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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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Vorzüglich war er darauf bedacht, seinen Liebling Calderon ans die Breter zu
bringen; er stattete die "Andacht zum Kreuz" mit einem melodramatischen Schluß,
mit Transparentbildern und den andern Requisiten einer Opernaufführung aus,
und hatte eine kindische Freude darau, daß die Bamberger katholisch genug
waren, um sich an diesem Erzeugniß der gra^festen Bigotterie zu begeistern, daß
selbst die Geistlichen, die sonst die Bühne als ein Teufelswerk verdammten, jetzt
der Erbauung wegen ins Theater gingen. Es war bei ihm nicht im Geringsten
von einer religiösen Sympathie die Rede, aber diese Gleichgiltigkeit gegen den
sittlichen Inhalt, wenn nur die äußerlichen Kunstmittel zur Geltung kommen,
verräth doch etwas Ungesundes in seinem Denken und Empfinden. Diese Flucht
der Kunst aus dem Kreise der allgemeinen Ideen ist eben so ein Abweg, wie die
Anmaßung der Kunst, dnrch ihre Empfindungen und Stimmungen der Wissen¬
schaft und dem öffentlichen Leben eine neue Richtung geben zu wollen, und wenn
man den Schillerschen Idealismus verspottete, der in seiner Farblosigkeit gegen
das Schöne und Interessante im empirischen Leben gleichgültig machte, so war
dieser umgekehrte Idealismus, der das Jrrationelle und Unvermittelte,mit einem
Heiligenschein verklären wollte, eigentlich eine weit größere Sünde gegen das
Leben wie gegen das Ideal.

Hoffmann wurde jetzt allmählich mit den hervorragenden Geistern der-deutschen
Literatur näher bekannt. Karl Maria v. Weber und Jean Paul bewiesen ihm
viel Theilnahme; auch Fouqnv, den er. für einen sehr großen Dichter ansah,
wurde mit ihm durch Hitzig bekannt und arbeitete für ihn seine ,,Undine" als
Oper um. Am wichtigsten war seine Bekanntschaft mit Rochlitz, für dessen Zeit¬
schrift er die später in den "Phantasiestücken" gesammelten musikalischen Auf¬
sätze schrieb.

Im Anfang des Jahres 1813 wurde er als Musikdirector uach Dresden
berufen. Zwar wurden die künstlerischen Bestrebungen durch die Kriegswirren
fortwährend unterbrochen, aber im Ganzen wußte er es doch dahin zu bringen,
daß in den Aufführungen ein edler Styl vorherrschte.

Das Verhältniß hatte sich bereits aufgelöst, als ihm im Jahre 4 814 durch
den Einfluß seines Freundes Hippel Gelegenheit geboten wurde, die juristische
Carriere wieder zu betreten. Er würde in Berlin beim Kammergericht angestellt,
seine äußerliche Stellung wurde bald sehr befriedigend, und nebenbei gewann er
dnrch seine Schriften einen so großen Ruf, daß die Honorare, die ihm geboten
wurden, ins Ungeheure gingen, und daß er dnrch die Buchhändler selbst zum
leichtsinnigsten Arbeiten getrieben wurde. sein Leben war zwischen juristischen
Geschäften und tollen, ausgelassenen Gelagen getheilt. Von den letzteren haben
sich die Traditionen noch immer in Berlin erhalten. Ein Lichtpunkt in diesem
Treiben waren die sogenannten Serapionsabende, in denen ein sehr interessanter
Kreis geistvoller Männer (Hitzig, Contessa, Koreff, vorübergehend anch Fouqus,


Vorzüglich war er darauf bedacht, seinen Liebling Calderon ans die Breter zu
bringen; er stattete die „Andacht zum Kreuz" mit einem melodramatischen Schluß,
mit Transparentbildern und den andern Requisiten einer Opernaufführung aus,
und hatte eine kindische Freude darau, daß die Bamberger katholisch genug
waren, um sich an diesem Erzeugniß der gra^festen Bigotterie zu begeistern, daß
selbst die Geistlichen, die sonst die Bühne als ein Teufelswerk verdammten, jetzt
der Erbauung wegen ins Theater gingen. Es war bei ihm nicht im Geringsten
von einer religiösen Sympathie die Rede, aber diese Gleichgiltigkeit gegen den
sittlichen Inhalt, wenn nur die äußerlichen Kunstmittel zur Geltung kommen,
verräth doch etwas Ungesundes in seinem Denken und Empfinden. Diese Flucht
der Kunst aus dem Kreise der allgemeinen Ideen ist eben so ein Abweg, wie die
Anmaßung der Kunst, dnrch ihre Empfindungen und Stimmungen der Wissen¬
schaft und dem öffentlichen Leben eine neue Richtung geben zu wollen, und wenn
man den Schillerschen Idealismus verspottete, der in seiner Farblosigkeit gegen
das Schöne und Interessante im empirischen Leben gleichgültig machte, so war
dieser umgekehrte Idealismus, der das Jrrationelle und Unvermittelte,mit einem
Heiligenschein verklären wollte, eigentlich eine weit größere Sünde gegen das
Leben wie gegen das Ideal.

Hoffmann wurde jetzt allmählich mit den hervorragenden Geistern der-deutschen
Literatur näher bekannt. Karl Maria v. Weber und Jean Paul bewiesen ihm
viel Theilnahme; auch Fouqnv, den er. für einen sehr großen Dichter ansah,
wurde mit ihm durch Hitzig bekannt und arbeitete für ihn seine ,,Undine" als
Oper um. Am wichtigsten war seine Bekanntschaft mit Rochlitz, für dessen Zeit¬
schrift er die später in den „Phantasiestücken" gesammelten musikalischen Auf¬
sätze schrieb.

Im Anfang des Jahres 1813 wurde er als Musikdirector uach Dresden
berufen. Zwar wurden die künstlerischen Bestrebungen durch die Kriegswirren
fortwährend unterbrochen, aber im Ganzen wußte er es doch dahin zu bringen,
daß in den Aufführungen ein edler Styl vorherrschte.

Das Verhältniß hatte sich bereits aufgelöst, als ihm im Jahre 4 814 durch
den Einfluß seines Freundes Hippel Gelegenheit geboten wurde, die juristische
Carriere wieder zu betreten. Er würde in Berlin beim Kammergericht angestellt,
seine äußerliche Stellung wurde bald sehr befriedigend, und nebenbei gewann er
dnrch seine Schriften einen so großen Ruf, daß die Honorare, die ihm geboten
wurden, ins Ungeheure gingen, und daß er dnrch die Buchhändler selbst zum
leichtsinnigsten Arbeiten getrieben wurde. sein Leben war zwischen juristischen
Geschäften und tollen, ausgelassenen Gelagen getheilt. Von den letzteren haben
sich die Traditionen noch immer in Berlin erhalten. Ein Lichtpunkt in diesem
Treiben waren die sogenannten Serapionsabende, in denen ein sehr interessanter
Kreis geistvoller Männer (Hitzig, Contessa, Koreff, vorübergehend anch Fouqus,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/455>, abgerufen am 26.06.2024.