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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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Gegenwart darin vor, und das ganze Gedicht hindurch wird auf eine nicht
gerade ungemüthliche Weise die Idee des Adels verherrlicht.


Mag nur mich neue Klugheit frech verhöhnen,
Weil mich erfreut der alten Namen Klang,
Stets waren edle Väter edlen Söhnen
Zu sinuverwcmdten Thaten Sporn und Drang;
Schon-Vater Stilling hört in frommen Tönen
Ja gern, was seinen Ahnen sonst gelang,
Wie damals der sich edler Bauern freute,
Freu' selben Recht ich mich an Rittern heute.

Viel besser ist ein phantastisches Epos: Corona (1814). Corona ist ein
Mittelding aus .Göttin, Zaubrerin, Gespenst und liebenswürdiger Dame, mit
einer leisen Erinnerung an die Corinna. In einem alten Ritterschloß hängt ihr
geheimnißvolles Bild, mit schwarzen Angen und schwarzen Locken. Wenn man
sie ansieht, so hüllt sich die Hoffnung in düstere Nebel ein: --


Und doch ein lindes, leises Liebesthauen
Bebe heimlich nieder dnrch das dunkle Grauen.

Diese Dame und der Held der Geschichte begegnen sich unter den wunder¬
lichsten Metamorphosen, in Liebe und in Haß, bald auf dem Hekla, bald auf
dem Aetna, bald in der Schlacht, bald in der Hexenküche, umgeben von einem
zahlreichen Heer von Gespenstern, Kobolden, Alraunen und ähnlichen Ungethü-
men. Sie heirathen sich zuletzt uicht, deun bei Fou'que gewinnt immer das be¬
scheidene, fromme, sittige Veilchen den Preis. Was aus Corona wird, die schon
viele Generationen hindurch das Rittergeschlecht des Helden theils geliebt, theils
gehaßt, ob sie als Ahnfrau in ihre Gruft, zurückgeht, oder ob sie sich bekehrt
und fromm wird, weiß ich nicht mehr genau; ich vermuthe aber das Letztere. --
Einzelne Schilderungen sind sehr gut ausgeführt, und die eingestreuten lyrischen
Gedichte von einem eigenthümlichen melodischen Zauber.

Einmal hatte sich Fouquö vorgesetzt, die ganze deutsche Vorzeit in roman¬
tischen Gemälden nach ihrer successiven historischen Entwickelung dem Volke dar¬
zustellen. Er ließ sich im Jahre 1812 von einem namhaften Schriftsteller das
Material geben, und arbeitete 1817 den Altsächsischen Bildersaal aus.
Der erste Band desselben behandelt den Cheruskerhelden Hermann in seinem
spätern Alter, wie er durch das Gefühl seines größern Werths und seines
festern Willens sich verführen läßt, die Sitten und Traditionen des Volks zu
verachten, und wie er in diesem Conflict zuletzt untergeht. Die Form ist an¬
scheinend dramatisch, d. h. dialogisch. Von einer Komposition ist aber keine
Rede. Die einzelnen Scenen, die als Sittenschilderung der Zeit gelten sollen,
sind in großer Breite ausgeführt, und stehen nur in einem äußerlichen Zusammen¬
hange. Der Rhythmus schillert in allen möglichen Farben, italienische Canzonen


Gegenwart darin vor, und das ganze Gedicht hindurch wird auf eine nicht
gerade ungemüthliche Weise die Idee des Adels verherrlicht.


Mag nur mich neue Klugheit frech verhöhnen,
Weil mich erfreut der alten Namen Klang,
Stets waren edle Väter edlen Söhnen
Zu sinuverwcmdten Thaten Sporn und Drang;
Schon-Vater Stilling hört in frommen Tönen
Ja gern, was seinen Ahnen sonst gelang,
Wie damals der sich edler Bauern freute,
Freu' selben Recht ich mich an Rittern heute.

Viel besser ist ein phantastisches Epos: Corona (1814). Corona ist ein
Mittelding aus .Göttin, Zaubrerin, Gespenst und liebenswürdiger Dame, mit
einer leisen Erinnerung an die Corinna. In einem alten Ritterschloß hängt ihr
geheimnißvolles Bild, mit schwarzen Angen und schwarzen Locken. Wenn man
sie ansieht, so hüllt sich die Hoffnung in düstere Nebel ein: —


Und doch ein lindes, leises Liebesthauen
Bebe heimlich nieder dnrch das dunkle Grauen.

Diese Dame und der Held der Geschichte begegnen sich unter den wunder¬
lichsten Metamorphosen, in Liebe und in Haß, bald auf dem Hekla, bald auf
dem Aetna, bald in der Schlacht, bald in der Hexenküche, umgeben von einem
zahlreichen Heer von Gespenstern, Kobolden, Alraunen und ähnlichen Ungethü-
men. Sie heirathen sich zuletzt uicht, deun bei Fou'que gewinnt immer das be¬
scheidene, fromme, sittige Veilchen den Preis. Was aus Corona wird, die schon
viele Generationen hindurch das Rittergeschlecht des Helden theils geliebt, theils
gehaßt, ob sie als Ahnfrau in ihre Gruft, zurückgeht, oder ob sie sich bekehrt
und fromm wird, weiß ich nicht mehr genau; ich vermuthe aber das Letztere. —
Einzelne Schilderungen sind sehr gut ausgeführt, und die eingestreuten lyrischen
Gedichte von einem eigenthümlichen melodischen Zauber.

Einmal hatte sich Fouquö vorgesetzt, die ganze deutsche Vorzeit in roman¬
tischen Gemälden nach ihrer successiven historischen Entwickelung dem Volke dar¬
zustellen. Er ließ sich im Jahre 1812 von einem namhaften Schriftsteller das
Material geben, und arbeitete 1817 den Altsächsischen Bildersaal aus.
Der erste Band desselben behandelt den Cheruskerhelden Hermann in seinem
spätern Alter, wie er durch das Gefühl seines größern Werths und seines
festern Willens sich verführen läßt, die Sitten und Traditionen des Volks zu
verachten, und wie er in diesem Conflict zuletzt untergeht. Die Form ist an¬
scheinend dramatisch, d. h. dialogisch. Von einer Komposition ist aber keine
Rede. Die einzelnen Scenen, die als Sittenschilderung der Zeit gelten sollen,
sind in großer Breite ausgeführt, und stehen nur in einem äußerlichen Zusammen¬
hange. Der Rhythmus schillert in allen möglichen Farben, italienische Canzonen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/185>, abgerufen am 24.07.2024.