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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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Fremdlinge erwähnt werden; es ist wahrscheinlich, daß sie im Jahre 1332 auf
Cypern angesiedelt waren, wo sie im Jahre 1468 bereits als Landbauer mit den'
Rechten von Freigelassenen ihre Steuern bezahlten. Es ist endlich sicher, daß sie
um das Jahr 1370 in der Wallachei als Unfreie angesiedelt waren. Pott und
Bataillard haben über die betreffenden Notizen ans Urkunden und alten Reise¬
berichten ausführlich gehandelt, namentlich sind die sorgfältig angeführten und be¬
handelten Citate bei Letzterem einzusehen.

Im Jahre 1417 endlich erscheinen die Zigeuner in großen Haufen mit lächerlichen
Prätensionen und seltsam fratzenhaften Aufzuge vou Ungarn her, zunächst in
Deutschland, bald in der Schweiz, Frankreich, Italien, und erregen überall das
äußerste Befremden. Eine Bande > von 300 Erwachsenen ohne die Kinder zieht
bis zur Nordsee herauf, unter dem Befehl eines Herzogs und eines Grafen/zu
Pferde und zu Fuß; die Frauen. und Kinder sitzen bei dem Gepäck auf Karren.
Sie find komödiantenhaft ausgeputzt, sie führen Jagdhunde als Zeichen adeliger
Geburt, wenn sie aber in der That jagen, thun sie es ohne Hunde und ohne
Geräusch. Sie weisen Empfehlungen und Geleitsbriefe von Fürsten und Herren
vor, auch vom Kaiser Sigismund. Sie behaupten, ihre Bischöfe hätten ihnen
befohlen, sieben Jahr in der Welt herwnzuwandern. Sie sind aber große Gauner,
und übernachten im Freien, um besser stehlen zu können. -- Im Jahre 1418 zeigen
sie sich an vielen Orten in Deutschland, und in demselben Jahre unter dem Ober¬
befehl eines Herzogs Michel von Kleinägvpten in der Schweiz. Dort scheint vor
Zürich ein Rendezvous mehrerer Horden gewesen zu sein. Sie haben zwei Her¬
zöge und zwei Ritter, wollen von den Türken aus Aegypten verjagt sein, sie
sehen schwarz aus, haben schlechte Kleider, aber viel Geld in den Taschen, sie
essen gut und trinken gut und bezahle" auch gut, und benehmen sich als an¬
ständige Leute. Das muß ein merkwürdiger Glanzpunkt ihres Lebens gewesen
sein, sie haben sich nirgend wieder so benommen. Von da scheinen sie sich nach
Frankreich und Italien gewendet zu haben; im Jahre 1422 präsentirt sich eine
Bande zu Bologna und Forli unter einem Herzoge vou Aegypten. Sie erzählen,
der König von Ungarn habe etwa 4000 von ihnen gezwungen, sich taufen zu
lassen, den Rest getödtet, die Getaufte" zur Buße auf 7 Jahre zur Wanderschaft
verurtheilt. Sie wollen nach Rom gehen, den Papst zu besuchen. Im Jahre
1427 erscheint wahrscheinlich dieselbe Baude vor Paris mit zwei Herzögen. Sie
behauptet, Briefe und Segen des Papstes zu haben. Der Papst habe ihrethalben
großen Rath gehalten und ihnen aufgegeben, sieben Jahre durch die Welt zu
ziehen, ohne sich in ein Bett zu legen, dann werde er ihnen ein schönes Land
zuweisen. Fünf Jahre zögen sie schon umher, auf der Wanderschaft sei ihnen
König und Königin gestorben n. s. w. Neue Banden folgten diesen ersten.

Im Jahre 1424 erschien ein neuer Haufe vor Regensburg, mit Geleitbrieseu
vom Kaiser Sigismund, von denen einer, von dem Zivs aus datirt, die Jah-


Fremdlinge erwähnt werden; es ist wahrscheinlich, daß sie im Jahre 1332 auf
Cypern angesiedelt waren, wo sie im Jahre 1468 bereits als Landbauer mit den'
Rechten von Freigelassenen ihre Steuern bezahlten. Es ist endlich sicher, daß sie
um das Jahr 1370 in der Wallachei als Unfreie angesiedelt waren. Pott und
Bataillard haben über die betreffenden Notizen ans Urkunden und alten Reise¬
berichten ausführlich gehandelt, namentlich sind die sorgfältig angeführten und be¬
handelten Citate bei Letzterem einzusehen.

Im Jahre 1417 endlich erscheinen die Zigeuner in großen Haufen mit lächerlichen
Prätensionen und seltsam fratzenhaften Aufzuge vou Ungarn her, zunächst in
Deutschland, bald in der Schweiz, Frankreich, Italien, und erregen überall das
äußerste Befremden. Eine Bande > von 300 Erwachsenen ohne die Kinder zieht
bis zur Nordsee herauf, unter dem Befehl eines Herzogs und eines Grafen/zu
Pferde und zu Fuß; die Frauen. und Kinder sitzen bei dem Gepäck auf Karren.
Sie find komödiantenhaft ausgeputzt, sie führen Jagdhunde als Zeichen adeliger
Geburt, wenn sie aber in der That jagen, thun sie es ohne Hunde und ohne
Geräusch. Sie weisen Empfehlungen und Geleitsbriefe von Fürsten und Herren
vor, auch vom Kaiser Sigismund. Sie behaupten, ihre Bischöfe hätten ihnen
befohlen, sieben Jahr in der Welt herwnzuwandern. Sie sind aber große Gauner,
und übernachten im Freien, um besser stehlen zu können. — Im Jahre 1418 zeigen
sie sich an vielen Orten in Deutschland, und in demselben Jahre unter dem Ober¬
befehl eines Herzogs Michel von Kleinägvpten in der Schweiz. Dort scheint vor
Zürich ein Rendezvous mehrerer Horden gewesen zu sein. Sie haben zwei Her¬
zöge und zwei Ritter, wollen von den Türken aus Aegypten verjagt sein, sie
sehen schwarz aus, haben schlechte Kleider, aber viel Geld in den Taschen, sie
essen gut und trinken gut und bezahle» auch gut, und benehmen sich als an¬
ständige Leute. Das muß ein merkwürdiger Glanzpunkt ihres Lebens gewesen
sein, sie haben sich nirgend wieder so benommen. Von da scheinen sie sich nach
Frankreich und Italien gewendet zu haben; im Jahre 1422 präsentirt sich eine
Bande zu Bologna und Forli unter einem Herzoge vou Aegypten. Sie erzählen,
der König von Ungarn habe etwa 4000 von ihnen gezwungen, sich taufen zu
lassen, den Rest getödtet, die Getaufte» zur Buße auf 7 Jahre zur Wanderschaft
verurtheilt. Sie wollen nach Rom gehen, den Papst zu besuchen. Im Jahre
1427 erscheint wahrscheinlich dieselbe Baude vor Paris mit zwei Herzögen. Sie
behauptet, Briefe und Segen des Papstes zu haben. Der Papst habe ihrethalben
großen Rath gehalten und ihnen aufgegeben, sieben Jahre durch die Welt zu
ziehen, ohne sich in ein Bett zu legen, dann werde er ihnen ein schönes Land
zuweisen. Fünf Jahre zögen sie schon umher, auf der Wanderschaft sei ihnen
König und Königin gestorben n. s. w. Neue Banden folgten diesen ersten.

Im Jahre 1424 erschien ein neuer Haufe vor Regensburg, mit Geleitbrieseu
vom Kaiser Sigismund, von denen einer, von dem Zivs aus datirt, die Jah-


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[0508] Fremdlinge erwähnt werden; es ist wahrscheinlich, daß sie im Jahre 1332 auf Cypern angesiedelt waren, wo sie im Jahre 1468 bereits als Landbauer mit den' Rechten von Freigelassenen ihre Steuern bezahlten. Es ist endlich sicher, daß sie um das Jahr 1370 in der Wallachei als Unfreie angesiedelt waren. Pott und Bataillard haben über die betreffenden Notizen ans Urkunden und alten Reise¬ berichten ausführlich gehandelt, namentlich sind die sorgfältig angeführten und be¬ handelten Citate bei Letzterem einzusehen. Im Jahre 1417 endlich erscheinen die Zigeuner in großen Haufen mit lächerlichen Prätensionen und seltsam fratzenhaften Aufzuge vou Ungarn her, zunächst in Deutschland, bald in der Schweiz, Frankreich, Italien, und erregen überall das äußerste Befremden. Eine Bande > von 300 Erwachsenen ohne die Kinder zieht bis zur Nordsee herauf, unter dem Befehl eines Herzogs und eines Grafen/zu Pferde und zu Fuß; die Frauen. und Kinder sitzen bei dem Gepäck auf Karren. Sie find komödiantenhaft ausgeputzt, sie führen Jagdhunde als Zeichen adeliger Geburt, wenn sie aber in der That jagen, thun sie es ohne Hunde und ohne Geräusch. Sie weisen Empfehlungen und Geleitsbriefe von Fürsten und Herren vor, auch vom Kaiser Sigismund. Sie behaupten, ihre Bischöfe hätten ihnen befohlen, sieben Jahr in der Welt herwnzuwandern. Sie sind aber große Gauner, und übernachten im Freien, um besser stehlen zu können. — Im Jahre 1418 zeigen sie sich an vielen Orten in Deutschland, und in demselben Jahre unter dem Ober¬ befehl eines Herzogs Michel von Kleinägvpten in der Schweiz. Dort scheint vor Zürich ein Rendezvous mehrerer Horden gewesen zu sein. Sie haben zwei Her¬ zöge und zwei Ritter, wollen von den Türken aus Aegypten verjagt sein, sie sehen schwarz aus, haben schlechte Kleider, aber viel Geld in den Taschen, sie essen gut und trinken gut und bezahle» auch gut, und benehmen sich als an¬ ständige Leute. Das muß ein merkwürdiger Glanzpunkt ihres Lebens gewesen sein, sie haben sich nirgend wieder so benommen. Von da scheinen sie sich nach Frankreich und Italien gewendet zu haben; im Jahre 1422 präsentirt sich eine Bande zu Bologna und Forli unter einem Herzoge vou Aegypten. Sie erzählen, der König von Ungarn habe etwa 4000 von ihnen gezwungen, sich taufen zu lassen, den Rest getödtet, die Getaufte» zur Buße auf 7 Jahre zur Wanderschaft verurtheilt. Sie wollen nach Rom gehen, den Papst zu besuchen. Im Jahre 1427 erscheint wahrscheinlich dieselbe Baude vor Paris mit zwei Herzögen. Sie behauptet, Briefe und Segen des Papstes zu haben. Der Papst habe ihrethalben großen Rath gehalten und ihnen aufgegeben, sieben Jahre durch die Welt zu ziehen, ohne sich in ein Bett zu legen, dann werde er ihnen ein schönes Land zuweisen. Fünf Jahre zögen sie schon umher, auf der Wanderschaft sei ihnen König und Königin gestorben n. s. w. Neue Banden folgten diesen ersten. Im Jahre 1424 erschien ein neuer Haufe vor Regensburg, mit Geleitbrieseu vom Kaiser Sigismund, von denen einer, von dem Zivs aus datirt, die Jah-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/508>, abgerufen am 22.07.2024.