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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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den Kopf kommt, im diplomatisch erobernden Rußland -I Pfd. 13 Loth, in den
aufstrebenden Vereinsstaaten Nordamerika's 28 Loth, im gefährdeten deutschen
Zollverein dagegen nur 11 Loth, in dem von Louis Napoleon aus der Selbst¬
vernichtung noch zu errettenden Frankreich sogar blos -^ Loth. Solchen statistischen
Ergebnissen liegen jedenfalls wichtige Entwickelungsgesetze der Völkervegetation zu
Grunde, und nur ein blödes Auge könnte sich dagegen verschließen!

Aehnliche Fragen, eine die andere überragend an praktischer Wichtigkeit und
historischer Bedeutung, stürmen ans uns von allen Seiten herein, wenn wir den
ganzen Umfang des Begriffs Thee in seinen einzelnen Richtungen gleichmäßig zu
würdigen versuchen. Ritter hat eine Erdkunde in Beziehung zur Geschichte der
Menschheit geschaffen -- wann wird der Ritter der Theekunde sein Evangelium
predigen? Fern stehe uns die Anmaßung, in flüchtigen Blättern die Weltstellung
der Theeblätter auch nur annähernd berühren zu wollen. Dies würde dicke und
sehr gelehrte Bücher erfordern, eiuen Autor von der Umfassuugskraft Humboldt's.
Gehen wir nnr ganz einfach den Weg der positiven Thatsachen, überlassen wir
weitere Folgerungen dem Geiste der lesenden und theegenießenden Menschheit, was
so ziemlich identisch ist.

Oben war die Rede von den Versuchen zur Verpflanzung des Thee's aus
China nach anderen Ländern. Großentheils 'mißglückt mußten wir sie nennen,
wenigstens mißglückt in dem Sinne, wie die Verpflanzung des seinen Cigarren¬
tabaks aus den havannesischen Gefilden, nach anderen Landbreiten. Der chinesische
Thee wird von keinem andern der Welt an innerer Güte, äußerem Ansehen, äthe¬
rischem Dufte und wohlthuender Wirkung auf die Organe des körperlichen, wie
des geistigen Menschen erreicht. In welcher der.unzählbaren Landschaften des
himmlischen Reiches und unter welchen besonderen Begünstigungen der Natur wie Cul¬
tur aber jene feinsten Theegattnngen erwachsen, deren Namen kaum außerhalb
China's gekannt sind, deren Blätter noch seltener in ganz kleinen Partien und
heimlich die Grenzen des Reiches verlassen, um einzelnen Begünstigten einige Le¬
bensstunden mit Paradiesesseligkeit zu füllen -- darüber verlauten blos mythische
Andeutungen. Darum darf man es nicht verschweigen, daß blos diej Abfälle
des saubersten Thieres, des edlen Rosses, unvermischt mit Stroh oder anderen
Dingen der beglückten Erde die rechten Eigenschaften zu verleihen vermögen, um
wahrhaft edle, mit allen eigenthümlichen Tugenden begabte Theepflanzeü entsprießen
zu lassen. Nach sieben Jahren seines Lebens erst erreicht der Theestranch jene
Reife seiner Eigenthümlichkeiten, daß deren Vollkraft in die im achten Jahre zum
ersten Male gesammelten Blätter übergeht. Schon im neunten Jahre werden sie
zäher, von minder ätherischem Dust und Geschmack. Dennoch werden die Thee¬
sträuche bis zu ihrem eilften und zwölften Jahre abgeblättert -- und schon hieraus'
ergiebt sich von selbst die große Mannichfaltigkeit der Theesorten. Noch wichtiger
aber ist es, von welcher der vier Jahresernten die Blätter herrühren; denn die


den Kopf kommt, im diplomatisch erobernden Rußland -I Pfd. 13 Loth, in den
aufstrebenden Vereinsstaaten Nordamerika's 28 Loth, im gefährdeten deutschen
Zollverein dagegen nur 11 Loth, in dem von Louis Napoleon aus der Selbst¬
vernichtung noch zu errettenden Frankreich sogar blos -^ Loth. Solchen statistischen
Ergebnissen liegen jedenfalls wichtige Entwickelungsgesetze der Völkervegetation zu
Grunde, und nur ein blödes Auge könnte sich dagegen verschließen!

Aehnliche Fragen, eine die andere überragend an praktischer Wichtigkeit und
historischer Bedeutung, stürmen ans uns von allen Seiten herein, wenn wir den
ganzen Umfang des Begriffs Thee in seinen einzelnen Richtungen gleichmäßig zu
würdigen versuchen. Ritter hat eine Erdkunde in Beziehung zur Geschichte der
Menschheit geschaffen — wann wird der Ritter der Theekunde sein Evangelium
predigen? Fern stehe uns die Anmaßung, in flüchtigen Blättern die Weltstellung
der Theeblätter auch nur annähernd berühren zu wollen. Dies würde dicke und
sehr gelehrte Bücher erfordern, eiuen Autor von der Umfassuugskraft Humboldt's.
Gehen wir nnr ganz einfach den Weg der positiven Thatsachen, überlassen wir
weitere Folgerungen dem Geiste der lesenden und theegenießenden Menschheit, was
so ziemlich identisch ist.

Oben war die Rede von den Versuchen zur Verpflanzung des Thee's aus
China nach anderen Ländern. Großentheils 'mißglückt mußten wir sie nennen,
wenigstens mißglückt in dem Sinne, wie die Verpflanzung des seinen Cigarren¬
tabaks aus den havannesischen Gefilden, nach anderen Landbreiten. Der chinesische
Thee wird von keinem andern der Welt an innerer Güte, äußerem Ansehen, äthe¬
rischem Dufte und wohlthuender Wirkung auf die Organe des körperlichen, wie
des geistigen Menschen erreicht. In welcher der.unzählbaren Landschaften des
himmlischen Reiches und unter welchen besonderen Begünstigungen der Natur wie Cul¬
tur aber jene feinsten Theegattnngen erwachsen, deren Namen kaum außerhalb
China's gekannt sind, deren Blätter noch seltener in ganz kleinen Partien und
heimlich die Grenzen des Reiches verlassen, um einzelnen Begünstigten einige Le¬
bensstunden mit Paradiesesseligkeit zu füllen — darüber verlauten blos mythische
Andeutungen. Darum darf man es nicht verschweigen, daß blos diej Abfälle
des saubersten Thieres, des edlen Rosses, unvermischt mit Stroh oder anderen
Dingen der beglückten Erde die rechten Eigenschaften zu verleihen vermögen, um
wahrhaft edle, mit allen eigenthümlichen Tugenden begabte Theepflanzeü entsprießen
zu lassen. Nach sieben Jahren seines Lebens erst erreicht der Theestranch jene
Reife seiner Eigenthümlichkeiten, daß deren Vollkraft in die im achten Jahre zum
ersten Male gesammelten Blätter übergeht. Schon im neunten Jahre werden sie
zäher, von minder ätherischem Dust und Geschmack. Dennoch werden die Thee¬
sträuche bis zu ihrem eilften und zwölften Jahre abgeblättert — und schon hieraus'
ergiebt sich von selbst die große Mannichfaltigkeit der Theesorten. Noch wichtiger
aber ist es, von welcher der vier Jahresernten die Blätter herrühren; denn die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/336>, abgerufen am 04.07.2024.