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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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und die Direktionen des Gewandhauses, wie der Euterpe, sind "se genug in dem
Falle gewesen, ihrer Bereitwilligkeit Dank zu zollen.

Den Sologesang vertraten im Gewandhanse folgende Künstler: Die Damen
Henriette Sontag, Johanna Wagner, Rndersdorf-Küchenmeister,
Caroline Mayer, Henriette Moritz, Josephine Heffner, Rosalie von
Milde, Josephine Faßlinger, Anna Klassig, gewiß eine lange Reihe
von Namen, aber darunter nur zwei,wirklich bedeutende Erscheinungen: Hen¬
riette Sontag und Johanna Wagner. Ueber die Erstere haben die Grenz¬
boten schon ausführlicher berichtet. Im Concertsaale saug sie eine Arie aus der
Armida von Händel und eine Cvloratnrpartie ans der Semiramis von Rossini,
die ihr Gelegenheit bot, ihre wunderbare Kunstfertigkeit zu entwickeln. Höher zu
schätzen ist aber, daß sie die Partie der Iphigenie, welche bedeutendere Physische
Mittel verlangt, als ihr zu Gebote stehen, durch verständige Auffassung und ge¬
schickte Handhabung den Kunstfreunden zu Freude und Dank gesungen hat.

Johanna Wagner steht unter den deutschen Sängerinnen ohne Zweifel jetzt in
erster Reihe; die Natur hat sie mit glänzenden Mitteln ausgestattet. Ihre Stimme
erklingt besonders in dem Brustregister und in den Mitteltönen wie reines Metall;
sie ist eine geborne Altistin, obwol die.Kunst des Gesangmeisters und eigenes
Studium sie zur, Mezzosopranistin umgewandelt hat. Darum erklingen die hohen
Tonlagen gepreßt, oft auch unschön, und sind nur im starken Tvnauschlage zu
ertrage", während das me^g, ooch dieser Lage den Zuhörer mit dem Gefühle
der Ängstlichkeit erfüllt. Sie sang im Concert "öl wüdi palM" aus Rossini'S
Tancred, "Ocean, Du Ungeheuer" aus Weber's Oberon, und mirübile "Ziotu am
Ende noch einige Kinderlieder von W. Taubert, die seit einiger Zeit in Berlin Mode
geworden sind. Wir haben mit innigem Vergnügen die beiden Arien gehört; die erste
von ihnen bot ihr Gelegenheit, ihre durch cimsiges Studium erworbene Koloratur
hören zu lassen, in der zweiten entfaltete sie die Macht ihres Geistes, und wußte
die Worte des Textes zum klarsten Verständniß zu bringen. Will man an dieser
Leistung etwas aussetzen, so wäre es, daß sie die Figur der Rezia zu einer allzn-
feurigeu Heroine umschuf. -- Unter den übrigen Sängerinnen verdient ehrende
Anerkennung Josephine Heffner ans München, eine junge Sängerin, die, mit
trefflichen Stimmmitteln begabt, dereinst Ausgezeichnetes zu leisten verspricht. Ihr
Organ bedarf noch sorgfältiger Bildung, da weder ihr Brnstregister, noch die
Kopfstimme sicher und leicht anspricht, die Höhe besonders aber noch sehr ge¬
preßt klingt.

Unter den Herren, welche im Sologesang auftraten, sind die Gäste Tichat-
schek, der unübertreffliche deutsche Tenor,,und Herr vou Osten aus Berlin, ein
gewandter junger Tenor mit kleinem, aber angenehmem Organe, das sich nur
zum Liede und lyrischen Partien von geringerem Tonumfänge eignet, besonders


und die Direktionen des Gewandhauses, wie der Euterpe, sind »se genug in dem
Falle gewesen, ihrer Bereitwilligkeit Dank zu zollen.

Den Sologesang vertraten im Gewandhanse folgende Künstler: Die Damen
Henriette Sontag, Johanna Wagner, Rndersdorf-Küchenmeister,
Caroline Mayer, Henriette Moritz, Josephine Heffner, Rosalie von
Milde, Josephine Faßlinger, Anna Klassig, gewiß eine lange Reihe
von Namen, aber darunter nur zwei,wirklich bedeutende Erscheinungen: Hen¬
riette Sontag und Johanna Wagner. Ueber die Erstere haben die Grenz¬
boten schon ausführlicher berichtet. Im Concertsaale saug sie eine Arie aus der
Armida von Händel und eine Cvloratnrpartie ans der Semiramis von Rossini,
die ihr Gelegenheit bot, ihre wunderbare Kunstfertigkeit zu entwickeln. Höher zu
schätzen ist aber, daß sie die Partie der Iphigenie, welche bedeutendere Physische
Mittel verlangt, als ihr zu Gebote stehen, durch verständige Auffassung und ge¬
schickte Handhabung den Kunstfreunden zu Freude und Dank gesungen hat.

Johanna Wagner steht unter den deutschen Sängerinnen ohne Zweifel jetzt in
erster Reihe; die Natur hat sie mit glänzenden Mitteln ausgestattet. Ihre Stimme
erklingt besonders in dem Brustregister und in den Mitteltönen wie reines Metall;
sie ist eine geborne Altistin, obwol die.Kunst des Gesangmeisters und eigenes
Studium sie zur, Mezzosopranistin umgewandelt hat. Darum erklingen die hohen
Tonlagen gepreßt, oft auch unschön, und sind nur im starken Tvnauschlage zu
ertrage», während das me^g, ooch dieser Lage den Zuhörer mit dem Gefühle
der Ängstlichkeit erfüllt. Sie sang im Concert „öl wüdi palM" aus Rossini'S
Tancred, „Ocean, Du Ungeheuer" aus Weber's Oberon, und mirübile «Ziotu am
Ende noch einige Kinderlieder von W. Taubert, die seit einiger Zeit in Berlin Mode
geworden sind. Wir haben mit innigem Vergnügen die beiden Arien gehört; die erste
von ihnen bot ihr Gelegenheit, ihre durch cimsiges Studium erworbene Koloratur
hören zu lassen, in der zweiten entfaltete sie die Macht ihres Geistes, und wußte
die Worte des Textes zum klarsten Verständniß zu bringen. Will man an dieser
Leistung etwas aussetzen, so wäre es, daß sie die Figur der Rezia zu einer allzn-
feurigeu Heroine umschuf. — Unter den übrigen Sängerinnen verdient ehrende
Anerkennung Josephine Heffner ans München, eine junge Sängerin, die, mit
trefflichen Stimmmitteln begabt, dereinst Ausgezeichnetes zu leisten verspricht. Ihr
Organ bedarf noch sorgfältiger Bildung, da weder ihr Brnstregister, noch die
Kopfstimme sicher und leicht anspricht, die Höhe besonders aber noch sehr ge¬
preßt klingt.

Unter den Herren, welche im Sologesang auftraten, sind die Gäste Tichat-
schek, der unübertreffliche deutsche Tenor,,und Herr vou Osten aus Berlin, ein
gewandter junger Tenor mit kleinem, aber angenehmem Organe, das sich nur
zum Liede und lyrischen Partien von geringerem Tonumfänge eignet, besonders


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[0230] und die Direktionen des Gewandhauses, wie der Euterpe, sind »se genug in dem Falle gewesen, ihrer Bereitwilligkeit Dank zu zollen. Den Sologesang vertraten im Gewandhanse folgende Künstler: Die Damen Henriette Sontag, Johanna Wagner, Rndersdorf-Küchenmeister, Caroline Mayer, Henriette Moritz, Josephine Heffner, Rosalie von Milde, Josephine Faßlinger, Anna Klassig, gewiß eine lange Reihe von Namen, aber darunter nur zwei,wirklich bedeutende Erscheinungen: Hen¬ riette Sontag und Johanna Wagner. Ueber die Erstere haben die Grenz¬ boten schon ausführlicher berichtet. Im Concertsaale saug sie eine Arie aus der Armida von Händel und eine Cvloratnrpartie ans der Semiramis von Rossini, die ihr Gelegenheit bot, ihre wunderbare Kunstfertigkeit zu entwickeln. Höher zu schätzen ist aber, daß sie die Partie der Iphigenie, welche bedeutendere Physische Mittel verlangt, als ihr zu Gebote stehen, durch verständige Auffassung und ge¬ schickte Handhabung den Kunstfreunden zu Freude und Dank gesungen hat. Johanna Wagner steht unter den deutschen Sängerinnen ohne Zweifel jetzt in erster Reihe; die Natur hat sie mit glänzenden Mitteln ausgestattet. Ihre Stimme erklingt besonders in dem Brustregister und in den Mitteltönen wie reines Metall; sie ist eine geborne Altistin, obwol die.Kunst des Gesangmeisters und eigenes Studium sie zur, Mezzosopranistin umgewandelt hat. Darum erklingen die hohen Tonlagen gepreßt, oft auch unschön, und sind nur im starken Tvnauschlage zu ertrage», während das me^g, ooch dieser Lage den Zuhörer mit dem Gefühle der Ängstlichkeit erfüllt. Sie sang im Concert „öl wüdi palM" aus Rossini'S Tancred, „Ocean, Du Ungeheuer" aus Weber's Oberon, und mirübile «Ziotu am Ende noch einige Kinderlieder von W. Taubert, die seit einiger Zeit in Berlin Mode geworden sind. Wir haben mit innigem Vergnügen die beiden Arien gehört; die erste von ihnen bot ihr Gelegenheit, ihre durch cimsiges Studium erworbene Koloratur hören zu lassen, in der zweiten entfaltete sie die Macht ihres Geistes, und wußte die Worte des Textes zum klarsten Verständniß zu bringen. Will man an dieser Leistung etwas aussetzen, so wäre es, daß sie die Figur der Rezia zu einer allzn- feurigeu Heroine umschuf. — Unter den übrigen Sängerinnen verdient ehrende Anerkennung Josephine Heffner ans München, eine junge Sängerin, die, mit trefflichen Stimmmitteln begabt, dereinst Ausgezeichnetes zu leisten verspricht. Ihr Organ bedarf noch sorgfältiger Bildung, da weder ihr Brnstregister, noch die Kopfstimme sicher und leicht anspricht, die Höhe besonders aber noch sehr ge¬ preßt klingt. Unter den Herren, welche im Sologesang auftraten, sind die Gäste Tichat- schek, der unübertreffliche deutsche Tenor,,und Herr vou Osten aus Berlin, ein gewandter junger Tenor mit kleinem, aber angenehmem Organe, das sich nur zum Liede und lyrischen Partien von geringerem Tonumfänge eignet, besonders

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/230>, abgerufen am 24.07.2024.