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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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rother Farbe schminkt. Bei diesen Weinbergen sind zumeist fleißige Bürger und
kleine Leute die Kultivatoren.

Noch weiter im Süden, in der abgeschiedenen Landschaft des langen Platten¬
sees, wo die Natur fern von den großen Heerstraßen des Menschengeschlechtes eine
Fülle lieblicher Bilder und imponirender Formen in. der Verbindung von Fels,
Wald und weitem Wasserspiegel zusammengestellt hat, ist ein Mächtiger Weinbau,
dessen weißen Weine uuter dem Namen See weine bekannt sind. Dort wächst
unter vielen andern vortrefflichen Lagen unweit Furet, dem ländlichen Badeort,
der kostbare Wein von Badacsony, auf Basaltmassen, welche vom Ufer des See's
aus ihre Säulen und Kuppen, zuweilen in riesenhaften Formen, erheben. Der
gewöhnliche Wein von Badacsony, ölig, stocksüß, hart und dauerhaft, ist ein seiner
Dessertwein, der, ohne Ausbruch zu sein, das Mittel zwischen diesem und Tischwein
hält. Wirklicher Ausbruch wird hier uicht verfertigt, dagegen ein merkwürdiger
Saft von gutem in Kesseln eingesottenem und dann der Gährung überlassenen
Most, der an Süße und, Wohlgeschmack den Ausbruchwoiueu gleichkommt und
viel ius Ausland expedirt wird. Die Weincultur ist zum größten Theil in den
Händen ungarischer Gutsbesitzer, und die feinsten Weine fließen in ihre Keller.

Doch vou alleu weißen Tischweiueu Ungarns ist der edelste der Wein von
Somlyo (deutsch: Schomlauer) unweit Väsärhely, in der Richtung vom
Plattensee nach dem Nensiedlersee. Dort steigen die ungeheueren Basaltmassen
eines alten Vulkans als runder riesiger Kegel weit sichtbar ans der Ebene ans,
anfeinem Vorberg im Norden stehen die geborstenen Mauern eines alten Schlosses,
den obern Kegel stützen finster starrende Basaltsäulen, und auf dem Schuttland
der unteren Abhänge und Vorberge liegen die lachenden Villen und Preßhäuser
der reichen Gutsherren in einem breiten Kranz von Weingärten, der den ganzen
Berg umzieht. Am Fuße des Berges Schmuck und Pracht des reichen Menschen¬
lebens, darüber die majestätischen Trümmer eines ungeheuren Erdbrandes. Noch
dampft am alten Schlosse der Schlund eines, Kraters und verkündet der Umge¬
gend dnrch aufsteigenden Rauch Sturm und Regen, und in dem Schlosse selbst
haust seit laugen Jahren eine große Familie von Adlern, und beschützt durch
Schnabel und Fänge die Nebenpflanzuugeu im Grunde, denn leer von kleinen
Vögeln ist die Gegend; der lustige Staar, der gefräßige Sperling sind nur sel¬
tene Gäste, der Weinbauer vou Somlyo aber verehrt die Adlerbrut als seine
Bundesgenossen.

Auf. diesem abenteuerlichen Berge wächst, ein grünlich gelber Wein, der im
Alter etwas dunkler wird und an einem feinen Erdbeerdnft, der sogar die Keller
erfüllt, leicht erkennbar ist. Dieses edle Aroma und seine Dauerhaftigkeit haben ihn
zum aristokratischen Lieblinge der Magyaren gemacht. Leider ist seine Production
beschränkt. Vou deu 255,000 Eimern, welche der Berg hervorbringt, kommen


Grenzboten. I. -I8ki2. ü

rother Farbe schminkt. Bei diesen Weinbergen sind zumeist fleißige Bürger und
kleine Leute die Kultivatoren.

Noch weiter im Süden, in der abgeschiedenen Landschaft des langen Platten¬
sees, wo die Natur fern von den großen Heerstraßen des Menschengeschlechtes eine
Fülle lieblicher Bilder und imponirender Formen in. der Verbindung von Fels,
Wald und weitem Wasserspiegel zusammengestellt hat, ist ein Mächtiger Weinbau,
dessen weißen Weine uuter dem Namen See weine bekannt sind. Dort wächst
unter vielen andern vortrefflichen Lagen unweit Furet, dem ländlichen Badeort,
der kostbare Wein von Badacsony, auf Basaltmassen, welche vom Ufer des See's
aus ihre Säulen und Kuppen, zuweilen in riesenhaften Formen, erheben. Der
gewöhnliche Wein von Badacsony, ölig, stocksüß, hart und dauerhaft, ist ein seiner
Dessertwein, der, ohne Ausbruch zu sein, das Mittel zwischen diesem und Tischwein
hält. Wirklicher Ausbruch wird hier uicht verfertigt, dagegen ein merkwürdiger
Saft von gutem in Kesseln eingesottenem und dann der Gährung überlassenen
Most, der an Süße und, Wohlgeschmack den Ausbruchwoiueu gleichkommt und
viel ius Ausland expedirt wird. Die Weincultur ist zum größten Theil in den
Händen ungarischer Gutsbesitzer, und die feinsten Weine fließen in ihre Keller.

Doch vou alleu weißen Tischweiueu Ungarns ist der edelste der Wein von
Somlyo (deutsch: Schomlauer) unweit Väsärhely, in der Richtung vom
Plattensee nach dem Nensiedlersee. Dort steigen die ungeheueren Basaltmassen
eines alten Vulkans als runder riesiger Kegel weit sichtbar ans der Ebene ans,
anfeinem Vorberg im Norden stehen die geborstenen Mauern eines alten Schlosses,
den obern Kegel stützen finster starrende Basaltsäulen, und auf dem Schuttland
der unteren Abhänge und Vorberge liegen die lachenden Villen und Preßhäuser
der reichen Gutsherren in einem breiten Kranz von Weingärten, der den ganzen
Berg umzieht. Am Fuße des Berges Schmuck und Pracht des reichen Menschen¬
lebens, darüber die majestätischen Trümmer eines ungeheuren Erdbrandes. Noch
dampft am alten Schlosse der Schlund eines, Kraters und verkündet der Umge¬
gend dnrch aufsteigenden Rauch Sturm und Regen, und in dem Schlosse selbst
haust seit laugen Jahren eine große Familie von Adlern, und beschützt durch
Schnabel und Fänge die Nebenpflanzuugeu im Grunde, denn leer von kleinen
Vögeln ist die Gegend; der lustige Staar, der gefräßige Sperling sind nur sel¬
tene Gäste, der Weinbauer vou Somlyo aber verehrt die Adlerbrut als seine
Bundesgenossen.

Auf. diesem abenteuerlichen Berge wächst, ein grünlich gelber Wein, der im
Alter etwas dunkler wird und an einem feinen Erdbeerdnft, der sogar die Keller
erfüllt, leicht erkennbar ist. Dieses edle Aroma und seine Dauerhaftigkeit haben ihn
zum aristokratischen Lieblinge der Magyaren gemacht. Leider ist seine Production
beschränkt. Vou deu 255,000 Eimern, welche der Berg hervorbringt, kommen


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[0043] rother Farbe schminkt. Bei diesen Weinbergen sind zumeist fleißige Bürger und kleine Leute die Kultivatoren. Noch weiter im Süden, in der abgeschiedenen Landschaft des langen Platten¬ sees, wo die Natur fern von den großen Heerstraßen des Menschengeschlechtes eine Fülle lieblicher Bilder und imponirender Formen in. der Verbindung von Fels, Wald und weitem Wasserspiegel zusammengestellt hat, ist ein Mächtiger Weinbau, dessen weißen Weine uuter dem Namen See weine bekannt sind. Dort wächst unter vielen andern vortrefflichen Lagen unweit Furet, dem ländlichen Badeort, der kostbare Wein von Badacsony, auf Basaltmassen, welche vom Ufer des See's aus ihre Säulen und Kuppen, zuweilen in riesenhaften Formen, erheben. Der gewöhnliche Wein von Badacsony, ölig, stocksüß, hart und dauerhaft, ist ein seiner Dessertwein, der, ohne Ausbruch zu sein, das Mittel zwischen diesem und Tischwein hält. Wirklicher Ausbruch wird hier uicht verfertigt, dagegen ein merkwürdiger Saft von gutem in Kesseln eingesottenem und dann der Gährung überlassenen Most, der an Süße und, Wohlgeschmack den Ausbruchwoiueu gleichkommt und viel ius Ausland expedirt wird. Die Weincultur ist zum größten Theil in den Händen ungarischer Gutsbesitzer, und die feinsten Weine fließen in ihre Keller. Doch vou alleu weißen Tischweiueu Ungarns ist der edelste der Wein von Somlyo (deutsch: Schomlauer) unweit Väsärhely, in der Richtung vom Plattensee nach dem Nensiedlersee. Dort steigen die ungeheueren Basaltmassen eines alten Vulkans als runder riesiger Kegel weit sichtbar ans der Ebene ans, anfeinem Vorberg im Norden stehen die geborstenen Mauern eines alten Schlosses, den obern Kegel stützen finster starrende Basaltsäulen, und auf dem Schuttland der unteren Abhänge und Vorberge liegen die lachenden Villen und Preßhäuser der reichen Gutsherren in einem breiten Kranz von Weingärten, der den ganzen Berg umzieht. Am Fuße des Berges Schmuck und Pracht des reichen Menschen¬ lebens, darüber die majestätischen Trümmer eines ungeheuren Erdbrandes. Noch dampft am alten Schlosse der Schlund eines, Kraters und verkündet der Umge¬ gend dnrch aufsteigenden Rauch Sturm und Regen, und in dem Schlosse selbst haust seit laugen Jahren eine große Familie von Adlern, und beschützt durch Schnabel und Fänge die Nebenpflanzuugeu im Grunde, denn leer von kleinen Vögeln ist die Gegend; der lustige Staar, der gefräßige Sperling sind nur sel¬ tene Gäste, der Weinbauer vou Somlyo aber verehrt die Adlerbrut als seine Bundesgenossen. Auf. diesem abenteuerlichen Berge wächst, ein grünlich gelber Wein, der im Alter etwas dunkler wird und an einem feinen Erdbeerdnft, der sogar die Keller erfüllt, leicht erkennbar ist. Dieses edle Aroma und seine Dauerhaftigkeit haben ihn zum aristokratischen Lieblinge der Magyaren gemacht. Leider ist seine Production beschränkt. Vou deu 255,000 Eimern, welche der Berg hervorbringt, kommen Grenzboten. I. -I8ki2. ü

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/43>, abgerufen am 22.07.2024.