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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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landen möge, sie ihres Reichthums wegen selber zu heirathen. Dunstan, der
durch seiue Spione von dem wahren Sachverhalte unterrichtet ist, veranlaßt den
Narren des Königs, es demselben unter der Form einer Allegorie zu entdecken.
Der König wird heftig angeregt und beschließt, Athelwvld's Weib zu besuchen.
Die arme Edles, an die er gar nicht weiter mehr denkt, wird durch den guten
Dunstan getröstet: "Traure nicht so sehr über Deine Sünde, freue Dich vielmehr
Deiner Reue. Sünde und Reue geben dem Menschen seine Religion und seinen
Gott, seinen Glauben, seine Hoffnung. Nicht Unschuld, nicht Weisheit führt zum
Himmel, die Schuld fuhrt die Seele zum himmlischen Thor, und die weinende
Rene öffnet es." -- Im folgenden Act werden Athelwold und Elfride durch die
Ankunft eines königlichen Boten überrascht, der ihnen den König ankündigt. Der
bestürzte Athelwold muß jetzt seiner Gemahlin das Geheimniß erschließen; er be¬
schwört sie, ihr Gesicht zu entstellen, aber ihr Herz ist von Ehrgeiz erfüllt, und
sie empfängt den König in ihrer ganzen strahlenden Schönheit. Er nimmt Athel¬
wold bei Seite, und es erfolgt eine heftige Scene, die damit schließt, baß der
ungetreue Vasall ins Gefängniß geführt wird; aber Edgar's Werbungen sind
so sinnlicher Natur, daß Elfride fürchten muß, der König wolle sie nur zu
seiner Maitresse machen. Bessere Gedanken kehren ihr zurück, und sie
erbittet und erhält die Erlaubniß, ihren Gemahl in seinem Gefängniß zu be¬
suchen. -- Im letzten Act versucht Dunstan, den gefangenen Athelwold zu bestimmen,
ins Kloster zu treten, aber Athelwold bleibt fest. Dann tritt Elfride auf, bittet
ihn leidenschaftlich um Verzeihung und erbietet sich, den König bei Nacht zu er¬
dolchen. Er weist sie mit Verachtung zurück. In der Verzweiflung öffnet sie
rasch die Thür und läßt ihn von den Wachen erschlagen. Nun folgt ein heftiger
Kampf zwischen den beiden energischen Naturen Dunstan und Elfride. Die
Letztere zeigt, daß sie in ihrer höchsten Aufregung noch kalter und entschlossener
sein kann, als der Priester, sie gewinnt den König, die Edlen des Reichs hul¬
digen ihr als Königin, aber endlich übermannt sie das Gefühl und sie stürzt mit
dem Ausruf: Athelwold! todt zu Boden.

Das letzte Stück, Guidone, spielt zur Zeit Manfred des Hohenstaufen.
Es ist noch weniger für das Theater eingerichtet, als Crichton, aber es ist reich
an poetischen Schönheiten und mit einem melancholischen Reiz übergössen, der
vielfach an Shelley erinnert. Guidone ist ein italienischer Verbannter, dessen Herz
von Sorgen und Schuld beladen ist. Er hat Manfred in der Ermordung sei¬
nes Halbbruders Conrad unterstützt und ist später von ihm verrathen und ver¬
bannt. Seine Tochter Bianca wird von ihrem bestimmten Bräutigam Camillo
verschmäht, einem contemplativen Jüngling, der seit seiner Jngend in klöster¬
licher Einsamkeit gelebt hat. Als der Kampf zwischen Karl von Anjou und Man¬
fred ausbricht, bewerben sich beide Parteien um Guidone's Unterstützung; aber
sein Herz ist todt für die Welt, er bleibt in seiner Einsamkeit und sieht es mit


landen möge, sie ihres Reichthums wegen selber zu heirathen. Dunstan, der
durch seiue Spione von dem wahren Sachverhalte unterrichtet ist, veranlaßt den
Narren des Königs, es demselben unter der Form einer Allegorie zu entdecken.
Der König wird heftig angeregt und beschließt, Athelwvld's Weib zu besuchen.
Die arme Edles, an die er gar nicht weiter mehr denkt, wird durch den guten
Dunstan getröstet: „Traure nicht so sehr über Deine Sünde, freue Dich vielmehr
Deiner Reue. Sünde und Reue geben dem Menschen seine Religion und seinen
Gott, seinen Glauben, seine Hoffnung. Nicht Unschuld, nicht Weisheit führt zum
Himmel, die Schuld fuhrt die Seele zum himmlischen Thor, und die weinende
Rene öffnet es." — Im folgenden Act werden Athelwold und Elfride durch die
Ankunft eines königlichen Boten überrascht, der ihnen den König ankündigt. Der
bestürzte Athelwold muß jetzt seiner Gemahlin das Geheimniß erschließen; er be¬
schwört sie, ihr Gesicht zu entstellen, aber ihr Herz ist von Ehrgeiz erfüllt, und
sie empfängt den König in ihrer ganzen strahlenden Schönheit. Er nimmt Athel¬
wold bei Seite, und es erfolgt eine heftige Scene, die damit schließt, baß der
ungetreue Vasall ins Gefängniß geführt wird; aber Edgar's Werbungen sind
so sinnlicher Natur, daß Elfride fürchten muß, der König wolle sie nur zu
seiner Maitresse machen. Bessere Gedanken kehren ihr zurück, und sie
erbittet und erhält die Erlaubniß, ihren Gemahl in seinem Gefängniß zu be¬
suchen. — Im letzten Act versucht Dunstan, den gefangenen Athelwold zu bestimmen,
ins Kloster zu treten, aber Athelwold bleibt fest. Dann tritt Elfride auf, bittet
ihn leidenschaftlich um Verzeihung und erbietet sich, den König bei Nacht zu er¬
dolchen. Er weist sie mit Verachtung zurück. In der Verzweiflung öffnet sie
rasch die Thür und läßt ihn von den Wachen erschlagen. Nun folgt ein heftiger
Kampf zwischen den beiden energischen Naturen Dunstan und Elfride. Die
Letztere zeigt, daß sie in ihrer höchsten Aufregung noch kalter und entschlossener
sein kann, als der Priester, sie gewinnt den König, die Edlen des Reichs hul¬
digen ihr als Königin, aber endlich übermannt sie das Gefühl und sie stürzt mit
dem Ausruf: Athelwold! todt zu Boden.

Das letzte Stück, Guidone, spielt zur Zeit Manfred des Hohenstaufen.
Es ist noch weniger für das Theater eingerichtet, als Crichton, aber es ist reich
an poetischen Schönheiten und mit einem melancholischen Reiz übergössen, der
vielfach an Shelley erinnert. Guidone ist ein italienischer Verbannter, dessen Herz
von Sorgen und Schuld beladen ist. Er hat Manfred in der Ermordung sei¬
nes Halbbruders Conrad unterstützt und ist später von ihm verrathen und ver¬
bannt. Seine Tochter Bianca wird von ihrem bestimmten Bräutigam Camillo
verschmäht, einem contemplativen Jüngling, der seit seiner Jngend in klöster¬
licher Einsamkeit gelebt hat. Als der Kampf zwischen Karl von Anjou und Man¬
fred ausbricht, bewerben sich beide Parteien um Guidone's Unterstützung; aber
sein Herz ist todt für die Welt, er bleibt in seiner Einsamkeit und sieht es mit


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[0103] landen möge, sie ihres Reichthums wegen selber zu heirathen. Dunstan, der durch seiue Spione von dem wahren Sachverhalte unterrichtet ist, veranlaßt den Narren des Königs, es demselben unter der Form einer Allegorie zu entdecken. Der König wird heftig angeregt und beschließt, Athelwvld's Weib zu besuchen. Die arme Edles, an die er gar nicht weiter mehr denkt, wird durch den guten Dunstan getröstet: „Traure nicht so sehr über Deine Sünde, freue Dich vielmehr Deiner Reue. Sünde und Reue geben dem Menschen seine Religion und seinen Gott, seinen Glauben, seine Hoffnung. Nicht Unschuld, nicht Weisheit führt zum Himmel, die Schuld fuhrt die Seele zum himmlischen Thor, und die weinende Rene öffnet es." — Im folgenden Act werden Athelwold und Elfride durch die Ankunft eines königlichen Boten überrascht, der ihnen den König ankündigt. Der bestürzte Athelwold muß jetzt seiner Gemahlin das Geheimniß erschließen; er be¬ schwört sie, ihr Gesicht zu entstellen, aber ihr Herz ist von Ehrgeiz erfüllt, und sie empfängt den König in ihrer ganzen strahlenden Schönheit. Er nimmt Athel¬ wold bei Seite, und es erfolgt eine heftige Scene, die damit schließt, baß der ungetreue Vasall ins Gefängniß geführt wird; aber Edgar's Werbungen sind so sinnlicher Natur, daß Elfride fürchten muß, der König wolle sie nur zu seiner Maitresse machen. Bessere Gedanken kehren ihr zurück, und sie erbittet und erhält die Erlaubniß, ihren Gemahl in seinem Gefängniß zu be¬ suchen. — Im letzten Act versucht Dunstan, den gefangenen Athelwold zu bestimmen, ins Kloster zu treten, aber Athelwold bleibt fest. Dann tritt Elfride auf, bittet ihn leidenschaftlich um Verzeihung und erbietet sich, den König bei Nacht zu er¬ dolchen. Er weist sie mit Verachtung zurück. In der Verzweiflung öffnet sie rasch die Thür und läßt ihn von den Wachen erschlagen. Nun folgt ein heftiger Kampf zwischen den beiden energischen Naturen Dunstan und Elfride. Die Letztere zeigt, daß sie in ihrer höchsten Aufregung noch kalter und entschlossener sein kann, als der Priester, sie gewinnt den König, die Edlen des Reichs hul¬ digen ihr als Königin, aber endlich übermannt sie das Gefühl und sie stürzt mit dem Ausruf: Athelwold! todt zu Boden. Das letzte Stück, Guidone, spielt zur Zeit Manfred des Hohenstaufen. Es ist noch weniger für das Theater eingerichtet, als Crichton, aber es ist reich an poetischen Schönheiten und mit einem melancholischen Reiz übergössen, der vielfach an Shelley erinnert. Guidone ist ein italienischer Verbannter, dessen Herz von Sorgen und Schuld beladen ist. Er hat Manfred in der Ermordung sei¬ nes Halbbruders Conrad unterstützt und ist später von ihm verrathen und ver¬ bannt. Seine Tochter Bianca wird von ihrem bestimmten Bräutigam Camillo verschmäht, einem contemplativen Jüngling, der seit seiner Jngend in klöster¬ licher Einsamkeit gelebt hat. Als der Kampf zwischen Karl von Anjou und Man¬ fred ausbricht, bewerben sich beide Parteien um Guidone's Unterstützung; aber sein Herz ist todt für die Welt, er bleibt in seiner Einsamkeit und sieht es mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/103>, abgerufen am 26.07.2024.