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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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großen Adelsgeschlechter, welche ihre Villen, Preßhäuser und Keller mit Zierlich¬
keit und Luxus ausstatten. Freilich sind auch die Revenuen ungeheuer, welche
manche große Gruudbesttzer aus ihren Neben ziehen, zumal so lange die herr¬
schaftlichen Abgaben des Zehnten, Neunten ze. den Most aller Gutsange¬
hörigen in die herrschaftlichen Keller leiteten. Zur Zeit der Weinlese füllt sich
die Landschaft mit fröhlichen Menschen; zu Noß und Wagen zieht die Aristo¬
kratie in ihre Schlösser, auf seiner Britschka kommt der Weiuspeculaut, und
von allen Gegenden des Compasses eilt die ländliche Bevölkerung jubelnd und
singend zur Lese. Die Zigeuner voran, dahinter burleske Aufzüge, ein bausbäckiger
Junge zum Bacchus aufgeputzt, das glühende Antlitz noch mit rothem Beerensaft
gemalt, um ihn in bunter Maskerade die Genossen seines Dorfes. Alle Stämme,
alle Nationen treffen in dieser Zeit friedlich zusammen. Nach Tokay z. B., wo
der Magyar die Reben pflanzt, zieht zur Lese der Deutsche ans der Zips, der Slovake
aus dem Westen, der Nuthene aus dem Norden zur Arbeit. Jeder Haufen hat seine
Geige oder seine Sackpfeife, seine Lieder, seine Tänze, und während draußen
an den Weinbergen das Volk jubelt, und in unbändiger Ausgelassenheit das uralte
Fest des Heideugottes feiert, halten auch die Reichen daraus, sich im größten
Styl gastlich und liebenswürdig zu zeigen. Feuerwerk, Bälle, Schmausereien
und vor Allem häufiges Probiren der reifen Jahrgänge füllen die Zeit. Sobald
der junge Wein in die Fässer gefüllt ist, verschwindet wie durch einen Zauber-
schlag das üppige Leben aus dem Weinlande; die Landschaft und der Wein im
Keller legen sich zu stiller Winterruhe ein. --

Die verschiedenen Landschaften haben auch den Ungarweinen ihre Namen
gegeben. Diese Namen aber find anßer Ungarn in der Mehrzahl wenig bekannt,
eben so wenig die charakteristischen Eigenschaften ihrer Weine. Der deutsche
Weinkanfmann unterscheidet in der Regel Ober- und Nieder-Ungar, und unter
diesem Generaltitel nur einzelne weitberühmte Sorten: Tokayer, Menescher,
Oedenburgcr, Rüster. Ungarn ist auch deshalb ein wildes Land, weil es noch
viele vortreffliche Lagen von ausgezeichnetem Weine in kleinen Bezirken giebt,
welche nur in ihrer nächsten Umgegend bekannt sind. -- Es ist in dieser Ueber¬
sicht nur möglich, die Magnaten uuter den vielen edlen Weinen des Landes
anzuführen. Sie haben sich an den Abhängen der Berge angesiedelt und ihre
Herrschaft gegründet durch das ganze Land. Ihre Verwandten und Genossen
sitzen um sie herum und werden anch in Ungarn selbst oft nach dem Namen der
Häuptlinge genannt. Zwei"xoße Parteien theilen sich in die Herrschaft, die
Weißen und die Rothen. Zwffchen ihnen stehen -- nicht zahlreich -- die Schiller¬
weine, eine Art Mittelpartei.

Die Aufzählen der berühmtesten Weingebirge Ungarns und ihrer Weine
ordnen wir hier nach der Farbe, beginnen mit den souverainen beider Parteien,
und lassen ans sie zuerst den weißen Adel, dann den rothen folgen.


großen Adelsgeschlechter, welche ihre Villen, Preßhäuser und Keller mit Zierlich¬
keit und Luxus ausstatten. Freilich sind auch die Revenuen ungeheuer, welche
manche große Gruudbesttzer aus ihren Neben ziehen, zumal so lange die herr¬
schaftlichen Abgaben des Zehnten, Neunten ze. den Most aller Gutsange¬
hörigen in die herrschaftlichen Keller leiteten. Zur Zeit der Weinlese füllt sich
die Landschaft mit fröhlichen Menschen; zu Noß und Wagen zieht die Aristo¬
kratie in ihre Schlösser, auf seiner Britschka kommt der Weiuspeculaut, und
von allen Gegenden des Compasses eilt die ländliche Bevölkerung jubelnd und
singend zur Lese. Die Zigeuner voran, dahinter burleske Aufzüge, ein bausbäckiger
Junge zum Bacchus aufgeputzt, das glühende Antlitz noch mit rothem Beerensaft
gemalt, um ihn in bunter Maskerade die Genossen seines Dorfes. Alle Stämme,
alle Nationen treffen in dieser Zeit friedlich zusammen. Nach Tokay z. B., wo
der Magyar die Reben pflanzt, zieht zur Lese der Deutsche ans der Zips, der Slovake
aus dem Westen, der Nuthene aus dem Norden zur Arbeit. Jeder Haufen hat seine
Geige oder seine Sackpfeife, seine Lieder, seine Tänze, und während draußen
an den Weinbergen das Volk jubelt, und in unbändiger Ausgelassenheit das uralte
Fest des Heideugottes feiert, halten auch die Reichen daraus, sich im größten
Styl gastlich und liebenswürdig zu zeigen. Feuerwerk, Bälle, Schmausereien
und vor Allem häufiges Probiren der reifen Jahrgänge füllen die Zeit. Sobald
der junge Wein in die Fässer gefüllt ist, verschwindet wie durch einen Zauber-
schlag das üppige Leben aus dem Weinlande; die Landschaft und der Wein im
Keller legen sich zu stiller Winterruhe ein. —

Die verschiedenen Landschaften haben auch den Ungarweinen ihre Namen
gegeben. Diese Namen aber find anßer Ungarn in der Mehrzahl wenig bekannt,
eben so wenig die charakteristischen Eigenschaften ihrer Weine. Der deutsche
Weinkanfmann unterscheidet in der Regel Ober- und Nieder-Ungar, und unter
diesem Generaltitel nur einzelne weitberühmte Sorten: Tokayer, Menescher,
Oedenburgcr, Rüster. Ungarn ist auch deshalb ein wildes Land, weil es noch
viele vortreffliche Lagen von ausgezeichnetem Weine in kleinen Bezirken giebt,
welche nur in ihrer nächsten Umgegend bekannt sind. — Es ist in dieser Ueber¬
sicht nur möglich, die Magnaten uuter den vielen edlen Weinen des Landes
anzuführen. Sie haben sich an den Abhängen der Berge angesiedelt und ihre
Herrschaft gegründet durch das ganze Land. Ihre Verwandten und Genossen
sitzen um sie herum und werden anch in Ungarn selbst oft nach dem Namen der
Häuptlinge genannt. Zwei«xoße Parteien theilen sich in die Herrschaft, die
Weißen und die Rothen. Zwffchen ihnen stehen — nicht zahlreich — die Schiller¬
weine, eine Art Mittelpartei.

Die Aufzählen der berühmtesten Weingebirge Ungarns und ihrer Weine
ordnen wir hier nach der Farbe, beginnen mit den souverainen beider Parteien,
und lassen ans sie zuerst den weißen Adel, dann den rothen folgen.


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[0038] großen Adelsgeschlechter, welche ihre Villen, Preßhäuser und Keller mit Zierlich¬ keit und Luxus ausstatten. Freilich sind auch die Revenuen ungeheuer, welche manche große Gruudbesttzer aus ihren Neben ziehen, zumal so lange die herr¬ schaftlichen Abgaben des Zehnten, Neunten ze. den Most aller Gutsange¬ hörigen in die herrschaftlichen Keller leiteten. Zur Zeit der Weinlese füllt sich die Landschaft mit fröhlichen Menschen; zu Noß und Wagen zieht die Aristo¬ kratie in ihre Schlösser, auf seiner Britschka kommt der Weiuspeculaut, und von allen Gegenden des Compasses eilt die ländliche Bevölkerung jubelnd und singend zur Lese. Die Zigeuner voran, dahinter burleske Aufzüge, ein bausbäckiger Junge zum Bacchus aufgeputzt, das glühende Antlitz noch mit rothem Beerensaft gemalt, um ihn in bunter Maskerade die Genossen seines Dorfes. Alle Stämme, alle Nationen treffen in dieser Zeit friedlich zusammen. Nach Tokay z. B., wo der Magyar die Reben pflanzt, zieht zur Lese der Deutsche ans der Zips, der Slovake aus dem Westen, der Nuthene aus dem Norden zur Arbeit. Jeder Haufen hat seine Geige oder seine Sackpfeife, seine Lieder, seine Tänze, und während draußen an den Weinbergen das Volk jubelt, und in unbändiger Ausgelassenheit das uralte Fest des Heideugottes feiert, halten auch die Reichen daraus, sich im größten Styl gastlich und liebenswürdig zu zeigen. Feuerwerk, Bälle, Schmausereien und vor Allem häufiges Probiren der reifen Jahrgänge füllen die Zeit. Sobald der junge Wein in die Fässer gefüllt ist, verschwindet wie durch einen Zauber- schlag das üppige Leben aus dem Weinlande; die Landschaft und der Wein im Keller legen sich zu stiller Winterruhe ein. — Die verschiedenen Landschaften haben auch den Ungarweinen ihre Namen gegeben. Diese Namen aber find anßer Ungarn in der Mehrzahl wenig bekannt, eben so wenig die charakteristischen Eigenschaften ihrer Weine. Der deutsche Weinkanfmann unterscheidet in der Regel Ober- und Nieder-Ungar, und unter diesem Generaltitel nur einzelne weitberühmte Sorten: Tokayer, Menescher, Oedenburgcr, Rüster. Ungarn ist auch deshalb ein wildes Land, weil es noch viele vortreffliche Lagen von ausgezeichnetem Weine in kleinen Bezirken giebt, welche nur in ihrer nächsten Umgegend bekannt sind. — Es ist in dieser Ueber¬ sicht nur möglich, die Magnaten uuter den vielen edlen Weinen des Landes anzuführen. Sie haben sich an den Abhängen der Berge angesiedelt und ihre Herrschaft gegründet durch das ganze Land. Ihre Verwandten und Genossen sitzen um sie herum und werden anch in Ungarn selbst oft nach dem Namen der Häuptlinge genannt. Zwei«xoße Parteien theilen sich in die Herrschaft, die Weißen und die Rothen. Zwffchen ihnen stehen — nicht zahlreich — die Schiller¬ weine, eine Art Mittelpartei. Die Aufzählen der berühmtesten Weingebirge Ungarns und ihrer Weine ordnen wir hier nach der Farbe, beginnen mit den souverainen beider Parteien, und lassen ans sie zuerst den weißen Adel, dann den rothen folgen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/38>, abgerufen am 22.07.2024.