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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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1810 verstehen wir sehr bald; was aber die Feuerburg Hindarfiall und derZaubcr-
trank der Vergessenheit mit den demokratischen Ideen, auf denen die Kunst der
Zukunft sich aufbauen soll, zu thun hat, möchte schwer zu sagen sein.

Zu rühmen ist noch am "Held der Zukunft", daß sich darin von dem sü߬
lichen Christenthume, welches die späteren Werke FonqnvS so ungenießbar macht,
noch keine Spur vorfindet. Es waltet in dem äußern Costum wie in der Anlage
der Charaktere das reine Heidenthum. Als sich die Romantik zum Mittelalter
zurückwandte, war es ursprünglich nicht die christliche Idee, die sie aufsuchte,
sondern die Spuren der alten pantheistischen Naturreligion, die durch das
Christenthum unterdrückt, aber zugleich in seiner Dämonologie aufbewahrt ge¬
blieben war. Man hatte seine Freude an den christlichen. Dämonen, in denen
man die Züge der alten Naturgötter wieder erkannte, bis endlich das Grauen
über sie so groß wurde, daß man die christlichen Beschwörungsformeln hervor¬
suchen mußte, um sie los zu werden.

Eine ähnliche Rückkehr zu den alten heidnischen Traditionen ist in dem
lieblichen Märchen: Ambin e, welches 1813 erschien, und sowol in seinem Vater¬
lande, wie bei den übrigen Nationen Europa'S, eine allgemeine und gerechte
Anerkennung sand. Die Grundlage bildet ein Einfall des alten Paracelsus, der
in seiner Theorie von den Elementargeistern die volksthümlichen Traditionen zu
Grunde gelegt, aber zugleich einen mystischen Sinn damit verknüpft hatte. Die
Elementargeister haben nach ihm keine Seele; sie können aber eine erhalten,
wenn sie sich in Liebe mit den Menschen vermischen. Die allgemeine menschliche
Idee, die hinter dieser Vorstellung versteckt ist, hat FouquL in dem Märchen
mit großer Sinnigkeit ausgeführt, und dabei sind die materiellen Mittel, die
die Sage an die Hand gab, mit so viel Anmuth und Grazie benutzt worden,
daß schon dieses eine Stück hinreicht, Fvuqn6's ursprüngliche poetische Begabung
außer Zweifel zu stellen. Auf Hoffmann's Verlangen arbeitete Fonqnv das
Märchen zu einer Oper um, die damals viel Interesse erregte, dann aber bei
Seite gelegt ist. Noch selbst in der Lortzing'schen Abschwächung sieht die Undine
anmuthig genug aus. -- Von den poetischen Werken der damaligen Zeit kann
sich nnr eins mit der Undine an Popularität messen: der Peter Schlemihl
von Chamisso, der von Fouquv 181i herausgegeben wurde. Auch mit diesem
anmuthigen Einfall, wie ein Mensch seinen Schatten verliert und darüber" mit
der arten Gesellschaft, die einen solchen Verstoß gegen die Convenienz nicht
dulden kann, zerfällt, läßt sich eine allgemeine sittliche Idee in Verbindung setzen.
Die Hauptsache bleibt aber in beiden die poetische Ausführung, hier der Humor,
dort die Grazie.

Als Fouqus seinen Zauberring schrieb (1816), dasjenige Werk, welches
ihn nächst der Undine am meisten bekannt gemacht, hatte die christlich-germa¬
nische Reaction schon einen bösartigen Charakter angenommen. Durch Sahle-


1810 verstehen wir sehr bald; was aber die Feuerburg Hindarfiall und derZaubcr-
trank der Vergessenheit mit den demokratischen Ideen, auf denen die Kunst der
Zukunft sich aufbauen soll, zu thun hat, möchte schwer zu sagen sein.

Zu rühmen ist noch am „Held der Zukunft", daß sich darin von dem sü߬
lichen Christenthume, welches die späteren Werke FonqnvS so ungenießbar macht,
noch keine Spur vorfindet. Es waltet in dem äußern Costum wie in der Anlage
der Charaktere das reine Heidenthum. Als sich die Romantik zum Mittelalter
zurückwandte, war es ursprünglich nicht die christliche Idee, die sie aufsuchte,
sondern die Spuren der alten pantheistischen Naturreligion, die durch das
Christenthum unterdrückt, aber zugleich in seiner Dämonologie aufbewahrt ge¬
blieben war. Man hatte seine Freude an den christlichen. Dämonen, in denen
man die Züge der alten Naturgötter wieder erkannte, bis endlich das Grauen
über sie so groß wurde, daß man die christlichen Beschwörungsformeln hervor¬
suchen mußte, um sie los zu werden.

Eine ähnliche Rückkehr zu den alten heidnischen Traditionen ist in dem
lieblichen Märchen: Ambin e, welches 1813 erschien, und sowol in seinem Vater¬
lande, wie bei den übrigen Nationen Europa'S, eine allgemeine und gerechte
Anerkennung sand. Die Grundlage bildet ein Einfall des alten Paracelsus, der
in seiner Theorie von den Elementargeistern die volksthümlichen Traditionen zu
Grunde gelegt, aber zugleich einen mystischen Sinn damit verknüpft hatte. Die
Elementargeister haben nach ihm keine Seele; sie können aber eine erhalten,
wenn sie sich in Liebe mit den Menschen vermischen. Die allgemeine menschliche
Idee, die hinter dieser Vorstellung versteckt ist, hat FouquL in dem Märchen
mit großer Sinnigkeit ausgeführt, und dabei sind die materiellen Mittel, die
die Sage an die Hand gab, mit so viel Anmuth und Grazie benutzt worden,
daß schon dieses eine Stück hinreicht, Fvuqn6's ursprüngliche poetische Begabung
außer Zweifel zu stellen. Auf Hoffmann's Verlangen arbeitete Fonqnv das
Märchen zu einer Oper um, die damals viel Interesse erregte, dann aber bei
Seite gelegt ist. Noch selbst in der Lortzing'schen Abschwächung sieht die Undine
anmuthig genug aus. — Von den poetischen Werken der damaligen Zeit kann
sich nnr eins mit der Undine an Popularität messen: der Peter Schlemihl
von Chamisso, der von Fouquv 181i herausgegeben wurde. Auch mit diesem
anmuthigen Einfall, wie ein Mensch seinen Schatten verliert und darüber" mit
der arten Gesellschaft, die einen solchen Verstoß gegen die Convenienz nicht
dulden kann, zerfällt, läßt sich eine allgemeine sittliche Idee in Verbindung setzen.
Die Hauptsache bleibt aber in beiden die poetische Ausführung, hier der Humor,
dort die Grazie.

Als Fouqus seinen Zauberring schrieb (1816), dasjenige Werk, welches
ihn nächst der Undine am meisten bekannt gemacht, hatte die christlich-germa¬
nische Reaction schon einen bösartigen Charakter angenommen. Durch Sahle-


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[0182] 1810 verstehen wir sehr bald; was aber die Feuerburg Hindarfiall und derZaubcr- trank der Vergessenheit mit den demokratischen Ideen, auf denen die Kunst der Zukunft sich aufbauen soll, zu thun hat, möchte schwer zu sagen sein. Zu rühmen ist noch am „Held der Zukunft", daß sich darin von dem sü߬ lichen Christenthume, welches die späteren Werke FonqnvS so ungenießbar macht, noch keine Spur vorfindet. Es waltet in dem äußern Costum wie in der Anlage der Charaktere das reine Heidenthum. Als sich die Romantik zum Mittelalter zurückwandte, war es ursprünglich nicht die christliche Idee, die sie aufsuchte, sondern die Spuren der alten pantheistischen Naturreligion, die durch das Christenthum unterdrückt, aber zugleich in seiner Dämonologie aufbewahrt ge¬ blieben war. Man hatte seine Freude an den christlichen. Dämonen, in denen man die Züge der alten Naturgötter wieder erkannte, bis endlich das Grauen über sie so groß wurde, daß man die christlichen Beschwörungsformeln hervor¬ suchen mußte, um sie los zu werden. Eine ähnliche Rückkehr zu den alten heidnischen Traditionen ist in dem lieblichen Märchen: Ambin e, welches 1813 erschien, und sowol in seinem Vater¬ lande, wie bei den übrigen Nationen Europa'S, eine allgemeine und gerechte Anerkennung sand. Die Grundlage bildet ein Einfall des alten Paracelsus, der in seiner Theorie von den Elementargeistern die volksthümlichen Traditionen zu Grunde gelegt, aber zugleich einen mystischen Sinn damit verknüpft hatte. Die Elementargeister haben nach ihm keine Seele; sie können aber eine erhalten, wenn sie sich in Liebe mit den Menschen vermischen. Die allgemeine menschliche Idee, die hinter dieser Vorstellung versteckt ist, hat FouquL in dem Märchen mit großer Sinnigkeit ausgeführt, und dabei sind die materiellen Mittel, die die Sage an die Hand gab, mit so viel Anmuth und Grazie benutzt worden, daß schon dieses eine Stück hinreicht, Fvuqn6's ursprüngliche poetische Begabung außer Zweifel zu stellen. Auf Hoffmann's Verlangen arbeitete Fonqnv das Märchen zu einer Oper um, die damals viel Interesse erregte, dann aber bei Seite gelegt ist. Noch selbst in der Lortzing'schen Abschwächung sieht die Undine anmuthig genug aus. — Von den poetischen Werken der damaligen Zeit kann sich nnr eins mit der Undine an Popularität messen: der Peter Schlemihl von Chamisso, der von Fouquv 181i herausgegeben wurde. Auch mit diesem anmuthigen Einfall, wie ein Mensch seinen Schatten verliert und darüber" mit der arten Gesellschaft, die einen solchen Verstoß gegen die Convenienz nicht dulden kann, zerfällt, läßt sich eine allgemeine sittliche Idee in Verbindung setzen. Die Hauptsache bleibt aber in beiden die poetische Ausführung, hier der Humor, dort die Grazie. Als Fouqus seinen Zauberring schrieb (1816), dasjenige Werk, welches ihn nächst der Undine am meisten bekannt gemacht, hatte die christlich-germa¬ nische Reaction schon einen bösartigen Charakter angenommen. Durch Sahle-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/182>, abgerufen am 24.07.2024.