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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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Der Wein von Tokay. Dort, wo die Karpathen im Süden des Zem-
pliner Comitats sich in die große ungarische Ebene hinabsenken, liegt in verscho¬
benem Dreieck der Mittagssonne zugekehrt das Porphyrgestein der Hegyallya?
eines Vorgebirges, an dessen Spitze der Tokayerberg steht, an dessen Saum 21
Ortschaften, darunter 11 kleine Städte'und Märkte liegen. Tallya, der Markt
der Weinfässer; M a d, in der Mitte der Hegyallya, wo die Neunionen des Adels
zur Zeit der Weinlese stattfinden und die Speculanren zusammenströmen; Zombor,
mit den lieblichsten Weinen des Gebirges; Tokay im Norden des Tokayerberges;
Tarczal; Kisfalud, Liszka, Tolcsva, Olaszi sind die berühmtesten Weinorte,
die Bewohner der Gegend sind Magyaren. Dieser Bezirk enthält aus etwa 14
Quadratmeilen Flächenraum ö Quadratmeilen Weinland und ist nnter dem Namen
Weingebirge von Tokay in der ganzen Welt bekannt. Die Landschaft ist des edlen
Weines nicht unwürdig, den sie zu erzeugen die Ehre hat. Aus ihr ziehen die
vereinigten Fluthen des Bodrogh und der Theiß hinaus in das Flachland. Vom
Tokayerberg schweift.. der Blick weit hinab bis nach Debreczin und im Norden er¬
heben sich die mächtigen Gruppen der Karpathen, hier nackte Felsen, dort dichte
Wälder. Die Riesenmauer der Berge schützt das Hügelland vor den kalten
Nordwinden.

Der Wein von Tokay hat einen alten Ruhm. Schon im Jahre 1380 be¬
trug der Weinzehnt des Zempliner Comitats 10,000 Goldstücke, und 1362 rief
Papst Pius IV. beim Concil von Trident begeistert ans, den Tokayerwein von
Tallya im Glase schwenkend: gmrunuin pontiliLoni otia vlna üeeoat! -- Und
damals kannte man noch gar nicht den Ausbruch, denn noch nicht 200 Jahre
ist seine Bereitung alt. Da er es jetzt ist, welcher dem Tokayer den Weltruhm als
Wündertrauk erhält, wird es schicklich sei", seiner Bereitung ehrerbietig nachzugehen.
Bei der Lese werdeu die Trockenbeeren besonders gesammelt, nach Butten gemessen
von kleinen Gartenbesitzern in der Regel an größere verkauft. Für ein Faß Ausbruch,
welches uach Tokayer Gebrauch nicht ganz drei Eimer, 1V-- Hectoliter, enthält,
werden 6, 3, 4 oder noch weniger Butten Trockenbeeren in einem Gefäß durch
die bloßen Füße eines Arbeiters langsam zusammengetreten, bis die Masse einem
dünne Teige gleicht. Langsam wird alsdann das Q-uantum Most gewöhnlicher
Tranben unter fleißigem Umrühren zugemischt, die dabei aufsteigenden Körner der
Trockenbeeren mit einem Siebe aufgefangen und beseitigt, und die kostbare Flüssig¬
keit 1 bis 2 Tage unter einer Rohrdecke stehen gelassen, bis sie in Gährung
kommt. Dann wird der trübe Saft von dem zusammengeballten Teige der
Trockenbeeren befreit, in das Faß gefüllt und der Gährung überlassen, welche
in 2 bis 3 Monaten endet. Langsam klärt sich der Wein, bei nicht ganz guten
Jahrgängen kaum nach 2 bis 3 Jahren. Der Ausbruch wird durch die Zahl
der dazu verwendeteten Butten Trockenbeeren bezeichnet, und heißt sechsbuttiger,
dreibuttiger :c. Je mehr Trockenbeeren, desto süßer, öliger und kostbarer ist


Der Wein von Tokay. Dort, wo die Karpathen im Süden des Zem-
pliner Comitats sich in die große ungarische Ebene hinabsenken, liegt in verscho¬
benem Dreieck der Mittagssonne zugekehrt das Porphyrgestein der Hegyallya?
eines Vorgebirges, an dessen Spitze der Tokayerberg steht, an dessen Saum 21
Ortschaften, darunter 11 kleine Städte'und Märkte liegen. Tallya, der Markt
der Weinfässer; M a d, in der Mitte der Hegyallya, wo die Neunionen des Adels
zur Zeit der Weinlese stattfinden und die Speculanren zusammenströmen; Zombor,
mit den lieblichsten Weinen des Gebirges; Tokay im Norden des Tokayerberges;
Tarczal; Kisfalud, Liszka, Tolcsva, Olaszi sind die berühmtesten Weinorte,
die Bewohner der Gegend sind Magyaren. Dieser Bezirk enthält aus etwa 14
Quadratmeilen Flächenraum ö Quadratmeilen Weinland und ist nnter dem Namen
Weingebirge von Tokay in der ganzen Welt bekannt. Die Landschaft ist des edlen
Weines nicht unwürdig, den sie zu erzeugen die Ehre hat. Aus ihr ziehen die
vereinigten Fluthen des Bodrogh und der Theiß hinaus in das Flachland. Vom
Tokayerberg schweift.. der Blick weit hinab bis nach Debreczin und im Norden er¬
heben sich die mächtigen Gruppen der Karpathen, hier nackte Felsen, dort dichte
Wälder. Die Riesenmauer der Berge schützt das Hügelland vor den kalten
Nordwinden.

Der Wein von Tokay hat einen alten Ruhm. Schon im Jahre 1380 be¬
trug der Weinzehnt des Zempliner Comitats 10,000 Goldstücke, und 1362 rief
Papst Pius IV. beim Concil von Trident begeistert ans, den Tokayerwein von
Tallya im Glase schwenkend: gmrunuin pontiliLoni otia vlna üeeoat! — Und
damals kannte man noch gar nicht den Ausbruch, denn noch nicht 200 Jahre
ist seine Bereitung alt. Da er es jetzt ist, welcher dem Tokayer den Weltruhm als
Wündertrauk erhält, wird es schicklich sei», seiner Bereitung ehrerbietig nachzugehen.
Bei der Lese werdeu die Trockenbeeren besonders gesammelt, nach Butten gemessen
von kleinen Gartenbesitzern in der Regel an größere verkauft. Für ein Faß Ausbruch,
welches uach Tokayer Gebrauch nicht ganz drei Eimer, 1V-- Hectoliter, enthält,
werden 6, 3, 4 oder noch weniger Butten Trockenbeeren in einem Gefäß durch
die bloßen Füße eines Arbeiters langsam zusammengetreten, bis die Masse einem
dünne Teige gleicht. Langsam wird alsdann das Q-uantum Most gewöhnlicher
Tranben unter fleißigem Umrühren zugemischt, die dabei aufsteigenden Körner der
Trockenbeeren mit einem Siebe aufgefangen und beseitigt, und die kostbare Flüssig¬
keit 1 bis 2 Tage unter einer Rohrdecke stehen gelassen, bis sie in Gährung
kommt. Dann wird der trübe Saft von dem zusammengeballten Teige der
Trockenbeeren befreit, in das Faß gefüllt und der Gährung überlassen, welche
in 2 bis 3 Monaten endet. Langsam klärt sich der Wein, bei nicht ganz guten
Jahrgängen kaum nach 2 bis 3 Jahren. Der Ausbruch wird durch die Zahl
der dazu verwendeteten Butten Trockenbeeren bezeichnet, und heißt sechsbuttiger,
dreibuttiger :c. Je mehr Trockenbeeren, desto süßer, öliger und kostbarer ist


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[0039] Der Wein von Tokay. Dort, wo die Karpathen im Süden des Zem- pliner Comitats sich in die große ungarische Ebene hinabsenken, liegt in verscho¬ benem Dreieck der Mittagssonne zugekehrt das Porphyrgestein der Hegyallya? eines Vorgebirges, an dessen Spitze der Tokayerberg steht, an dessen Saum 21 Ortschaften, darunter 11 kleine Städte'und Märkte liegen. Tallya, der Markt der Weinfässer; M a d, in der Mitte der Hegyallya, wo die Neunionen des Adels zur Zeit der Weinlese stattfinden und die Speculanren zusammenströmen; Zombor, mit den lieblichsten Weinen des Gebirges; Tokay im Norden des Tokayerberges; Tarczal; Kisfalud, Liszka, Tolcsva, Olaszi sind die berühmtesten Weinorte, die Bewohner der Gegend sind Magyaren. Dieser Bezirk enthält aus etwa 14 Quadratmeilen Flächenraum ö Quadratmeilen Weinland und ist nnter dem Namen Weingebirge von Tokay in der ganzen Welt bekannt. Die Landschaft ist des edlen Weines nicht unwürdig, den sie zu erzeugen die Ehre hat. Aus ihr ziehen die vereinigten Fluthen des Bodrogh und der Theiß hinaus in das Flachland. Vom Tokayerberg schweift.. der Blick weit hinab bis nach Debreczin und im Norden er¬ heben sich die mächtigen Gruppen der Karpathen, hier nackte Felsen, dort dichte Wälder. Die Riesenmauer der Berge schützt das Hügelland vor den kalten Nordwinden. Der Wein von Tokay hat einen alten Ruhm. Schon im Jahre 1380 be¬ trug der Weinzehnt des Zempliner Comitats 10,000 Goldstücke, und 1362 rief Papst Pius IV. beim Concil von Trident begeistert ans, den Tokayerwein von Tallya im Glase schwenkend: gmrunuin pontiliLoni otia vlna üeeoat! — Und damals kannte man noch gar nicht den Ausbruch, denn noch nicht 200 Jahre ist seine Bereitung alt. Da er es jetzt ist, welcher dem Tokayer den Weltruhm als Wündertrauk erhält, wird es schicklich sei», seiner Bereitung ehrerbietig nachzugehen. Bei der Lese werdeu die Trockenbeeren besonders gesammelt, nach Butten gemessen von kleinen Gartenbesitzern in der Regel an größere verkauft. Für ein Faß Ausbruch, welches uach Tokayer Gebrauch nicht ganz drei Eimer, 1V-- Hectoliter, enthält, werden 6, 3, 4 oder noch weniger Butten Trockenbeeren in einem Gefäß durch die bloßen Füße eines Arbeiters langsam zusammengetreten, bis die Masse einem dünne Teige gleicht. Langsam wird alsdann das Q-uantum Most gewöhnlicher Tranben unter fleißigem Umrühren zugemischt, die dabei aufsteigenden Körner der Trockenbeeren mit einem Siebe aufgefangen und beseitigt, und die kostbare Flüssig¬ keit 1 bis 2 Tage unter einer Rohrdecke stehen gelassen, bis sie in Gährung kommt. Dann wird der trübe Saft von dem zusammengeballten Teige der Trockenbeeren befreit, in das Faß gefüllt und der Gährung überlassen, welche in 2 bis 3 Monaten endet. Langsam klärt sich der Wein, bei nicht ganz guten Jahrgängen kaum nach 2 bis 3 Jahren. Der Ausbruch wird durch die Zahl der dazu verwendeteten Butten Trockenbeeren bezeichnet, und heißt sechsbuttiger, dreibuttiger :c. Je mehr Trockenbeeren, desto süßer, öliger und kostbarer ist

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/39>, abgerufen am 22.07.2024.