Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.Eindruck der Vollstimmigkeit, und die Behandlung der einzelnen Instrumente war , Die Gesangsvorträge der Concerte geschahen durch die Damen Bret und Eindruck der Vollstimmigkeit, und die Behandlung der einzelnen Instrumente war , Die Gesangsvorträge der Concerte geschahen durch die Damen Bret und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0234" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94135"/> <p xml:id="ID_644" prev="#ID_643"> Eindruck der Vollstimmigkeit, und die Behandlung der einzelnen Instrumente war<lb/> charakteristisch. Mendelssohn's Ouvertüre zu Ruy Blas gehört unter die nach<lb/> dem Tode des Meisters veröffentlichten Werke. Sie wurde in beiden Concert-<lb/> instituten aufgeführt, und erregte überall lebhaftes Interesse, obwol nicht warme<lb/> Theilnahme. Das Werk unterscheidet sich wesentlich von den anderen Mendels-<lb/> sohn'schen Ouvertüren; es fehlt ihm die elegante, saubere Durchführung, im<lb/> Gegentheil ist sie mit derben, festen Strichen gezeichnet, und in ihrer fragmenta¬<lb/> rischen Gestaltung weicht sie weit ab von dem sanften und ruhigen Flusse, dem<lb/> sinnigen Meinanderschmiegen der Perioden, welche alle Mendelssohn'schen Werke<lb/> so vortheilhaft auszeichnen. Die harten Tonarten e IVloll und 0 on-, welche ihr zur<lb/> Grundlage dienen, erklingen noch spröder und starrer durch die stets massenhaft<lb/> zusammenwirkenden Blechinstrumente. Es giebt kein anderes Werk von Mendels¬<lb/> sohn mit gleich rohsinnlichen Klanggepräge; wären nicht andere untrügliche<lb/> Zeichen seiner Manier vorhanden, man dürfte sast zweifeln, ob man ein Werk<lb/> des Verfassers der seinen Ouvertüre zum Sommernachtstraum höre.</p><lb/> <p xml:id="ID_645" next="#ID_646"> , Die Gesangsvorträge der Concerte geschahen durch die Damen Bret und<lb/> Tonner vom hiesigen Theater, Fräulein Wölfl aus Dresden und dem Pau-<lb/> linersängerverein. Als Virtuosen traten auf im Piauofortespiel Leonhard und<lb/> Ente aus Leipzig, beide erfahrene, tüchtige Musiker, die, über den Standpunkt<lb/> des gewöhnlichen Virtuosenthums hoch erhoben, durch den Ernst und die Gedie¬<lb/> genheit ihrer Leistungen wahren Kunstgenuß bereiteten. Fräulein Marie Wieck<lb/> aus Dresden, die jüngere Schwester von Clara Schumann, spielte ein längst<lb/> nicht mehr gehörtes Concert von dem Veteranen Dussek (Ur. 12, cor) mit<lb/> tiefem Verständnisse und der minutiösen Genauigkeit in der Ausführung, wie sie<lb/> unsre älteren Claviermeister verlangen. Es schien fast gewagt, mit dieser Kom¬<lb/> position hervorzutreten, da Dnssek's Name fast vergessen ist, da man serner in Sorgen<lb/> schwebte, ob eine moderne Künstlerin dem alten Herrn die schuldige Pietät zollen<lb/> würde. Die jugendliche, aber an solidem Streben, gründlicher Bildung und innerem<lb/> musikalischen Leben ihrer Schwester rühmlich nachstrebenden Künstlerin widerlegte<lb/> glänzend die gehegten Befürchtungen; das Publicum war überrascht von der<lb/> lieblichen und doch großartigen Komposition, und zollte reichlichen, verdienten<lb/> Dank. Wir machen bei dieser Gelegenheit darauf aufmerksam, daß es mancher¬<lb/> lei gute und effectvolle Claviercoucerte von Dussek und anderen Meistern jeuer<lb/> Zeit giebt, deren Vorführung eine wohlthuende Abwechselung zwischen den<lb/> immer wiederkehrenden Beethoven'schen und Mendelssohn'sehen Concerten bringen<lb/> würde. Der jungen Künstlerin gereicht es zur besondern Ehre, daß sie sich<lb/> so warm der alten Meister annimmt. Denn nicht blos in diesem Falle, sondern<lb/> anch bei ihrem öftern Auftreten in Dresden trug sie Stücke älterer Componisten<lb/> vor. Als Zeugniß ihrer Gewandtheit in der neuesten Spielart wählte sie Paga-<lb/> nini's Karneval in der Schulhvssschen Bearbeitung für Pianoforte. Das Piano-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0234]
Eindruck der Vollstimmigkeit, und die Behandlung der einzelnen Instrumente war
charakteristisch. Mendelssohn's Ouvertüre zu Ruy Blas gehört unter die nach
dem Tode des Meisters veröffentlichten Werke. Sie wurde in beiden Concert-
instituten aufgeführt, und erregte überall lebhaftes Interesse, obwol nicht warme
Theilnahme. Das Werk unterscheidet sich wesentlich von den anderen Mendels-
sohn'schen Ouvertüren; es fehlt ihm die elegante, saubere Durchführung, im
Gegentheil ist sie mit derben, festen Strichen gezeichnet, und in ihrer fragmenta¬
rischen Gestaltung weicht sie weit ab von dem sanften und ruhigen Flusse, dem
sinnigen Meinanderschmiegen der Perioden, welche alle Mendelssohn'schen Werke
so vortheilhaft auszeichnen. Die harten Tonarten e IVloll und 0 on-, welche ihr zur
Grundlage dienen, erklingen noch spröder und starrer durch die stets massenhaft
zusammenwirkenden Blechinstrumente. Es giebt kein anderes Werk von Mendels¬
sohn mit gleich rohsinnlichen Klanggepräge; wären nicht andere untrügliche
Zeichen seiner Manier vorhanden, man dürfte sast zweifeln, ob man ein Werk
des Verfassers der seinen Ouvertüre zum Sommernachtstraum höre.
, Die Gesangsvorträge der Concerte geschahen durch die Damen Bret und
Tonner vom hiesigen Theater, Fräulein Wölfl aus Dresden und dem Pau-
linersängerverein. Als Virtuosen traten auf im Piauofortespiel Leonhard und
Ente aus Leipzig, beide erfahrene, tüchtige Musiker, die, über den Standpunkt
des gewöhnlichen Virtuosenthums hoch erhoben, durch den Ernst und die Gedie¬
genheit ihrer Leistungen wahren Kunstgenuß bereiteten. Fräulein Marie Wieck
aus Dresden, die jüngere Schwester von Clara Schumann, spielte ein längst
nicht mehr gehörtes Concert von dem Veteranen Dussek (Ur. 12, cor) mit
tiefem Verständnisse und der minutiösen Genauigkeit in der Ausführung, wie sie
unsre älteren Claviermeister verlangen. Es schien fast gewagt, mit dieser Kom¬
position hervorzutreten, da Dnssek's Name fast vergessen ist, da man serner in Sorgen
schwebte, ob eine moderne Künstlerin dem alten Herrn die schuldige Pietät zollen
würde. Die jugendliche, aber an solidem Streben, gründlicher Bildung und innerem
musikalischen Leben ihrer Schwester rühmlich nachstrebenden Künstlerin widerlegte
glänzend die gehegten Befürchtungen; das Publicum war überrascht von der
lieblichen und doch großartigen Komposition, und zollte reichlichen, verdienten
Dank. Wir machen bei dieser Gelegenheit darauf aufmerksam, daß es mancher¬
lei gute und effectvolle Claviercoucerte von Dussek und anderen Meistern jeuer
Zeit giebt, deren Vorführung eine wohlthuende Abwechselung zwischen den
immer wiederkehrenden Beethoven'schen und Mendelssohn'sehen Concerten bringen
würde. Der jungen Künstlerin gereicht es zur besondern Ehre, daß sie sich
so warm der alten Meister annimmt. Denn nicht blos in diesem Falle, sondern
anch bei ihrem öftern Auftreten in Dresden trug sie Stücke älterer Componisten
vor. Als Zeugniß ihrer Gewandtheit in der neuesten Spielart wählte sie Paga-
nini's Karneval in der Schulhvssschen Bearbeitung für Pianoforte. Das Piano-
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