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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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streich die Ehre der Nation zu retten und dem Todfeind einen empfindlichen
Schaden zuzufügen. Der Plan, noch damals die Offensive gegen die Oestreicher
zu ergreifen, scheiterte theils am Widerspruch der übrigen Generale, theils an den
Folgen einer Verwundung, die ihn für einige Tage kampfunfähig machte. Als
die Waffenstrcckung erfolgte, ward die Unmöglichkeit, sich länger gegen den Feind
behaupten zu können, von Allen gleichmäßig anerkannt. Man setzte die einzigen
Hoffnungen auf Unterhandlungen mit Rußland, von dem man den tollen Wahn
hegte, es werde die ungarische Krone annehmen. Gvrgei theilte diese Chimaire
nicht, und sich nach der Türkei durchzuschlagen, hielt er eines ungarischen Sol¬
daten für unwürdig. Man mag das Letztere sonderbar finden, aber es ist nichts
Gemachtes und Affectirtes'darin, es war sein wirkliches Gefühl, das ans dieser
Handlung sprach; er wollte, daß der letzte Act des blutigen Drama's mit Anstand
vor sich ginge, die Armee sollte nicht aus einander laufen, sondern als Ganzes
den Kampf beschließen, und er verhehlte es sich selbst so wenig, wie seinen Mit-
officieren, daß sie sich bereiten müßten, ihre Theilnahme am Kampfe mit dem
Leben zu bezahlen. Von selbstsüchtigen Motiven ist bei diesem Schritt keine Rede
gewesen, und es ist vollkommene Wahrheit, wenn er seine persönliche Begna¬
digung, die aus dem besondern Interesse hervorging, welches der russische Herr-
sührer an ihm nahm, für ein Unglück ansah. Er hat nach den später erfolgten
Hinrichtungen seiner Leidensgefährten dem Kaiser ein Schreiben zugeschickt, das
noch immer den alten Stolz zeigt. Hätte er in der gegenwärtigen Schrift sein
Gefühl so weit mäßigen können, auch in den übrigen Persönlichkeiten, so sehr
ihr Verhalten seinen bestimmten Begriffen von Anstand und Würde entgegen war,
das Recht der Eigenthümlichkeit zu ehren, so würde ihm dieses Werk eine voll¬
ständige Rehabilitation in der öffentlichen Meinung verschafft haben, während er
jetzt dnrch die kalte und gehässige Weise, in der er von ihnen spricht, neue An¬
griffe provociren wird, die diesmal schwerer zurückzuweisen sein möchten, als die
thörichte Anklage des Verraths.

Auf einzelne interessante Züge kommen wir noch bei einer andern Gelegen¬
heit zurück. Hier nur noch die eine Bemerkung, daß er den schlimmsten, viel¬
leicht entscheidenden Fehler, deu er begangen, die Belagerung Ofens in einer
Zeit, wo es galt die östreichischen Heere zu vernichten, im Wesentlichen zugesteht,
und nur nachweist, daß ihm diese Schuld nicht allein zuzuschreiben sei.




streich die Ehre der Nation zu retten und dem Todfeind einen empfindlichen
Schaden zuzufügen. Der Plan, noch damals die Offensive gegen die Oestreicher
zu ergreifen, scheiterte theils am Widerspruch der übrigen Generale, theils an den
Folgen einer Verwundung, die ihn für einige Tage kampfunfähig machte. Als
die Waffenstrcckung erfolgte, ward die Unmöglichkeit, sich länger gegen den Feind
behaupten zu können, von Allen gleichmäßig anerkannt. Man setzte die einzigen
Hoffnungen auf Unterhandlungen mit Rußland, von dem man den tollen Wahn
hegte, es werde die ungarische Krone annehmen. Gvrgei theilte diese Chimaire
nicht, und sich nach der Türkei durchzuschlagen, hielt er eines ungarischen Sol¬
daten für unwürdig. Man mag das Letztere sonderbar finden, aber es ist nichts
Gemachtes und Affectirtes'darin, es war sein wirkliches Gefühl, das ans dieser
Handlung sprach; er wollte, daß der letzte Act des blutigen Drama's mit Anstand
vor sich ginge, die Armee sollte nicht aus einander laufen, sondern als Ganzes
den Kampf beschließen, und er verhehlte es sich selbst so wenig, wie seinen Mit-
officieren, daß sie sich bereiten müßten, ihre Theilnahme am Kampfe mit dem
Leben zu bezahlen. Von selbstsüchtigen Motiven ist bei diesem Schritt keine Rede
gewesen, und es ist vollkommene Wahrheit, wenn er seine persönliche Begna¬
digung, die aus dem besondern Interesse hervorging, welches der russische Herr-
sührer an ihm nahm, für ein Unglück ansah. Er hat nach den später erfolgten
Hinrichtungen seiner Leidensgefährten dem Kaiser ein Schreiben zugeschickt, das
noch immer den alten Stolz zeigt. Hätte er in der gegenwärtigen Schrift sein
Gefühl so weit mäßigen können, auch in den übrigen Persönlichkeiten, so sehr
ihr Verhalten seinen bestimmten Begriffen von Anstand und Würde entgegen war,
das Recht der Eigenthümlichkeit zu ehren, so würde ihm dieses Werk eine voll¬
ständige Rehabilitation in der öffentlichen Meinung verschafft haben, während er
jetzt dnrch die kalte und gehässige Weise, in der er von ihnen spricht, neue An¬
griffe provociren wird, die diesmal schwerer zurückzuweisen sein möchten, als die
thörichte Anklage des Verraths.

Auf einzelne interessante Züge kommen wir noch bei einer andern Gelegen¬
heit zurück. Hier nur noch die eine Bemerkung, daß er den schlimmsten, viel¬
leicht entscheidenden Fehler, deu er begangen, die Belagerung Ofens in einer
Zeit, wo es galt die östreichischen Heere zu vernichten, im Wesentlichen zugesteht,
und nur nachweist, daß ihm diese Schuld nicht allein zuzuschreiben sei.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/255>, abgerufen am 04.07.2024.