Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

einthen begünstigt, und zwar mit Recht, da sie die Tulpen in jeder Beziehung
übertreffen. Lange Zeit hielten sie sich -mit den Tulpen, Ranunkeln und Ane¬
monen ziemlich gleich in der Gunst des Publicums, als aber Peter Vorbeten in
Harlem zu Anfang des 18. Jahrhunderts die ersten gefüllten Hyacinthen zog,
und bald viele andere in verschiedenen Farben nachfolgten, wurden die Hyacinthen
allen anderen Blumen vorgezogen, und man bezahlte in der ersten Zeit wieder für
einige Sorten bis 2000 si. Es entstanden Hunderte von Sorten, und die Zwiebeln
wurden endlich so billig, daß sie zum allgemeinern Gartenschmnck verwendet werden
konnten, doch blieben die besseren Sorten immer theurer, als die Tulpen.

Frankreich, Deutschland, England und andere Länder nahmen diese Moden
an, so wie die Preise der Zwiebeln in Holland einigermaßen herabgegangen
waren, und bis zu Anfang des jetzigen Jahrhunderts bildeten die genannten
Blumen den vorzüglichsten Gartenschmuck. Die Zwiebeln wurden fast immer aus
Holland bezogen, da man entweder ihre Unzucht nicht verstand, oder der Boden
nicht so geeignet war, wie in Harlem. Man hielt daher in Holland auf gute
Preise, bis es den Gärtnern von Berlin gelang, durch eine großartige Entwicke¬
lung des Hyacinthenflors den Markt in Deutschland zu gewinnen. Seit den
letzten Jahrzehenden sind diese Zwiebelpflanzen mehr als billig vernachlässigt wor¬
den, und nnr die Hyacinthen sind die Lieblingsblumen geblieben, und werden be¬
sonders, gern für deu Winterflor in Topfen gezogen.

Von Anfang des 18. Jahrhunderts an begünstigte die Mode die Nelken, ,
Aurikel und Primel ein ganzes Jahrhundert lang, ohne daß es den Blumen¬
freunden eingefallen wäre, ihre Blicke auf audere, viel schönere Pflanzen zu richten.
Das Vaterland der Nelken ist nicht genau bekannt, vermuthlich ist es das ge¬
birgige Südenropa. Gewiß ist, daß einige Sorten von Nelken schon zur Zeit
des Ritterthums, vielleicht noch früher bekannt und allgemein beliebt waren
Ein Verzeichnis; von 5629 giebt schon 20 verschiedene Sorten an, doch zu Mode¬
blumen wurden sie erst im 18. Jahrhundert, als man der holländischen Zwiebel-
blnmen überdrüßig war. 1702 zeigt ein englisches Verzeichniß schon 360 Sorten
an. War die Nelke schon vorher ein Liebling des Volkes, so wurde sie es
noch viel mehr, als immer schönere und vollkommenere Blumen zum Vorschein
kamen. Am eifrigsten wurde die Nelkenzucht von der Vlämischen Bevölkerung
in Flandern,. Brabant und Hennegau betrieben, und von dort verbreiteten sich
die schönsten Sorten über ganz Europa. Es wurde den Nelken eine solche
Wichtigkeit beigelegt, daß bis gegen 1820 Hunderte von Büchern blos über Nelken
geschrieben wurden^). Mail stellte förmliche Systeme über Farbe, Zeichnung und




*) Nach "I.a VolKlqne Iiortwole" brachte Ludwig der Heilige die Gartennelke '1270 aus
Tunis nach Europa.
Selbst der "Große Conto" (Louis Prinz von Cord6) gab'1060 "Vorschriften
zur Erziehung schöner Nelken" heraus.

einthen begünstigt, und zwar mit Recht, da sie die Tulpen in jeder Beziehung
übertreffen. Lange Zeit hielten sie sich -mit den Tulpen, Ranunkeln und Ane¬
monen ziemlich gleich in der Gunst des Publicums, als aber Peter Vorbeten in
Harlem zu Anfang des 18. Jahrhunderts die ersten gefüllten Hyacinthen zog,
und bald viele andere in verschiedenen Farben nachfolgten, wurden die Hyacinthen
allen anderen Blumen vorgezogen, und man bezahlte in der ersten Zeit wieder für
einige Sorten bis 2000 si. Es entstanden Hunderte von Sorten, und die Zwiebeln
wurden endlich so billig, daß sie zum allgemeinern Gartenschmnck verwendet werden
konnten, doch blieben die besseren Sorten immer theurer, als die Tulpen.

Frankreich, Deutschland, England und andere Länder nahmen diese Moden
an, so wie die Preise der Zwiebeln in Holland einigermaßen herabgegangen
waren, und bis zu Anfang des jetzigen Jahrhunderts bildeten die genannten
Blumen den vorzüglichsten Gartenschmuck. Die Zwiebeln wurden fast immer aus
Holland bezogen, da man entweder ihre Unzucht nicht verstand, oder der Boden
nicht so geeignet war, wie in Harlem. Man hielt daher in Holland auf gute
Preise, bis es den Gärtnern von Berlin gelang, durch eine großartige Entwicke¬
lung des Hyacinthenflors den Markt in Deutschland zu gewinnen. Seit den
letzten Jahrzehenden sind diese Zwiebelpflanzen mehr als billig vernachlässigt wor¬
den, und nnr die Hyacinthen sind die Lieblingsblumen geblieben, und werden be¬
sonders, gern für deu Winterflor in Topfen gezogen.

Von Anfang des 18. Jahrhunderts an begünstigte die Mode die Nelken, ,
Aurikel und Primel ein ganzes Jahrhundert lang, ohne daß es den Blumen¬
freunden eingefallen wäre, ihre Blicke auf audere, viel schönere Pflanzen zu richten.
Das Vaterland der Nelken ist nicht genau bekannt, vermuthlich ist es das ge¬
birgige Südenropa. Gewiß ist, daß einige Sorten von Nelken schon zur Zeit
des Ritterthums, vielleicht noch früher bekannt und allgemein beliebt waren
Ein Verzeichnis; von 5629 giebt schon 20 verschiedene Sorten an, doch zu Mode¬
blumen wurden sie erst im 18. Jahrhundert, als man der holländischen Zwiebel-
blnmen überdrüßig war. 1702 zeigt ein englisches Verzeichniß schon 360 Sorten
an. War die Nelke schon vorher ein Liebling des Volkes, so wurde sie es
noch viel mehr, als immer schönere und vollkommenere Blumen zum Vorschein
kamen. Am eifrigsten wurde die Nelkenzucht von der Vlämischen Bevölkerung
in Flandern,. Brabant und Hennegau betrieben, und von dort verbreiteten sich
die schönsten Sorten über ganz Europa. Es wurde den Nelken eine solche
Wichtigkeit beigelegt, daß bis gegen 1820 Hunderte von Büchern blos über Nelken
geschrieben wurden^). Mail stellte förmliche Systeme über Farbe, Zeichnung und




*) Nach „I.a VolKlqne Iiortwole" brachte Ludwig der Heilige die Gartennelke '1270 aus
Tunis nach Europa.
Selbst der „Große Conto" (Louis Prinz von Cord6) gab'1060 „Vorschriften
zur Erziehung schöner Nelken" heraus.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0474" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/93839"/>
            <p xml:id="ID_1303" prev="#ID_1302"> einthen begünstigt, und zwar mit Recht, da sie die Tulpen in jeder Beziehung<lb/>
übertreffen. Lange Zeit hielten sie sich -mit den Tulpen, Ranunkeln und Ane¬<lb/>
monen ziemlich gleich in der Gunst des Publicums, als aber Peter Vorbeten in<lb/>
Harlem zu Anfang des 18. Jahrhunderts die ersten gefüllten Hyacinthen zog,<lb/>
und bald viele andere in verschiedenen Farben nachfolgten, wurden die Hyacinthen<lb/>
allen anderen Blumen vorgezogen, und man bezahlte in der ersten Zeit wieder für<lb/>
einige Sorten bis 2000 si. Es entstanden Hunderte von Sorten, und die Zwiebeln<lb/>
wurden endlich so billig, daß sie zum allgemeinern Gartenschmnck verwendet werden<lb/>
konnten, doch blieben die besseren Sorten immer theurer, als die Tulpen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1304"> Frankreich, Deutschland, England und andere Länder nahmen diese Moden<lb/>
an, so wie die Preise der Zwiebeln in Holland einigermaßen herabgegangen<lb/>
waren, und bis zu Anfang des jetzigen Jahrhunderts bildeten die genannten<lb/>
Blumen den vorzüglichsten Gartenschmuck. Die Zwiebeln wurden fast immer aus<lb/>
Holland bezogen, da man entweder ihre Unzucht nicht verstand, oder der Boden<lb/>
nicht so geeignet war, wie in Harlem. Man hielt daher in Holland auf gute<lb/>
Preise, bis es den Gärtnern von Berlin gelang, durch eine großartige Entwicke¬<lb/>
lung des Hyacinthenflors den Markt in Deutschland zu gewinnen. Seit den<lb/>
letzten Jahrzehenden sind diese Zwiebelpflanzen mehr als billig vernachlässigt wor¬<lb/>
den, und nnr die Hyacinthen sind die Lieblingsblumen geblieben, und werden be¬<lb/>
sonders, gern für deu Winterflor in Topfen gezogen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1305" next="#ID_1306"> Von Anfang des 18. Jahrhunderts an begünstigte die Mode die Nelken, ,<lb/>
Aurikel und Primel ein ganzes Jahrhundert lang, ohne daß es den Blumen¬<lb/>
freunden eingefallen wäre, ihre Blicke auf audere, viel schönere Pflanzen zu richten.<lb/>
Das Vaterland der Nelken ist nicht genau bekannt, vermuthlich ist es das ge¬<lb/>
birgige Südenropa. Gewiß ist, daß einige Sorten von Nelken schon zur Zeit<lb/>
des Ritterthums, vielleicht noch früher bekannt und allgemein beliebt waren<lb/>
Ein Verzeichnis; von 5629 giebt schon 20 verschiedene Sorten an, doch zu Mode¬<lb/>
blumen wurden sie erst im 18. Jahrhundert, als man der holländischen Zwiebel-<lb/>
blnmen überdrüßig war. 1702 zeigt ein englisches Verzeichniß schon 360 Sorten<lb/>
an. War die Nelke schon vorher ein Liebling des Volkes, so wurde sie es<lb/>
noch viel mehr, als immer schönere und vollkommenere Blumen zum Vorschein<lb/>
kamen. Am eifrigsten wurde die Nelkenzucht von der Vlämischen Bevölkerung<lb/>
in Flandern,. Brabant und Hennegau betrieben, und von dort verbreiteten sich<lb/>
die schönsten Sorten über ganz Europa. Es wurde den Nelken eine solche<lb/>
Wichtigkeit beigelegt, daß bis gegen 1820 Hunderte von Büchern blos über Nelken<lb/>
geschrieben wurden^).  Mail stellte förmliche Systeme über Farbe, Zeichnung und</p><lb/>
            <note xml:id="FID_28" place="foot"> *) Nach &#x201E;I.a VolKlqne Iiortwole" brachte Ludwig der Heilige die Gartennelke '1270 aus<lb/>
Tunis nach Europa.</note><lb/>
            <note xml:id="FID_29" place="foot"> Selbst der &#x201E;Große Conto" (Louis   Prinz von Cord6) gab'1060 &#x201E;Vorschriften<lb/>
zur Erziehung schöner Nelken" heraus.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0474] einthen begünstigt, und zwar mit Recht, da sie die Tulpen in jeder Beziehung übertreffen. Lange Zeit hielten sie sich -mit den Tulpen, Ranunkeln und Ane¬ monen ziemlich gleich in der Gunst des Publicums, als aber Peter Vorbeten in Harlem zu Anfang des 18. Jahrhunderts die ersten gefüllten Hyacinthen zog, und bald viele andere in verschiedenen Farben nachfolgten, wurden die Hyacinthen allen anderen Blumen vorgezogen, und man bezahlte in der ersten Zeit wieder für einige Sorten bis 2000 si. Es entstanden Hunderte von Sorten, und die Zwiebeln wurden endlich so billig, daß sie zum allgemeinern Gartenschmnck verwendet werden konnten, doch blieben die besseren Sorten immer theurer, als die Tulpen. Frankreich, Deutschland, England und andere Länder nahmen diese Moden an, so wie die Preise der Zwiebeln in Holland einigermaßen herabgegangen waren, und bis zu Anfang des jetzigen Jahrhunderts bildeten die genannten Blumen den vorzüglichsten Gartenschmuck. Die Zwiebeln wurden fast immer aus Holland bezogen, da man entweder ihre Unzucht nicht verstand, oder der Boden nicht so geeignet war, wie in Harlem. Man hielt daher in Holland auf gute Preise, bis es den Gärtnern von Berlin gelang, durch eine großartige Entwicke¬ lung des Hyacinthenflors den Markt in Deutschland zu gewinnen. Seit den letzten Jahrzehenden sind diese Zwiebelpflanzen mehr als billig vernachlässigt wor¬ den, und nnr die Hyacinthen sind die Lieblingsblumen geblieben, und werden be¬ sonders, gern für deu Winterflor in Topfen gezogen. Von Anfang des 18. Jahrhunderts an begünstigte die Mode die Nelken, , Aurikel und Primel ein ganzes Jahrhundert lang, ohne daß es den Blumen¬ freunden eingefallen wäre, ihre Blicke auf audere, viel schönere Pflanzen zu richten. Das Vaterland der Nelken ist nicht genau bekannt, vermuthlich ist es das ge¬ birgige Südenropa. Gewiß ist, daß einige Sorten von Nelken schon zur Zeit des Ritterthums, vielleicht noch früher bekannt und allgemein beliebt waren Ein Verzeichnis; von 5629 giebt schon 20 verschiedene Sorten an, doch zu Mode¬ blumen wurden sie erst im 18. Jahrhundert, als man der holländischen Zwiebel- blnmen überdrüßig war. 1702 zeigt ein englisches Verzeichniß schon 360 Sorten an. War die Nelke schon vorher ein Liebling des Volkes, so wurde sie es noch viel mehr, als immer schönere und vollkommenere Blumen zum Vorschein kamen. Am eifrigsten wurde die Nelkenzucht von der Vlämischen Bevölkerung in Flandern,. Brabant und Hennegau betrieben, und von dort verbreiteten sich die schönsten Sorten über ganz Europa. Es wurde den Nelken eine solche Wichtigkeit beigelegt, daß bis gegen 1820 Hunderte von Büchern blos über Nelken geschrieben wurden^). Mail stellte förmliche Systeme über Farbe, Zeichnung und *) Nach „I.a VolKlqne Iiortwole" brachte Ludwig der Heilige die Gartennelke '1270 aus Tunis nach Europa. Selbst der „Große Conto" (Louis Prinz von Cord6) gab'1060 „Vorschriften zur Erziehung schöner Nelken" heraus.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/474
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/474>, abgerufen am 23.06.2024.