, als die echte Havannahcigarre -- so ist hier auch die ehrenfeste
Solidität des Verkehrs immer mehr verschwunden. Nur noch im Bereiche des
Caravcmenthees, nur noch an der chinesisch-russischen Grenze herrschen die alten
Bräuche und gegenseitigen Sicherungen. Und hier kennt man auch verhältni߬
mäßig nur wenige Sorten.

Freilich giebt es auch hier schon schwarzen und grünen Thee, doch letztern
nur in geringer Menge und blos von auserlesenster Güte. Vom schwarzen
Thee unterscheidet man zwei Hauptarten: Blumenthee und Handelsthee;
jede derselben stuft sich in der Güte als Familien-, Schansi- und gewöhn¬
licher Thee ab. Vom grünen Thee kennt man nur zwei Gattungen. Ueber
dem schwarzen und grünen steht noch als seltene und kostspielige Erscheinung auf
dem Markte zu Kiächta der gelbe Thee. Den Uebergang von den feinsten
Sorten des überhaupt zum Handel kommenden Thee's zu diesen gelben Ausnahmen
bezeichnet der Chanski-tschai, wie ihn die Russen nennen, Kaiser-Perlen¬
thee in deutscher Umschreibung, eigentlich als Tribut an den Hof nach Peking
geliefert (daher sein Name), dann als kaiserliches Geschenk bei festlichen Gelegen¬
heiten an hohe Würdenträger vertheilt und von diesen zum Verkauf an Unter¬
händler gegeben -- ein Weg, welchen die von Potentaten verschenkten goldenen
Dosen, Brillantringe und Tuchuadclu in Europa ebenfalls ziemlich genau kennen.
Nur herrscht am Hofe von Peking nicht die Gewohnheit, solche Theegeschenke
für eine gewisse Aversionalsumme wieder einzulösen, um damit abermalige Gnaden¬
spender zu ertheilen.

Von den wesentlichen Eigenthümlichkeiten dieser Theesorten und ihren Unter¬
abteilungen werden wir später Einiges zu sprechen haben; jetzt gilt es zunächst,
einen Blick zu werfen ans die Art, wie der Theehandel betrieben wird. In der
Provinz Fukian, im südlichen China, wird der größere Theil des Baichow ge¬
wonnen. Die Provinz Schansi liefert allerdings auch große Massen, doch bezieht


verhaucht auf den Wellen des Oceans den feinsten Inhalt seiner Lebensgeister.
Mochte auch die ostindische Compagnie, so lange sie noch das Monopol des
Seeverkehrs mit China hatte, mit ungeheuren Summen die feinsten Thecschmecker
an den verschiedenen Hafenvrten besolden, mochten diese auch noch so sorgfältig
kosten und sortiren — derselbe Thee derselben Plantage, welcher nach längerem
Landwege in Nischnei-Nowgorod oder Moskau alle Anforderungen der feinsten
Gourmandise übertraf, er war nach der raschem Seereise in London kaum mehr
als Prinz von Geblüt zu erkennen. Seitdem nun vollends die ostindische Com¬
pagnie ihr Monopol verlor, haben die theestolzen Familien des Reiches der
Mitte sich fast ausschließlich auf den Handel mit Rußland zurückgezogen. Seewärts
aber ist der herrliche Thee ein' gewöhnlicher Handelsartikel geworden, und da
sich in Form des grünen Thee's geringere Sorten durch zierliche Behandlung
besser verwerthen lassen — ungefähr wie man geringern Tabak oft zierlicher
gesponnen findet, als die echte Havannahcigarre — so ist hier auch die ehrenfeste
Solidität des Verkehrs immer mehr verschwunden. Nur noch im Bereiche des
Caravcmenthees, nur noch an der chinesisch-russischen Grenze herrschen die alten
Bräuche und gegenseitigen Sicherungen. Und hier kennt man auch verhältni߬
mäßig nur wenige Sorten.

Freilich giebt es auch hier schon schwarzen und grünen Thee, doch letztern
nur in geringer Menge und blos von auserlesenster Güte. Vom schwarzen
Thee unterscheidet man zwei Hauptarten: Blumenthee und Handelsthee;
jede derselben stuft sich in der Güte als Familien-, Schansi- und gewöhn¬
licher Thee ab. Vom grünen Thee kennt man nur zwei Gattungen. Ueber
dem schwarzen und grünen steht noch als seltene und kostspielige Erscheinung auf
dem Markte zu Kiächta der gelbe Thee. Den Uebergang von den feinsten
Sorten des überhaupt zum Handel kommenden Thee's zu diesen gelben Ausnahmen
bezeichnet der Chanski-tschai, wie ihn die Russen nennen, Kaiser-Perlen¬
thee in deutscher Umschreibung, eigentlich als Tribut an den Hof nach Peking
geliefert (daher sein Name), dann als kaiserliches Geschenk bei festlichen Gelegen¬
heiten an hohe Würdenträger vertheilt und von diesen zum Verkauf an Unter¬
händler gegeben — ein Weg, welchen die von Potentaten verschenkten goldenen
Dosen, Brillantringe und Tuchuadclu in Europa ebenfalls ziemlich genau kennen.
Nur herrscht am Hofe von Peking nicht die Gewohnheit, solche Theegeschenke
für eine gewisse Aversionalsumme wieder einzulösen, um damit abermalige Gnaden¬
spender zu ertheilen.

Von den wesentlichen Eigenthümlichkeiten dieser Theesorten und ihren Unter¬
abteilungen werden wir später Einiges zu sprechen haben; jetzt gilt es zunächst,
einen Blick zu werfen ans die Art, wie der Theehandel betrieben wird. In der
Provinz Fukian, im südlichen China, wird der größere Theil des Baichow ge¬
wonnen. Die Provinz Schansi liefert allerdings auch große Massen, doch bezieht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/338>, abgerufen am 24.07.2024.