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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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Leute die Lodging-Houscs errichtete und deren Verwaltung führt, beschlossen, in
jedem derselben ein Waschhaus anzulegen und damit ein Badehaus zu verbinden.
Das Bad sollte ans I V2 Pence, das Waschen auf einen Penny für die Stunde
zu stehen kommen.

Dies die Grundzüge jener englischen Einrichtungen, welche für die Berliner
Genosseuschaftshäuscr als Muster dienten. Der fühlbare Mangel gesunder, bequemer
und billiger Wohnungen für die unbemittelten Klassen in Berlin führte zur Bil¬
dung deö Vereins, der nnter dem Namen "Berliner gemeinnützige Ballgesellschaft"
es sich vorzugsweise zur Ausgabe stellte, diesem Bedürfnisse für solche Familien, welche
noch vor gänzlicher Verarmung bewahrt werden können, möglichst abzuhelfen. Man ist
dabei von der richtigen Ueberzeugung ausgegangen, daß das behagliche Familien¬
leben die einzige wahre Grundlage alles bürgerlichen Wohlseins ist, und dem gemäß
das jede Unsittlichkeit! befördernde Zusammendrängen zahlreicher Familien in enge
Räume so wie die Benutzung ungesunder Kellerwohnungen vermieden werden
muß, ohne doch die Miethspreise höher zu stellen, als sie für mangelhafte Woh¬
nungen üblich sind. Wie wir aus dem unter dem 28. October 18i8 genehmigten
Statute ersehen, verfolgt die Gesellschaft aber nicht allein den Zweck, mittelst eines
(durch Actien und Beiträge aufzubringenden) Grundcapitals von 20,000 bis zu
einer Million Thaler durch Erwerbung geeigneter Grundstücke und durch Bau¬
ausführungen, innerhalb oder vor den Thoren der Stadt, gesunde und geräumige
Wohnungen für sogenannte kleine Leute zu beschaffen, und ihnen dieselben möglichst
billig zu vermiethen, sondern sie gewährt zugleich den Miethern die Aussicht auf
den Erwerb eines bestimmten Antheils am Eigenthum des Grundstücks nach
Verlauf eines gewissen Zeitraums. Durch diese letztere Richtung ihrer Zwecke
unterscheidet sie sich wesentlich von ihrem englischen Muster, und tritt der Quelle
des hier in Rede stehenden socialen Nebels ungleich näher. Wir begrüßen darin
eine wahrhaft praktische Bethätigung deutscher Gründlichkeit. Das Eigenthum,
und sei es ein noch so geringer eigener Besitz, schließt den Einzelnen an die Ge¬
sellschaft, macht ihm das Leben lieb und angenehm, namentlich wenn das Eigen¬
thum, wie es hier der Fall, mit der Berechtigung verbunden ist, in der Familie
fortzuerben.

Die Gesellschaft hat gegenwärtig in Berlin bereits sechzehn Häuser errichtet,
zwei in der Wollankstraße, drei in der Michaelikirchstraße, drei in der Ritterstraße,
vier in der Alexandriuenstraße, eins in der Bernbnrgerstraße, drei vor dem Schön-
hauserthore als ländliche Etablissements auf Bremerhöhe. Zusammen enthalten
diese Häuser 1i6 Wohnungen und 20 Werkstätten. Ein Badehaus, acht Wasch¬
häuser, mehrere kleine Gärten und endlich eine Anzahl leerer Bauplätze, hinrei¬
chend, um noch 60 bis 80 Wohnungen aufzunehmen, vollenden den Besitz der
Gesellschaft. Gewiß ein außerordentliches Resultat für einen Zeitraum von wenig
mehr als drei Jahren. Die Häuser in der Stadt entsprechen in ihrem Aeußern


Leute die Lodging-Houscs errichtete und deren Verwaltung führt, beschlossen, in
jedem derselben ein Waschhaus anzulegen und damit ein Badehaus zu verbinden.
Das Bad sollte ans I V2 Pence, das Waschen auf einen Penny für die Stunde
zu stehen kommen.

Dies die Grundzüge jener englischen Einrichtungen, welche für die Berliner
Genosseuschaftshäuscr als Muster dienten. Der fühlbare Mangel gesunder, bequemer
und billiger Wohnungen für die unbemittelten Klassen in Berlin führte zur Bil¬
dung deö Vereins, der nnter dem Namen „Berliner gemeinnützige Ballgesellschaft"
es sich vorzugsweise zur Ausgabe stellte, diesem Bedürfnisse für solche Familien, welche
noch vor gänzlicher Verarmung bewahrt werden können, möglichst abzuhelfen. Man ist
dabei von der richtigen Ueberzeugung ausgegangen, daß das behagliche Familien¬
leben die einzige wahre Grundlage alles bürgerlichen Wohlseins ist, und dem gemäß
das jede Unsittlichkeit! befördernde Zusammendrängen zahlreicher Familien in enge
Räume so wie die Benutzung ungesunder Kellerwohnungen vermieden werden
muß, ohne doch die Miethspreise höher zu stellen, als sie für mangelhafte Woh¬
nungen üblich sind. Wie wir aus dem unter dem 28. October 18i8 genehmigten
Statute ersehen, verfolgt die Gesellschaft aber nicht allein den Zweck, mittelst eines
(durch Actien und Beiträge aufzubringenden) Grundcapitals von 20,000 bis zu
einer Million Thaler durch Erwerbung geeigneter Grundstücke und durch Bau¬
ausführungen, innerhalb oder vor den Thoren der Stadt, gesunde und geräumige
Wohnungen für sogenannte kleine Leute zu beschaffen, und ihnen dieselben möglichst
billig zu vermiethen, sondern sie gewährt zugleich den Miethern die Aussicht auf
den Erwerb eines bestimmten Antheils am Eigenthum des Grundstücks nach
Verlauf eines gewissen Zeitraums. Durch diese letztere Richtung ihrer Zwecke
unterscheidet sie sich wesentlich von ihrem englischen Muster, und tritt der Quelle
des hier in Rede stehenden socialen Nebels ungleich näher. Wir begrüßen darin
eine wahrhaft praktische Bethätigung deutscher Gründlichkeit. Das Eigenthum,
und sei es ein noch so geringer eigener Besitz, schließt den Einzelnen an die Ge¬
sellschaft, macht ihm das Leben lieb und angenehm, namentlich wenn das Eigen¬
thum, wie es hier der Fall, mit der Berechtigung verbunden ist, in der Familie
fortzuerben.

Die Gesellschaft hat gegenwärtig in Berlin bereits sechzehn Häuser errichtet,
zwei in der Wollankstraße, drei in der Michaelikirchstraße, drei in der Ritterstraße,
vier in der Alexandriuenstraße, eins in der Bernbnrgerstraße, drei vor dem Schön-
hauserthore als ländliche Etablissements auf Bremerhöhe. Zusammen enthalten
diese Häuser 1i6 Wohnungen und 20 Werkstätten. Ein Badehaus, acht Wasch¬
häuser, mehrere kleine Gärten und endlich eine Anzahl leerer Bauplätze, hinrei¬
chend, um noch 60 bis 80 Wohnungen aufzunehmen, vollenden den Besitz der
Gesellschaft. Gewiß ein außerordentliches Resultat für einen Zeitraum von wenig
mehr als drei Jahren. Die Häuser in der Stadt entsprechen in ihrem Aeußern


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/20>, abgerufen am 24.07.2024.