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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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und Mr. Syllis kennt ihn nicht, und doch wollte' der Gentleman mit der Familie
des Mr. Syllis zu Abend speisen.

Da ward Mr. Syllis natürlich heftig, und der Gentleman gab ihm eine
Ohrfeige, und darauf seien sie nun beide Hieher gekommen.

Jetzt ist die Reihe zum Sprechen an dem Angeklagten. Er giebt seinen
Namen und Stand mit jener liebenswürdigen, selbstvertrauten Ruhe an, die allen
sanft Benebelten dies- und jenseits des Canals eigen ist. Als ihn der Inspector
aber um sein Alter fragt, da wirft der Geist oder auch der Weingeist in ihm
stürmische Blasen ans. Was geht sein Alter die Polizei an? Ist diese beim
Census angestellt? Man soll ihn einsperren, Strafe zahlen lassen, in die Tret¬
mühle schicken, martern, schinden, quälen, wenn man Lust und Courage hat. Er
weiß auch Bescheid im Gesetzbuch! Hoho Sir! Aber sein Alter!? Nein Sir!
Das Alter!? Wird nix daraus---

Endlich doch, nach langem, freundlichem Hin- und Herfragen streift er plötz¬
lich mit den kurzen, feisten Fingern durch das dünne Haar, das seine Glatze
umschwärmt, und platzt in jovialem Uebermuth heraus:

"Nun gut. Sie wollen's! Fünfundzwanzig!"

Selbst .die löbliche ernste Polizei kann sich eines Lächelns nicht erwehren.
Der Gefangene aber giebt sich Mühe, eine imponirende, senkrechte Stellung zu
behaupten. Mr. Syllis und der Inspector sind von seinem verächtlichen Blieck
niedergeschmettert.

"Haben Sie etwas bei sich, das Sie uns zur Aufbewahrung anvertrauen
möchten?" Das ist die übliche Entschuldigungsformel, um die Taschen eines Be¬
trunkenen zu durchsuchen, da dies, im Falle eines Verbrechens ausgenommen, nie
gewaltsam geschehen darf.

Und bevor der ehrbare Gentleman noch Zeit zum Antworten gefunden, hat
ihn einer von der Reserve schon um einen Theil seines Eigenthums leichter ge¬
macht. ES kommen da Gegenstände zum Vorschein, welche eine prächtige Illu¬
stration zu des Maunes Abenteuer liefern: ein Federmesser, eine lederne Sand¬
wich-Box^), ein Schlüsselbund, ein Taschentuch, eine Börse mit einem Sovereigu
und fünf Pence, ein Zahnstocher, ein Notizbuch; um den Hals geschlungen eine
stählerne Uhrkette, mitten durchgeschnitten -- keine Uhr daran.

Ist er nnr wieder nüchtern geworden, dann wird es Zeit sein, ihn über die
verlorene Uhr auszufragen. Er wird sie wol genau schildern können; die Be¬
schreibung macht dann die Runde durch sämmtliche Polizeistcttivnen; und morgen
um diese Zeit wird schon bei allen Psandverleihcrn der Hauptstadt angefragt, ob
eine solche Taschenuhr bei einem von ihnen eingesetzt wurde. Gar nicht unwahr¬
scheinlich, daß die Uhr aufgefunden ist, bevor ihr Eigenthümer Zeit gehabt hat,



Blechbüchse zum.Aufbewahren von Butter- und Flcischschuittcu.

und Mr. Syllis kennt ihn nicht, und doch wollte' der Gentleman mit der Familie
des Mr. Syllis zu Abend speisen.

Da ward Mr. Syllis natürlich heftig, und der Gentleman gab ihm eine
Ohrfeige, und darauf seien sie nun beide Hieher gekommen.

Jetzt ist die Reihe zum Sprechen an dem Angeklagten. Er giebt seinen
Namen und Stand mit jener liebenswürdigen, selbstvertrauten Ruhe an, die allen
sanft Benebelten dies- und jenseits des Canals eigen ist. Als ihn der Inspector
aber um sein Alter fragt, da wirft der Geist oder auch der Weingeist in ihm
stürmische Blasen ans. Was geht sein Alter die Polizei an? Ist diese beim
Census angestellt? Man soll ihn einsperren, Strafe zahlen lassen, in die Tret¬
mühle schicken, martern, schinden, quälen, wenn man Lust und Courage hat. Er
weiß auch Bescheid im Gesetzbuch! Hoho Sir! Aber sein Alter!? Nein Sir!
Das Alter!? Wird nix daraus---

Endlich doch, nach langem, freundlichem Hin- und Herfragen streift er plötz¬
lich mit den kurzen, feisten Fingern durch das dünne Haar, das seine Glatze
umschwärmt, und platzt in jovialem Uebermuth heraus:

„Nun gut. Sie wollen's! Fünfundzwanzig!"

Selbst .die löbliche ernste Polizei kann sich eines Lächelns nicht erwehren.
Der Gefangene aber giebt sich Mühe, eine imponirende, senkrechte Stellung zu
behaupten. Mr. Syllis und der Inspector sind von seinem verächtlichen Blieck
niedergeschmettert.

„Haben Sie etwas bei sich, das Sie uns zur Aufbewahrung anvertrauen
möchten?" Das ist die übliche Entschuldigungsformel, um die Taschen eines Be¬
trunkenen zu durchsuchen, da dies, im Falle eines Verbrechens ausgenommen, nie
gewaltsam geschehen darf.

Und bevor der ehrbare Gentleman noch Zeit zum Antworten gefunden, hat
ihn einer von der Reserve schon um einen Theil seines Eigenthums leichter ge¬
macht. ES kommen da Gegenstände zum Vorschein, welche eine prächtige Illu¬
stration zu des Maunes Abenteuer liefern: ein Federmesser, eine lederne Sand¬
wich-Box^), ein Schlüsselbund, ein Taschentuch, eine Börse mit einem Sovereigu
und fünf Pence, ein Zahnstocher, ein Notizbuch; um den Hals geschlungen eine
stählerne Uhrkette, mitten durchgeschnitten — keine Uhr daran.

Ist er nnr wieder nüchtern geworden, dann wird es Zeit sein, ihn über die
verlorene Uhr auszufragen. Er wird sie wol genau schildern können; die Be¬
schreibung macht dann die Runde durch sämmtliche Polizeistcttivnen; und morgen
um diese Zeit wird schon bei allen Psandverleihcrn der Hauptstadt angefragt, ob
eine solche Taschenuhr bei einem von ihnen eingesetzt wurde. Gar nicht unwahr¬
scheinlich, daß die Uhr aufgefunden ist, bevor ihr Eigenthümer Zeit gehabt hat,



Blechbüchse zum.Aufbewahren von Butter- und Flcischschuittcu.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/54>, abgerufen am 22.07.2024.