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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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um daselbst Arbeit zu suchen. Primoraz- und Sidar-Kroäk und Maurer sind
beim Volke ganz synonyme Begriffe. Ich muß noch bemerken, daß man diese
Arbeiter sowol wegen ihrer Sachkenntniß als wegen ihrer Zuverlässigkeit in den
genannten Ländern gern sieht, und besser bezahlt. Häuser, Stadtmauern, Straßen
und Chausseen, Brücken und Eisenbahnen -- Alles geht ihnen gleich gut von der
Hand. Die östreichische Staatsbahn z. B. von Brück a. M. bis Laibach, un¬
streitig der beste Bahnbau in Oestreich, ist größtentheils von diesen Kroaten-
Maurern ausgeführt worden, so wie auch die berühmte Louisenstraße, welche Karl¬
stadt, und mittelbar das Banat, mit dem Adriameere verbindet, das Werk ihrer
Hände ist.

Die Organisation dieser Associationen ist sehr einfach und praktisch. Der
beste und erfahrenste Arbeiter ist der Vorstand (Proto) derselben; er accordirt die
Bauunternehmnng, leitet die Ausführung derselben, kassirt den Arbeitslohn ein,
und führt die Kasse der Gesellschaft. Schriftliche Rechnung wird nicht geführt,
aber Jeder weiß den Kassastand, und das Vertrauen auf den Proto ist meist
so groß, daß man ihn gern allein damit walten läßt. Andererseits ist aber die
Rechtlichkeit dieser Leute so sicher, daß vielleicht seit einem halben Jahrhundert
keine Klage über irgend einen Proto vorkam; etwaige MißHelligkeiten schlichten
sie unter sich, und der Schuldigbesnndene ist aus ewig von der Association aus¬
geschlossen, und genöthigt das Land zu verlassen. Menage und Schlafstellen wer¬
den aus der Associationskasse b/stritten, aus welcher jeder Arbeiter aus Wunsch
Geld herausnehmen kann. Der Arbeitslohn richtet sich nach der Fähigkeit und
dem Fleiße des Arbeiters -- der Proto macht den Voranschlag, und das Arbeits-
erträgniß wird nach Abschlag der Ausgaben übereinkömmlich getheilt; bleibt
ein nicht gut zu theilender Bruchtheil in der Kasse übrig, so behält ihn der
Proto bei sich, um vielleicht über Winter dem'Hilfsbedürftigen damit beizusprin¬
gen, oder, wenn dies nicht vorkommen sollte, ihn zur Kasse des nächsten Arbeits¬
jahres zuzurechnen. Die begonnene Arbeit wird, wo möglich, vor dem Einbrüche
des Winters vollendet; ist dies nicht der Fall, so wird sie im nächsten Frühjahre
bald wieder aufgenommen, nachdem der Arbeiter über Winter daheim aus¬
geruht hat.

Wo lernen nun diese Leute ihr Gewerbe?*) Wie bringen sie es darin zu



*) Möglich, daß diese Manrerassociationen, so wie eine Anzahl technischer Vortheile
und Kunstgriffe ihres Handwerks, Traditionen aus den Bauhütten des Mittelalters sind,
welche sowol von Oberitalien, als von Deutschland aus in das Küstenland gedrungen sein
können. Es lohnt der Mühe, die Sache weiter zu verfolgen. Falls der geehrte Einsender
dieses Artikels, welcher dazu leicht Gelegenheit hat, sich für diese antiquarische Frage inter-
essiren sollte, so bemerken wir, daß es dabei zunächst auf folgende Punkte ankommen
mochte: Ist irgend eine schriftliche Verfassung dieser Bauverbrüderungen vorhanden?
Jedenfalls würde sie als großes Geheimniß verborgen werden, und schwer eine Abschrift zu
erlange" sein. 2) Ist ein Ritual, Ceremonie, Erkennungszeichen u. s. w. vorhanden?

um daselbst Arbeit zu suchen. Primoraz- und Sidar-Kroäk und Maurer sind
beim Volke ganz synonyme Begriffe. Ich muß noch bemerken, daß man diese
Arbeiter sowol wegen ihrer Sachkenntniß als wegen ihrer Zuverlässigkeit in den
genannten Ländern gern sieht, und besser bezahlt. Häuser, Stadtmauern, Straßen
und Chausseen, Brücken und Eisenbahnen — Alles geht ihnen gleich gut von der
Hand. Die östreichische Staatsbahn z. B. von Brück a. M. bis Laibach, un¬
streitig der beste Bahnbau in Oestreich, ist größtentheils von diesen Kroaten-
Maurern ausgeführt worden, so wie auch die berühmte Louisenstraße, welche Karl¬
stadt, und mittelbar das Banat, mit dem Adriameere verbindet, das Werk ihrer
Hände ist.

Die Organisation dieser Associationen ist sehr einfach und praktisch. Der
beste und erfahrenste Arbeiter ist der Vorstand (Proto) derselben; er accordirt die
Bauunternehmnng, leitet die Ausführung derselben, kassirt den Arbeitslohn ein,
und führt die Kasse der Gesellschaft. Schriftliche Rechnung wird nicht geführt,
aber Jeder weiß den Kassastand, und das Vertrauen auf den Proto ist meist
so groß, daß man ihn gern allein damit walten läßt. Andererseits ist aber die
Rechtlichkeit dieser Leute so sicher, daß vielleicht seit einem halben Jahrhundert
keine Klage über irgend einen Proto vorkam; etwaige MißHelligkeiten schlichten
sie unter sich, und der Schuldigbesnndene ist aus ewig von der Association aus¬
geschlossen, und genöthigt das Land zu verlassen. Menage und Schlafstellen wer¬
den aus der Associationskasse b/stritten, aus welcher jeder Arbeiter aus Wunsch
Geld herausnehmen kann. Der Arbeitslohn richtet sich nach der Fähigkeit und
dem Fleiße des Arbeiters — der Proto macht den Voranschlag, und das Arbeits-
erträgniß wird nach Abschlag der Ausgaben übereinkömmlich getheilt; bleibt
ein nicht gut zu theilender Bruchtheil in der Kasse übrig, so behält ihn der
Proto bei sich, um vielleicht über Winter dem'Hilfsbedürftigen damit beizusprin¬
gen, oder, wenn dies nicht vorkommen sollte, ihn zur Kasse des nächsten Arbeits¬
jahres zuzurechnen. Die begonnene Arbeit wird, wo möglich, vor dem Einbrüche
des Winters vollendet; ist dies nicht der Fall, so wird sie im nächsten Frühjahre
bald wieder aufgenommen, nachdem der Arbeiter über Winter daheim aus¬
geruht hat.

Wo lernen nun diese Leute ihr Gewerbe?*) Wie bringen sie es darin zu



*) Möglich, daß diese Manrerassociationen, so wie eine Anzahl technischer Vortheile
und Kunstgriffe ihres Handwerks, Traditionen aus den Bauhütten des Mittelalters sind,
welche sowol von Oberitalien, als von Deutschland aus in das Küstenland gedrungen sein
können. Es lohnt der Mühe, die Sache weiter zu verfolgen. Falls der geehrte Einsender
dieses Artikels, welcher dazu leicht Gelegenheit hat, sich für diese antiquarische Frage inter-
essiren sollte, so bemerken wir, daß es dabei zunächst auf folgende Punkte ankommen
mochte: Ist irgend eine schriftliche Verfassung dieser Bauverbrüderungen vorhanden?
Jedenfalls würde sie als großes Geheimniß verborgen werden, und schwer eine Abschrift zu
erlange» sein. 2) Ist ein Ritual, Ceremonie, Erkennungszeichen u. s. w. vorhanden?
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/353>, abgerufen am 28.09.2024.