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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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auf einen jungen Feuilletonisten geworfen. Herr Adolph Griffe, welcher durch
das Ereignis; des zweiten Decembers um seinen kritischen Sitz und um seine
kritische Stimme in Victor Hugo's Avcwemeut gekommen ist, scheint für das
Uebermaß von Fanatismus, dem er in seinen Anschauungen, wie in seinem Stücke
gleich stark gehuldigt, in der Unromantik der Ehe Buße thun zu wollen. Mlle.
Doche, die sonst eben nicht difficile ist, stellte diesmal, wo es poru- 1e bon moM
gilt, doch eine Bedingung ihrer Einwilligung. Sie verlangt, daß ihr künfti¬
ger Gatte wenigstens ein spanisches Ordensband im Knopfloch habe. Sie
findet es für so leicht, einen solchen Orden zu besitzen, daß es eine Schande
ist ihn nicht zu haben. Herr Griffe wußte sich, nicht anders zu helfen, als durch
Verse an die neugeborne spanische Prinzessin, und da er seine Poesie in seiner
hyperpoetischen Prosa vollkommen erschöpft hat, ging er seinen Freund Theodor
Baronie um diesen Freundschaftsdienst an. Die Verse sind auch schon ans dem
Wege, und mit umgehender Post wird der Orden zurück erwartet. -- Fräulein
Judith am Theater Franyais hat ihren Holofernes im Descendenten eines reichen
Fabrikanten gefunden, und Diesem, wie ihre Namens- und Familienschwester,
gehörig den Kops verdreht. Von den anderen dramatischen Ehen spreche ich nicht,
weil sie ihrer Verwirklichung nicht so nahe sind als die eben erwähnten. Ich will
Ihnen daher eine andere Begebenheit erzählen, welche auch mit der schauspielernden
Damenwelt in Beziehung steht.' Wenn sie zu kindisch und frivol für Ihr ehrbares
deutsches Blatt ist, so bedenken Sie, daß ich aus Paris schreibe, wo man jetzt
sehr frivol, aber sehr bankrott an Witz ist.

Ein hoher Beamter hatte ein zärtliches Verhältniß mit einer Schauspielerin
von den Val-lok^, und Diese erfreute sich ausnahmsweise seiner langen Huld.
Er überhäufte sie mit vielen Aufmerksamkeiten, und unter anderen merkwürdigen
Geschenken, die er ihr gemacht, befanden sich auch fünftausend Loose einer Lotterie,
welche durch einen Treffer anderer Art bald verdunkelt wurde. Die Schauspielerin
zog die nieder und der Beamte machte den Treffer. Die Jncompatibilität der
Stellungen wurde durch diesen unerwarteten Gewinn so groß, daß die Schauspielerin
mit der Lotterie zugleich vergessen wurde. Sie fing bereits mit der diesen Damen ei¬
genen Philosophie an, sich in ihr Schicksal zu fügen, als eine Erinnerung an die Freun¬
din von ehemals denerwähntenBeamten überkam, und dieselbe durch eine officielle Ein¬
ladung in jene Räume beschieden wurde, die sie so oft besucht hatte. Die Stunde des
Rendezvous war auf neun Uhr Abends festgesetzt, nud Mlle. C. war pünktlicher als
ihr hoher Freund, der, wie man ihr ankündigte, dnrch außerordentliche Staatsange¬
legenheiten abgehalten war. Sie sollte warten -- nur warten. Die Zeit verging, und
unsre Schauspielerin, auf die unbestimmte Dauer politischer Discussionen calculirend,
beschloß sich das Warten so bequem zu macheu, als eine Dame nur immer das Recht
hat. Die neue Situation übte bald ihren wohlthätigen Einfluß auf die Stimmung
der dramatischen Muse, und sie schlief ruhig ein. Von den süßesten Träumen


auf einen jungen Feuilletonisten geworfen. Herr Adolph Griffe, welcher durch
das Ereignis; des zweiten Decembers um seinen kritischen Sitz und um seine
kritische Stimme in Victor Hugo's Avcwemeut gekommen ist, scheint für das
Uebermaß von Fanatismus, dem er in seinen Anschauungen, wie in seinem Stücke
gleich stark gehuldigt, in der Unromantik der Ehe Buße thun zu wollen. Mlle.
Doche, die sonst eben nicht difficile ist, stellte diesmal, wo es poru- 1e bon moM
gilt, doch eine Bedingung ihrer Einwilligung. Sie verlangt, daß ihr künfti¬
ger Gatte wenigstens ein spanisches Ordensband im Knopfloch habe. Sie
findet es für so leicht, einen solchen Orden zu besitzen, daß es eine Schande
ist ihn nicht zu haben. Herr Griffe wußte sich, nicht anders zu helfen, als durch
Verse an die neugeborne spanische Prinzessin, und da er seine Poesie in seiner
hyperpoetischen Prosa vollkommen erschöpft hat, ging er seinen Freund Theodor
Baronie um diesen Freundschaftsdienst an. Die Verse sind auch schon ans dem
Wege, und mit umgehender Post wird der Orden zurück erwartet. — Fräulein
Judith am Theater Franyais hat ihren Holofernes im Descendenten eines reichen
Fabrikanten gefunden, und Diesem, wie ihre Namens- und Familienschwester,
gehörig den Kops verdreht. Von den anderen dramatischen Ehen spreche ich nicht,
weil sie ihrer Verwirklichung nicht so nahe sind als die eben erwähnten. Ich will
Ihnen daher eine andere Begebenheit erzählen, welche auch mit der schauspielernden
Damenwelt in Beziehung steht.' Wenn sie zu kindisch und frivol für Ihr ehrbares
deutsches Blatt ist, so bedenken Sie, daß ich aus Paris schreibe, wo man jetzt
sehr frivol, aber sehr bankrott an Witz ist.

Ein hoher Beamter hatte ein zärtliches Verhältniß mit einer Schauspielerin
von den Val-lok^, und Diese erfreute sich ausnahmsweise seiner langen Huld.
Er überhäufte sie mit vielen Aufmerksamkeiten, und unter anderen merkwürdigen
Geschenken, die er ihr gemacht, befanden sich auch fünftausend Loose einer Lotterie,
welche durch einen Treffer anderer Art bald verdunkelt wurde. Die Schauspielerin
zog die nieder und der Beamte machte den Treffer. Die Jncompatibilität der
Stellungen wurde durch diesen unerwarteten Gewinn so groß, daß die Schauspielerin
mit der Lotterie zugleich vergessen wurde. Sie fing bereits mit der diesen Damen ei¬
genen Philosophie an, sich in ihr Schicksal zu fügen, als eine Erinnerung an die Freun¬
din von ehemals denerwähntenBeamten überkam, und dieselbe durch eine officielle Ein¬
ladung in jene Räume beschieden wurde, die sie so oft besucht hatte. Die Stunde des
Rendezvous war auf neun Uhr Abends festgesetzt, nud Mlle. C. war pünktlicher als
ihr hoher Freund, der, wie man ihr ankündigte, dnrch außerordentliche Staatsange¬
legenheiten abgehalten war. Sie sollte warten — nur warten. Die Zeit verging, und
unsre Schauspielerin, auf die unbestimmte Dauer politischer Discussionen calculirend,
beschloß sich das Warten so bequem zu macheu, als eine Dame nur immer das Recht
hat. Die neue Situation übte bald ihren wohlthätigen Einfluß auf die Stimmung
der dramatischen Muse, und sie schlief ruhig ein. Von den süßesten Träumen


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[0318] auf einen jungen Feuilletonisten geworfen. Herr Adolph Griffe, welcher durch das Ereignis; des zweiten Decembers um seinen kritischen Sitz und um seine kritische Stimme in Victor Hugo's Avcwemeut gekommen ist, scheint für das Uebermaß von Fanatismus, dem er in seinen Anschauungen, wie in seinem Stücke gleich stark gehuldigt, in der Unromantik der Ehe Buße thun zu wollen. Mlle. Doche, die sonst eben nicht difficile ist, stellte diesmal, wo es poru- 1e bon moM gilt, doch eine Bedingung ihrer Einwilligung. Sie verlangt, daß ihr künfti¬ ger Gatte wenigstens ein spanisches Ordensband im Knopfloch habe. Sie findet es für so leicht, einen solchen Orden zu besitzen, daß es eine Schande ist ihn nicht zu haben. Herr Griffe wußte sich, nicht anders zu helfen, als durch Verse an die neugeborne spanische Prinzessin, und da er seine Poesie in seiner hyperpoetischen Prosa vollkommen erschöpft hat, ging er seinen Freund Theodor Baronie um diesen Freundschaftsdienst an. Die Verse sind auch schon ans dem Wege, und mit umgehender Post wird der Orden zurück erwartet. — Fräulein Judith am Theater Franyais hat ihren Holofernes im Descendenten eines reichen Fabrikanten gefunden, und Diesem, wie ihre Namens- und Familienschwester, gehörig den Kops verdreht. Von den anderen dramatischen Ehen spreche ich nicht, weil sie ihrer Verwirklichung nicht so nahe sind als die eben erwähnten. Ich will Ihnen daher eine andere Begebenheit erzählen, welche auch mit der schauspielernden Damenwelt in Beziehung steht.' Wenn sie zu kindisch und frivol für Ihr ehrbares deutsches Blatt ist, so bedenken Sie, daß ich aus Paris schreibe, wo man jetzt sehr frivol, aber sehr bankrott an Witz ist. Ein hoher Beamter hatte ein zärtliches Verhältniß mit einer Schauspielerin von den Val-lok^, und Diese erfreute sich ausnahmsweise seiner langen Huld. Er überhäufte sie mit vielen Aufmerksamkeiten, und unter anderen merkwürdigen Geschenken, die er ihr gemacht, befanden sich auch fünftausend Loose einer Lotterie, welche durch einen Treffer anderer Art bald verdunkelt wurde. Die Schauspielerin zog die nieder und der Beamte machte den Treffer. Die Jncompatibilität der Stellungen wurde durch diesen unerwarteten Gewinn so groß, daß die Schauspielerin mit der Lotterie zugleich vergessen wurde. Sie fing bereits mit der diesen Damen ei¬ genen Philosophie an, sich in ihr Schicksal zu fügen, als eine Erinnerung an die Freun¬ din von ehemals denerwähntenBeamten überkam, und dieselbe durch eine officielle Ein¬ ladung in jene Räume beschieden wurde, die sie so oft besucht hatte. Die Stunde des Rendezvous war auf neun Uhr Abends festgesetzt, nud Mlle. C. war pünktlicher als ihr hoher Freund, der, wie man ihr ankündigte, dnrch außerordentliche Staatsange¬ legenheiten abgehalten war. Sie sollte warten — nur warten. Die Zeit verging, und unsre Schauspielerin, auf die unbestimmte Dauer politischer Discussionen calculirend, beschloß sich das Warten so bequem zu macheu, als eine Dame nur immer das Recht hat. Die neue Situation übte bald ihren wohlthätigen Einfluß auf die Stimmung der dramatischen Muse, und sie schlief ruhig ein. Von den süßesten Träumen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/318>, abgerufen am 03.07.2024.