Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

An einer solchen Ferne arbeitete ich nun vollständig drei Wochen Tag für
Tag hinter einander. Ferner ist zwar nicht die schwierigste Farmer-Arbeit,
Baumfalken und Niegelspalten ist schwieriger, d. h. erfordert mehr Uebung, bis
es leicht von Statten geht; aber es ist doch keine leichte Thätigkeit, und paßt
nicht für eiuen körperlich trägen Menschen. Die ersten Tage waren mit verschie¬
denen Unannehmlichkeiten verbunden. Meine Hände waren noch von dem ersten
Baumfalken wund; jetzt mußte ich die schweren Riegel kräftig anfassen: dadurch
rieben sich auch die Fingerspitzen auf, und das ungewohnte Tragen und Heben
machte auf Beine und Rückenwirbel nicht gerade' den behaglichsten Eindruck.
,,Aller Anfang ist schwer"; dieses und ähnliche Sprichwörter feuerten mich an, und
erschienen mir uicht mehr wie sonst als Redensarten, die man in der Schule aus¬
wendig lernt und später gedankenlos wiederholt; mein, sie erhielten vor meinen Angen
Leben und Bedeutung, und wurden .meine Gesellschafter, meine Freunde während
der gedankenlosen Arbeit in der Einsamkeit. Meinem Vorsatze treu, die Rolle
des Greenhorn so wenig als möglich zu spielen, fingirte ich eine körperliche
Frische und Munterkeit, und lud mir bat.nrch nach des Tages Last auch noch
am Abend, wenn ich von der Arbeit zur Ruhe heimzukehren glaubte, so manches
Geschäft auf, das ich gern einem Andern übertragen hätte. Ost wenn ich nach
Sonnenuntergang mit der Axt auf der Schulter vom Felde nach Hanse zurück¬
kehrte, tönte meinen Ohren entgegen: "Wir haben kein Kornmehl, es fehlt an
Brennholz." -- Was war zu thun? Ich nahm den Maiskornsack, schüttete das
Korn in die eiserne Handmühle und fing an zu mahlen. Zur Unterhaltung
zählte ich die Umdrehungen, und fand in der ersten Woche, daß ich nach 60 Um¬
drehungen vollständig ermüdet und außer Athem war. Es fehlt bei solchen
Arbeiten weniger an Kraft, als an Uebung; haben sich die Muskeln an die er¬
forderliche" Bewegungen gewöhnt, so kann man eine solche Arbeit Stunden, ja
Tage lang fortsetzen, ohne mehr angestrengt zu werden, als durch Nichtsthun.
Nach Verlauf von einigen Wochen machte ich mehrere hundert Umdrehungen, und
später führte ich diese Arbeit ohne alle Anstrengung aus. Nachdem ich so die
Q-uantität Korn gemahlen oder vielmehr geschroten hatte, welche nach meinem
Dafürhalten für den Brodbedarf des folgenden Tages hinreichen mußte, so ergriff
ich wieder die Axt, suchte einen dürren Baumstamm oder abgefallene Zweige, und
schlug sie zu Brennholz zurecht. Die Kinder trugen das Holz zum Kamin, und
in Kurzem, während ich noch für den folgenden Tag Holz spaltete, war das
so eben gemahlene Korn in Brod verwandelt und mit dem geschlagenen Holze das
Brod gebacken, der Speck geröstet und der Kaffee gekocht.

Jetzt wurde zum Abendessen gerufen. Ein unter der Galerie befindlicher
Tisch war mit zinnernen Tellern besetzt. Ein dampfendes Maisbrod, ein Teller
mit Speck, ein Topf mit Syrup und die große blecherne Kaffeekanne, hin und


An einer solchen Ferne arbeitete ich nun vollständig drei Wochen Tag für
Tag hinter einander. Ferner ist zwar nicht die schwierigste Farmer-Arbeit,
Baumfalken und Niegelspalten ist schwieriger, d. h. erfordert mehr Uebung, bis
es leicht von Statten geht; aber es ist doch keine leichte Thätigkeit, und paßt
nicht für eiuen körperlich trägen Menschen. Die ersten Tage waren mit verschie¬
denen Unannehmlichkeiten verbunden. Meine Hände waren noch von dem ersten
Baumfalken wund; jetzt mußte ich die schweren Riegel kräftig anfassen: dadurch
rieben sich auch die Fingerspitzen auf, und das ungewohnte Tragen und Heben
machte auf Beine und Rückenwirbel nicht gerade' den behaglichsten Eindruck.
,,Aller Anfang ist schwer"; dieses und ähnliche Sprichwörter feuerten mich an, und
erschienen mir uicht mehr wie sonst als Redensarten, die man in der Schule aus¬
wendig lernt und später gedankenlos wiederholt; mein, sie erhielten vor meinen Angen
Leben und Bedeutung, und wurden .meine Gesellschafter, meine Freunde während
der gedankenlosen Arbeit in der Einsamkeit. Meinem Vorsatze treu, die Rolle
des Greenhorn so wenig als möglich zu spielen, fingirte ich eine körperliche
Frische und Munterkeit, und lud mir bat.nrch nach des Tages Last auch noch
am Abend, wenn ich von der Arbeit zur Ruhe heimzukehren glaubte, so manches
Geschäft auf, das ich gern einem Andern übertragen hätte. Ost wenn ich nach
Sonnenuntergang mit der Axt auf der Schulter vom Felde nach Hanse zurück¬
kehrte, tönte meinen Ohren entgegen: „Wir haben kein Kornmehl, es fehlt an
Brennholz." — Was war zu thun? Ich nahm den Maiskornsack, schüttete das
Korn in die eiserne Handmühle und fing an zu mahlen. Zur Unterhaltung
zählte ich die Umdrehungen, und fand in der ersten Woche, daß ich nach 60 Um¬
drehungen vollständig ermüdet und außer Athem war. Es fehlt bei solchen
Arbeiten weniger an Kraft, als an Uebung; haben sich die Muskeln an die er¬
forderliche» Bewegungen gewöhnt, so kann man eine solche Arbeit Stunden, ja
Tage lang fortsetzen, ohne mehr angestrengt zu werden, als durch Nichtsthun.
Nach Verlauf von einigen Wochen machte ich mehrere hundert Umdrehungen, und
später führte ich diese Arbeit ohne alle Anstrengung aus. Nachdem ich so die
Q-uantität Korn gemahlen oder vielmehr geschroten hatte, welche nach meinem
Dafürhalten für den Brodbedarf des folgenden Tages hinreichen mußte, so ergriff
ich wieder die Axt, suchte einen dürren Baumstamm oder abgefallene Zweige, und
schlug sie zu Brennholz zurecht. Die Kinder trugen das Holz zum Kamin, und
in Kurzem, während ich noch für den folgenden Tag Holz spaltete, war das
so eben gemahlene Korn in Brod verwandelt und mit dem geschlagenen Holze das
Brod gebacken, der Speck geröstet und der Kaffee gekocht.

Jetzt wurde zum Abendessen gerufen. Ein unter der Galerie befindlicher
Tisch war mit zinnernen Tellern besetzt. Ein dampfendes Maisbrod, ein Teller
mit Speck, ein Topf mit Syrup und die große blecherne Kaffeekanne, hin und


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0066" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/93431"/>
            <p xml:id="ID_212"> An einer solchen Ferne arbeitete ich nun vollständig drei Wochen Tag für<lb/>
Tag hinter einander.  Ferner ist zwar nicht die schwierigste Farmer-Arbeit,<lb/>
Baumfalken und Niegelspalten ist schwieriger, d. h. erfordert mehr Uebung, bis<lb/>
es leicht von Statten geht; aber es ist doch keine leichte Thätigkeit, und paßt<lb/>
nicht für eiuen körperlich trägen Menschen.  Die ersten Tage waren mit verschie¬<lb/>
denen Unannehmlichkeiten verbunden.  Meine Hände waren noch von dem ersten<lb/>
Baumfalken wund; jetzt mußte ich die schweren Riegel kräftig anfassen: dadurch<lb/>
rieben sich auch die Fingerspitzen auf, und das ungewohnte Tragen und Heben<lb/>
machte auf Beine und Rückenwirbel nicht gerade' den behaglichsten Eindruck.<lb/>
,,Aller Anfang ist schwer"; dieses und ähnliche Sprichwörter feuerten mich an, und<lb/>
erschienen mir uicht mehr wie sonst als Redensarten, die man in der Schule aus¬<lb/>
wendig lernt und später gedankenlos wiederholt; mein, sie erhielten vor meinen Angen<lb/>
Leben und Bedeutung, und wurden .meine Gesellschafter, meine Freunde während<lb/>
der gedankenlosen Arbeit in der Einsamkeit.  Meinem Vorsatze treu, die Rolle<lb/>
des Greenhorn so wenig als möglich zu spielen, fingirte ich eine körperliche<lb/>
Frische und Munterkeit, und lud mir bat.nrch nach des Tages Last auch noch<lb/>
am Abend, wenn ich von der Arbeit zur Ruhe heimzukehren glaubte, so manches<lb/>
Geschäft auf, das ich gern einem Andern übertragen hätte.  Ost wenn ich nach<lb/>
Sonnenuntergang mit der Axt auf der Schulter vom Felde nach Hanse zurück¬<lb/>
kehrte, tönte meinen Ohren entgegen: &#x201E;Wir haben kein Kornmehl, es fehlt an<lb/>
Brennholz." &#x2014; Was war zu thun? Ich nahm den Maiskornsack, schüttete das<lb/>
Korn in die eiserne Handmühle und fing an zu mahlen.  Zur Unterhaltung<lb/>
zählte ich die Umdrehungen, und fand in der ersten Woche, daß ich nach 60 Um¬<lb/>
drehungen vollständig ermüdet und außer Athem war.  Es fehlt bei solchen<lb/>
Arbeiten weniger an Kraft, als an Uebung; haben sich die Muskeln an die er¬<lb/>
forderliche» Bewegungen gewöhnt, so kann man eine solche Arbeit Stunden, ja<lb/>
Tage lang fortsetzen, ohne mehr angestrengt zu werden, als durch Nichtsthun.<lb/>
Nach Verlauf von einigen Wochen machte ich mehrere hundert Umdrehungen, und<lb/>
später führte ich diese Arbeit ohne alle Anstrengung aus.  Nachdem ich so die<lb/>
Q-uantität Korn gemahlen oder vielmehr geschroten hatte, welche nach meinem<lb/>
Dafürhalten für den Brodbedarf des folgenden Tages hinreichen mußte, so ergriff<lb/>
ich wieder die Axt, suchte einen dürren Baumstamm oder abgefallene Zweige, und<lb/>
schlug sie zu Brennholz zurecht.  Die Kinder trugen das Holz zum Kamin, und<lb/>
in Kurzem, während ich noch für den folgenden Tag Holz spaltete, war das<lb/>
so eben gemahlene Korn in Brod verwandelt und mit dem geschlagenen Holze das<lb/>
Brod gebacken, der Speck geröstet und der Kaffee gekocht.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_213" next="#ID_214"> Jetzt wurde zum Abendessen gerufen. Ein unter der Galerie befindlicher<lb/>
Tisch war mit zinnernen Tellern besetzt. Ein dampfendes Maisbrod, ein Teller<lb/>
mit Speck, ein Topf mit Syrup und die große blecherne Kaffeekanne, hin und</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0066] An einer solchen Ferne arbeitete ich nun vollständig drei Wochen Tag für Tag hinter einander. Ferner ist zwar nicht die schwierigste Farmer-Arbeit, Baumfalken und Niegelspalten ist schwieriger, d. h. erfordert mehr Uebung, bis es leicht von Statten geht; aber es ist doch keine leichte Thätigkeit, und paßt nicht für eiuen körperlich trägen Menschen. Die ersten Tage waren mit verschie¬ denen Unannehmlichkeiten verbunden. Meine Hände waren noch von dem ersten Baumfalken wund; jetzt mußte ich die schweren Riegel kräftig anfassen: dadurch rieben sich auch die Fingerspitzen auf, und das ungewohnte Tragen und Heben machte auf Beine und Rückenwirbel nicht gerade' den behaglichsten Eindruck. ,,Aller Anfang ist schwer"; dieses und ähnliche Sprichwörter feuerten mich an, und erschienen mir uicht mehr wie sonst als Redensarten, die man in der Schule aus¬ wendig lernt und später gedankenlos wiederholt; mein, sie erhielten vor meinen Angen Leben und Bedeutung, und wurden .meine Gesellschafter, meine Freunde während der gedankenlosen Arbeit in der Einsamkeit. Meinem Vorsatze treu, die Rolle des Greenhorn so wenig als möglich zu spielen, fingirte ich eine körperliche Frische und Munterkeit, und lud mir bat.nrch nach des Tages Last auch noch am Abend, wenn ich von der Arbeit zur Ruhe heimzukehren glaubte, so manches Geschäft auf, das ich gern einem Andern übertragen hätte. Ost wenn ich nach Sonnenuntergang mit der Axt auf der Schulter vom Felde nach Hanse zurück¬ kehrte, tönte meinen Ohren entgegen: „Wir haben kein Kornmehl, es fehlt an Brennholz." — Was war zu thun? Ich nahm den Maiskornsack, schüttete das Korn in die eiserne Handmühle und fing an zu mahlen. Zur Unterhaltung zählte ich die Umdrehungen, und fand in der ersten Woche, daß ich nach 60 Um¬ drehungen vollständig ermüdet und außer Athem war. Es fehlt bei solchen Arbeiten weniger an Kraft, als an Uebung; haben sich die Muskeln an die er¬ forderliche» Bewegungen gewöhnt, so kann man eine solche Arbeit Stunden, ja Tage lang fortsetzen, ohne mehr angestrengt zu werden, als durch Nichtsthun. Nach Verlauf von einigen Wochen machte ich mehrere hundert Umdrehungen, und später führte ich diese Arbeit ohne alle Anstrengung aus. Nachdem ich so die Q-uantität Korn gemahlen oder vielmehr geschroten hatte, welche nach meinem Dafürhalten für den Brodbedarf des folgenden Tages hinreichen mußte, so ergriff ich wieder die Axt, suchte einen dürren Baumstamm oder abgefallene Zweige, und schlug sie zu Brennholz zurecht. Die Kinder trugen das Holz zum Kamin, und in Kurzem, während ich noch für den folgenden Tag Holz spaltete, war das so eben gemahlene Korn in Brod verwandelt und mit dem geschlagenen Holze das Brod gebacken, der Speck geröstet und der Kaffee gekocht. Jetzt wurde zum Abendessen gerufen. Ein unter der Galerie befindlicher Tisch war mit zinnernen Tellern besetzt. Ein dampfendes Maisbrod, ein Teller mit Speck, ein Topf mit Syrup und die große blecherne Kaffeekanne, hin und

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/66
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/66>, abgerufen am 22.07.2024.