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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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bei der größern Isolirung des Lebeiis, eine zweckmäßige Auswahl nützlicher und
interessanter Bücher die nothwendige Bedingung des Behagens für eine gebildete
Menschenseele. Aber auch der reiche Fabrikherr, der große Kaufmann sollten die
Verpflichtung fühlen, dnrch eine solche Anlage ihr Familienleben zu verschönern.
Und wenn dem Hausherrn seine angestrengte Thätigkeit nur selten verstattet, sich
selbst daran zu erbauen, so möge er bedenken, daß er seiner Familie kein besseres
und dauernderes Vergnügen machen kann,.als diese Anlage. Der Zustand der
Bibliothek in einer Familie ist uuter allen Umständen der erste Gradmesser für
die geistige Bildung und das innere Leben ihrer Angehörigen, und ein fremder
Gast, welcher hereinkommt, hat nur nöthig, sich nach den vorhandenen Büchern
zu erkundigen, um ein Urtheil über die Cultur des Hauses zu gewinnen. Ein
solches Urtheil wird natürlich weder zuverlässig, noch in allen Fällen gerecht aus¬
fallen, aber es ist eine von den Handhaben, dnrch welche der Gebildete sich
schnell zu orientiren vermag, und die Damen vom Hause thäten sehr wohl daran,
ihren Gästen und Freundinnen statt der altfränkisch und prätentiös im Glasschrank
aufgestellten Porzellantassen und anderer mäßig gemalter Nippest gefällig geord¬
nete und stattlich gebundene Bücher auszustellen. Die größte Uncultur zeigt sich
anch in dieser Beziehung bei der Klasse von Geschäftsmännern, welche hier unter
dem Collectivnamen Commerzienrath Hirsch oder Levi zusammengefaßt werden
können. Ihr Herren verlangt, weil ihr viel Geld habt, daß die Vornehmen
des Staates, der Wissenschaft und Kunst mit euch verkehren sollen, aber in vielen
eurer Häuser würde mau außer einem alten beschmuzten Talmud eures Vaters und etwa
einem Handelslcxikon wenig finden, 'was einen Beweis gäbe, daß ihr die besten und
edelsten Interessen eurer Mitbürger zu theilen versteht. Schreiber dieses weiß
wohl, daß mehrere Hänser in Wien, Berlin u. s. w. eine glänzende Ausnahme
von dieser traurigen Regel machen; es sind eben nur Ausnahme".

Jeder Wohlhabende hat die Pflicht, in seinem Etat eine feste Summe für
eine Hausbibliothek auszuwerfen. Er soll aber auch darauf sehen, diese. Summe
zweckmäßig zu verwenden; er soll nicht nach hübschen Einbänden und anderen
Zufällen kaufen, welche ihm ein gefälliger Buchhändler nahe legt, sondern er soll
unter allen Uniständen sich einen gewissen Plan machen und zu erfahren suchen,
was von guten und interessanten Büchern im Laufe des Jahres erscheint. Wenn
ihm das Letztere die Freunde des Hanfes nicht sagen können, so mag er sich
selbst-die Mühe geben, sich darum zu bekümmern. Dazu sind die literarischen
Zeitschriften vorhanden; es wird nützlich sein, wenn er sich eine solche periodische
Schrift selbst hält. Es ist kein Grund anzunehmen, daß irgend eines unsrer
literarischen Blätter, das deutsche Museum, oder auch die Grenzbotell, zürnen
sollten, wenn er ans sie abonnirt. Falls er aber eine kurze und bequeme, mög¬
lichst vollständige Uebersicht über dies Neuerschienene haben will, so halte er sich
das literarische Centralblatt für Deutschland, herausgegeben von Zarncke, welches


bei der größern Isolirung des Lebeiis, eine zweckmäßige Auswahl nützlicher und
interessanter Bücher die nothwendige Bedingung des Behagens für eine gebildete
Menschenseele. Aber auch der reiche Fabrikherr, der große Kaufmann sollten die
Verpflichtung fühlen, dnrch eine solche Anlage ihr Familienleben zu verschönern.
Und wenn dem Hausherrn seine angestrengte Thätigkeit nur selten verstattet, sich
selbst daran zu erbauen, so möge er bedenken, daß er seiner Familie kein besseres
und dauernderes Vergnügen machen kann,.als diese Anlage. Der Zustand der
Bibliothek in einer Familie ist uuter allen Umständen der erste Gradmesser für
die geistige Bildung und das innere Leben ihrer Angehörigen, und ein fremder
Gast, welcher hereinkommt, hat nur nöthig, sich nach den vorhandenen Büchern
zu erkundigen, um ein Urtheil über die Cultur des Hauses zu gewinnen. Ein
solches Urtheil wird natürlich weder zuverlässig, noch in allen Fällen gerecht aus¬
fallen, aber es ist eine von den Handhaben, dnrch welche der Gebildete sich
schnell zu orientiren vermag, und die Damen vom Hause thäten sehr wohl daran,
ihren Gästen und Freundinnen statt der altfränkisch und prätentiös im Glasschrank
aufgestellten Porzellantassen und anderer mäßig gemalter Nippest gefällig geord¬
nete und stattlich gebundene Bücher auszustellen. Die größte Uncultur zeigt sich
anch in dieser Beziehung bei der Klasse von Geschäftsmännern, welche hier unter
dem Collectivnamen Commerzienrath Hirsch oder Levi zusammengefaßt werden
können. Ihr Herren verlangt, weil ihr viel Geld habt, daß die Vornehmen
des Staates, der Wissenschaft und Kunst mit euch verkehren sollen, aber in vielen
eurer Häuser würde mau außer einem alten beschmuzten Talmud eures Vaters und etwa
einem Handelslcxikon wenig finden, 'was einen Beweis gäbe, daß ihr die besten und
edelsten Interessen eurer Mitbürger zu theilen versteht. Schreiber dieses weiß
wohl, daß mehrere Hänser in Wien, Berlin u. s. w. eine glänzende Ausnahme
von dieser traurigen Regel machen; es sind eben nur Ausnahme».

Jeder Wohlhabende hat die Pflicht, in seinem Etat eine feste Summe für
eine Hausbibliothek auszuwerfen. Er soll aber auch darauf sehen, diese. Summe
zweckmäßig zu verwenden; er soll nicht nach hübschen Einbänden und anderen
Zufällen kaufen, welche ihm ein gefälliger Buchhändler nahe legt, sondern er soll
unter allen Uniständen sich einen gewissen Plan machen und zu erfahren suchen,
was von guten und interessanten Büchern im Laufe des Jahres erscheint. Wenn
ihm das Letztere die Freunde des Hanfes nicht sagen können, so mag er sich
selbst-die Mühe geben, sich darum zu bekümmern. Dazu sind die literarischen
Zeitschriften vorhanden; es wird nützlich sein, wenn er sich eine solche periodische
Schrift selbst hält. Es ist kein Grund anzunehmen, daß irgend eines unsrer
literarischen Blätter, das deutsche Museum, oder auch die Grenzbotell, zürnen
sollten, wenn er ans sie abonnirt. Falls er aber eine kurze und bequeme, mög¬
lichst vollständige Uebersicht über dies Neuerschienene haben will, so halte er sich
das literarische Centralblatt für Deutschland, herausgegeben von Zarncke, welches


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/116>, abgerufen am 24.07.2024.