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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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Der Officier sah mich und ich sah die rothbemäntelten Diplomaten an; diese
mochten wol meinen, mir hätten den Alten nicht verstanden und wiederholten im
Chorus: "So ist's, der älter und weiser ist, soll der Hausvater sein."

Das Resultat dieser Unterredung war die Ueberzeugung, daß das "Gift des
Panslavismus" im slavischen Blute stecke; denn die Rothmäntel lesen keine Bücher,
noch wurden sie von Emissairen bearbeitet, weil diese damals weder aus der Tür¬
kei noch aus Oestreich in die Berge der Rothmäutler eindringen konnten.

Während des ungarischen Feldzuges von 184-9 suchte man die Grenztruppen
ängstlich vou jedem Zusammentreffen mit den Russen fern zu halten. Wo indessen
Serben und Russen zusammen trafen, fraternisirten sie mit einander, erzählten ein¬
ander von der Heimath, und schieden mit der Ueberzeugung, daß sie ein und
dasselbe Volk sind. Auf diese Weise hat der Panslavismus praktische Fortschritte
gemacht, von denen der kühnste Jdeolog nicht zu träumen wagte. Vielleicht ist
dies der wichtigste Erfolg des russisch-serbischen Feldzuges in Ungarn, wenn auch
der unerwartetste und unwillkommenste.

Die Serben siud eines der cxclusivsten Völker, die ich kenne. Mögen sie in
Ungarn, in Kroatien oder in der Türkei leben, nirgend vermischen sie sich mit
anderen Völkern; der Serbe hat einen sehr großen Nationalstolz und sagt mit
demselben Selbstvertrauen, mit welcher der Römer sich civis roinanus nannte, er
sei ein Serbe. Um aber Serbe zu sein, muß man außer legitim serbischer Ab¬
kunft ein Anhänger der slavischen Kirche sein. Die zum Katholicismus sich be¬
kennenden Serben in Slavonien haben auf den serbischen Namen kein Anrecht,
sie sind Schvkzi, Katholiken, ohne jede Nationalität; eben so wird der Serbe
die zum Islam sich bekennenden Serben in Bosnien niemals Serben nennen.
Wer die slavische Kirche aufgegeben, hat auch die serbische Nationalität auf¬
gegeben.

Dagegen sind aber auch die Serben, wo sie auch zerstreut leben mögen,
immer Ein Volk; die Naja Bosniens, die Serben in Kroatien, in der Wojwod-
schaft und im Fürstenthum Serbien nehmen an Allem, was die Einen oder die Andern
betrifft, überall gleichen Antheil. Im Jahre l>848 hatte man Gelegenheit, sich
von dem Solidaritätöbcwußtsein des serbischen Volks zu überzeugen. Kaum
hatten die Serben in Ungarn die Waffen gegen die Magyaren erhoben, so fanden
sie schon Hilfe bei ihren Brüdern im Fürstenthum; und ich glaube behaupten zu
dürfen, daß weder schöne Redensarten, noch Zwang die Serben in Kroatien ver¬
mocht hätten, gegen Ungarn zu ziehen, wenn sie nicht gewußt hätten, daß ihre
Brüder im Banat und in der Batschka den Kampf gegen Ungarn begonnen und
auf die Theilnahme ihrer Stammesbrüder gerechnet haben.

Diese Solidarität giebt aber der Haltung und den Bestrebungen des
serbischen Volkes einen gewissen Nachdruck; dieses Volk, welches bis 1848 in
Oestreich keinen andern Namen hatte als "griechisch-mchtunirte Unterthanen," hat


Der Officier sah mich und ich sah die rothbemäntelten Diplomaten an; diese
mochten wol meinen, mir hätten den Alten nicht verstanden und wiederholten im
Chorus: „So ist's, der älter und weiser ist, soll der Hausvater sein."

Das Resultat dieser Unterredung war die Ueberzeugung, daß das „Gift des
Panslavismus" im slavischen Blute stecke; denn die Rothmäntel lesen keine Bücher,
noch wurden sie von Emissairen bearbeitet, weil diese damals weder aus der Tür¬
kei noch aus Oestreich in die Berge der Rothmäutler eindringen konnten.

Während des ungarischen Feldzuges von 184-9 suchte man die Grenztruppen
ängstlich vou jedem Zusammentreffen mit den Russen fern zu halten. Wo indessen
Serben und Russen zusammen trafen, fraternisirten sie mit einander, erzählten ein¬
ander von der Heimath, und schieden mit der Ueberzeugung, daß sie ein und
dasselbe Volk sind. Auf diese Weise hat der Panslavismus praktische Fortschritte
gemacht, von denen der kühnste Jdeolog nicht zu träumen wagte. Vielleicht ist
dies der wichtigste Erfolg des russisch-serbischen Feldzuges in Ungarn, wenn auch
der unerwartetste und unwillkommenste.

Die Serben siud eines der cxclusivsten Völker, die ich kenne. Mögen sie in
Ungarn, in Kroatien oder in der Türkei leben, nirgend vermischen sie sich mit
anderen Völkern; der Serbe hat einen sehr großen Nationalstolz und sagt mit
demselben Selbstvertrauen, mit welcher der Römer sich civis roinanus nannte, er
sei ein Serbe. Um aber Serbe zu sein, muß man außer legitim serbischer Ab¬
kunft ein Anhänger der slavischen Kirche sein. Die zum Katholicismus sich be¬
kennenden Serben in Slavonien haben auf den serbischen Namen kein Anrecht,
sie sind Schvkzi, Katholiken, ohne jede Nationalität; eben so wird der Serbe
die zum Islam sich bekennenden Serben in Bosnien niemals Serben nennen.
Wer die slavische Kirche aufgegeben, hat auch die serbische Nationalität auf¬
gegeben.

Dagegen sind aber auch die Serben, wo sie auch zerstreut leben mögen,
immer Ein Volk; die Naja Bosniens, die Serben in Kroatien, in der Wojwod-
schaft und im Fürstenthum Serbien nehmen an Allem, was die Einen oder die Andern
betrifft, überall gleichen Antheil. Im Jahre l>848 hatte man Gelegenheit, sich
von dem Solidaritätöbcwußtsein des serbischen Volks zu überzeugen. Kaum
hatten die Serben in Ungarn die Waffen gegen die Magyaren erhoben, so fanden
sie schon Hilfe bei ihren Brüdern im Fürstenthum; und ich glaube behaupten zu
dürfen, daß weder schöne Redensarten, noch Zwang die Serben in Kroatien ver¬
mocht hätten, gegen Ungarn zu ziehen, wenn sie nicht gewußt hätten, daß ihre
Brüder im Banat und in der Batschka den Kampf gegen Ungarn begonnen und
auf die Theilnahme ihrer Stammesbrüder gerechnet haben.

Diese Solidarität giebt aber der Haltung und den Bestrebungen des
serbischen Volkes einen gewissen Nachdruck; dieses Volk, welches bis 1848 in
Oestreich keinen andern Namen hatte als „griechisch-mchtunirte Unterthanen," hat


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/380>, abgerufen am 22.07.2024.