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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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name. Er erzählt ebenfalls, daß Bahram-Gur Musiker vom König der Inder
verschrieben habe, weil in seinem fröhlichen Lande Mangel an solchen gewesen sei.
Zwölftausend seien gekommen, und in dem Lande vertheilt worden. Die Nach¬
kommen derselben lebten noch, nicht gerade zahlreich, man nennt sie "Zuth."
Dieses Wort ist anch sonst nicht ganz unbekannt, es ist heute zu Damascus die
volksthümliche Bezeichnung für Zigeuner, und gilt unsren Orientalisten als die
arabische Form des indischen Völkernamens "Dschatt." Diese letztere Annahme,
welche höchstens für wahrscheinlich gelten könnte, gewinnt dadurch eine auffallende
Bestätigung, daß in einigen anderen Handschriften eines andern persischen Hi¬
storikers, Mirkhond, aus dem 15. Jahrhundert, bei derselben Geschichte vom
Barham-Gur die eingewanderten Musiker geradezu mit dem Völkernamen "Dschatt"
genannt werden. Wenn also die persischen Luri die Brüder unsrer Zigeuner sind,
was sehr wahrscheinlich ist, so werden sie sich wol anch diesem neuen Namen nicht
ganz entziehen dürfen. Ueber das indische Volk der Dschath oder Zath aber wissen wir
Mehreres zu erzählen. In einer Abhandlung über die indischen Völkerschaften von
Reinaud*), welche aus arabischen, persischen und chinesischen Schriftstellern zusam¬
mengestellt ist, wird die Geschichte der Dschath erzählt. Sie saßen, ein zahlreiches
und wenig cultivirtes Volk, als die ältesten Anwohner im untern Strom-Thal des
Indus, von Fischfang und Schifffahrt lebend. Nach langen Zwistigkeiten unter¬
warfen sie sich einem Fürsten ans der Familie Hastinapnra, dessen Nachkommen
lange im Thal des Indus regierten. Viel später, im 7. Jahrhundert unsrer
Zeitrechnung, damals als die Araber in das Jndusthal einfielen, hatten die
Dschath und ihre Nachbarn Colonien an den Küsten Arabiens und am persischen
Meerbusen gebildet, wie die Araber und die Perser an den indischen Küsten, aber die
Hauptmasse des Volkes saß noch im Jndusthal und half den vordringenden Arabern
als verbündeter Stamm. Im Jahr 834 und 833 machten die Dschath einen
großen Wanderzug zur See, fuhren in die Mündungen des Tigris
bis in die Nähe von Basra, und verbreiteten Schrecken in der Um¬
gegend. Es bedürfte der größten Kraftanstrengungen des Kalifats,
um diese Wilden zu schlagen, und die von ihnen, welche man leben¬
dig fing, versetzte man nach Anazarba in Kleinasien, an die Gren¬
zen des griechischen Reiches. -- Im zehnten Jahrhundert sitzen noch die
Zath an der Jndusmündung in den Sümpfen zwischen Mansura und dem Mekran;
die am Ufer bauen sich Hütten von Schilf, und leben von Fischen und Wasser-
vögeln, die weiter im Lande leben, "wie die Kurden," von Milch, Käse und
Dorra-Brod. -- Im Anfange des 11. Jahrhunderts wagten die Zath noch sich
dem Sultan Mahmud zu widersetzen, aber ihre kleinen Fahrzeuge vermochten
nicht, sich mit den Schiffen des Sultans zu messen, sie wurden vernichtet. Den-



*) Älsiuou-o KvoKrapIü<lo,v, ceo. par IVI. KsiuauS in den Vl6moiros as I'^oaSSmio nos
insoriMons, Paris, 1859

name. Er erzählt ebenfalls, daß Bahram-Gur Musiker vom König der Inder
verschrieben habe, weil in seinem fröhlichen Lande Mangel an solchen gewesen sei.
Zwölftausend seien gekommen, und in dem Lande vertheilt worden. Die Nach¬
kommen derselben lebten noch, nicht gerade zahlreich, man nennt sie „Zuth."
Dieses Wort ist anch sonst nicht ganz unbekannt, es ist heute zu Damascus die
volksthümliche Bezeichnung für Zigeuner, und gilt unsren Orientalisten als die
arabische Form des indischen Völkernamens „Dschatt." Diese letztere Annahme,
welche höchstens für wahrscheinlich gelten könnte, gewinnt dadurch eine auffallende
Bestätigung, daß in einigen anderen Handschriften eines andern persischen Hi¬
storikers, Mirkhond, aus dem 15. Jahrhundert, bei derselben Geschichte vom
Barham-Gur die eingewanderten Musiker geradezu mit dem Völkernamen „Dschatt"
genannt werden. Wenn also die persischen Luri die Brüder unsrer Zigeuner sind,
was sehr wahrscheinlich ist, so werden sie sich wol anch diesem neuen Namen nicht
ganz entziehen dürfen. Ueber das indische Volk der Dschath oder Zath aber wissen wir
Mehreres zu erzählen. In einer Abhandlung über die indischen Völkerschaften von
Reinaud*), welche aus arabischen, persischen und chinesischen Schriftstellern zusam¬
mengestellt ist, wird die Geschichte der Dschath erzählt. Sie saßen, ein zahlreiches
und wenig cultivirtes Volk, als die ältesten Anwohner im untern Strom-Thal des
Indus, von Fischfang und Schifffahrt lebend. Nach langen Zwistigkeiten unter¬
warfen sie sich einem Fürsten ans der Familie Hastinapnra, dessen Nachkommen
lange im Thal des Indus regierten. Viel später, im 7. Jahrhundert unsrer
Zeitrechnung, damals als die Araber in das Jndusthal einfielen, hatten die
Dschath und ihre Nachbarn Colonien an den Küsten Arabiens und am persischen
Meerbusen gebildet, wie die Araber und die Perser an den indischen Küsten, aber die
Hauptmasse des Volkes saß noch im Jndusthal und half den vordringenden Arabern
als verbündeter Stamm. Im Jahr 834 und 833 machten die Dschath einen
großen Wanderzug zur See, fuhren in die Mündungen des Tigris
bis in die Nähe von Basra, und verbreiteten Schrecken in der Um¬
gegend. Es bedürfte der größten Kraftanstrengungen des Kalifats,
um diese Wilden zu schlagen, und die von ihnen, welche man leben¬
dig fing, versetzte man nach Anazarba in Kleinasien, an die Gren¬
zen des griechischen Reiches. — Im zehnten Jahrhundert sitzen noch die
Zath an der Jndusmündung in den Sümpfen zwischen Mansura und dem Mekran;
die am Ufer bauen sich Hütten von Schilf, und leben von Fischen und Wasser-
vögeln, die weiter im Lande leben, „wie die Kurden," von Milch, Käse und
Dorra-Brod. — Im Anfange des 11. Jahrhunderts wagten die Zath noch sich
dem Sultan Mahmud zu widersetzen, aber ihre kleinen Fahrzeuge vermochten
nicht, sich mit den Schiffen des Sultans zu messen, sie wurden vernichtet. Den-



*) Älsiuou-o KvoKrapIü<lo,v, ceo. par IVI. KsiuauS in den Vl6moiros as I'^oaSSmio nos
insoriMons, Paris, 1859
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/505>, abgerufen am 22.07.2024.