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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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zu wahren gewußt. Jetzt sollte der Begünstigte ein sehr hübscher Fourier der
Compagnie sein, wie Cadin selbst, ein Pariser Kind, mit allen guten wie schlimmen
Eigenschaften, dabei aber ein braver Soldat und auch nicht ohne Bildung, da
er Buchdrucker" gewesen war. Uebrigens genoß Cadin den Ruf, eine sehr tüchtige
Vivcmdiöre zu sein. Ihre Beschützerin, die g'rauÄ'nero, hatte die Erziehung der
Kleinen nicht vernachlässigt. So nachsichtig die Alte bei allen Liebesgeschichten
ihrer Schutzbefohlenen sich zeigte,, denn sie war zu sehr eine echte Tochter Frank¬
reichs und des Heeres, um hierin strenge Grundsätze zu haben, so viel verlangte
sie in Allem, was die complicirten Berufspflichten einer Vivandiöre betraf. Habe
ich doch später gesehen, wie sie die kleine Cadin auf das Unbarmherzigste aus¬
zankte, da diese, um mit einigen Officieren herumzutändeln, mehrere Soldaten
der Compagnie warten, ließ, die sich "can-ne-viO" für ihre Feldflaschen kaufen
wollten. Daß Cadin wegen ihrer drolligen. Lustigkeit allgemeiner Liebling war,
bewies schon der freundliche Empfang. Sie hatte auch hente Abend etwas un-
gemein Liebenswürdiges. In Einem fort lachte und witzelte, scherzte und saug sie,
und nicht einen Augenblick ruhte ihr leicht bewegliches Zünglein in dem hübschen
Munde. Ju einem deutschen Damensalon hätte, die Unterhaltung an unsrem
Bivonacfener wohl nicht immer gepaßt, vor allzu großer Frivolität schützte jedoch
die Gegenwart des Commandanten. Sehr viel, ward gesungen, und besonders
Cadin, die eine recht gut ausgebildete Stimme besaß, und ihrer Erzählung nach
auch als Choristin bei einem Pariser Theater mitgewirkt hatte, trug einem dank-
baren Publicum mehrere Chansons mit großem Erfolg vor.

"I^isel-tL, ma I^iseUcz,
1'u in'hö lrompv l.mi.joui^,
Unis vive ta grisoUc;,
IZuvons sur no" amours."

war ein Schlnßvers, der von mehreren jungen Officieren in vollem Chor mit¬
gesungen ward; als eigenthümliche Begleitung hierzu ertönte- das Geheul der
Hyänen, oder der seltsam klagende Ruf einer melancholischen Art von Nachtvogel,
die man hänfig in den Korkeicheuwäldern findet, welche die Schluchten des Atlas
einfassen. Selbst 1a lucro Kodwemi ward vou dieser allgemeinen Lustigkeit mit
ergriffen, und versuchte einige Strophen eines alten Soldatenliedes aus der
Kaiserzeit zu singen. Wie immer bei solchen Gelegenheiten, machte der Comman¬
dant des Bataillons den liebenswürdigsten Wirth. So streng im Dienst, ja
eisern fast, wenn es galt, sein Bataillon zu führen, eben so zwanglos heiter
war er im Kreise seiner Officiere; Ungebundenheit, die etwa in Zügellosigkeit
oder gar Rohheit hätte ausarten können, wußte er freilich mit feinem Takt und
Energie zu verhindern.

Die schweigsamste in dein fröhlichen Kreise an unsrem Bivonacfener, die
sich anch bald wieder entfernte, war die Marketenderin der dritten Compagnie, "ig.


zu wahren gewußt. Jetzt sollte der Begünstigte ein sehr hübscher Fourier der
Compagnie sein, wie Cadin selbst, ein Pariser Kind, mit allen guten wie schlimmen
Eigenschaften, dabei aber ein braver Soldat und auch nicht ohne Bildung, da
er Buchdrucker« gewesen war. Uebrigens genoß Cadin den Ruf, eine sehr tüchtige
Vivcmdiöre zu sein. Ihre Beschützerin, die g'rauÄ'nero, hatte die Erziehung der
Kleinen nicht vernachlässigt. So nachsichtig die Alte bei allen Liebesgeschichten
ihrer Schutzbefohlenen sich zeigte,, denn sie war zu sehr eine echte Tochter Frank¬
reichs und des Heeres, um hierin strenge Grundsätze zu haben, so viel verlangte
sie in Allem, was die complicirten Berufspflichten einer Vivandiöre betraf. Habe
ich doch später gesehen, wie sie die kleine Cadin auf das Unbarmherzigste aus¬
zankte, da diese, um mit einigen Officieren herumzutändeln, mehrere Soldaten
der Compagnie warten, ließ, die sich „can-ne-viO" für ihre Feldflaschen kaufen
wollten. Daß Cadin wegen ihrer drolligen. Lustigkeit allgemeiner Liebling war,
bewies schon der freundliche Empfang. Sie hatte auch hente Abend etwas un-
gemein Liebenswürdiges. In Einem fort lachte und witzelte, scherzte und saug sie,
und nicht einen Augenblick ruhte ihr leicht bewegliches Zünglein in dem hübschen
Munde. Ju einem deutschen Damensalon hätte, die Unterhaltung an unsrem
Bivonacfener wohl nicht immer gepaßt, vor allzu großer Frivolität schützte jedoch
die Gegenwart des Commandanten. Sehr viel, ward gesungen, und besonders
Cadin, die eine recht gut ausgebildete Stimme besaß, und ihrer Erzählung nach
auch als Choristin bei einem Pariser Theater mitgewirkt hatte, trug einem dank-
baren Publicum mehrere Chansons mit großem Erfolg vor.

„I^isel-tL, ma I^iseUcz,
1'u in'hö lrompv l.mi.joui^,
Unis vive ta grisoUc;,
IZuvons sur no« amours."

war ein Schlnßvers, der von mehreren jungen Officieren in vollem Chor mit¬
gesungen ward; als eigenthümliche Begleitung hierzu ertönte- das Geheul der
Hyänen, oder der seltsam klagende Ruf einer melancholischen Art von Nachtvogel,
die man hänfig in den Korkeicheuwäldern findet, welche die Schluchten des Atlas
einfassen. Selbst 1a lucro Kodwemi ward vou dieser allgemeinen Lustigkeit mit
ergriffen, und versuchte einige Strophen eines alten Soldatenliedes aus der
Kaiserzeit zu singen. Wie immer bei solchen Gelegenheiten, machte der Comman¬
dant des Bataillons den liebenswürdigsten Wirth. So streng im Dienst, ja
eisern fast, wenn es galt, sein Bataillon zu führen, eben so zwanglos heiter
war er im Kreise seiner Officiere; Ungebundenheit, die etwa in Zügellosigkeit
oder gar Rohheit hätte ausarten können, wußte er freilich mit feinem Takt und
Energie zu verhindern.

Die schweigsamste in dein fröhlichen Kreise an unsrem Bivonacfener, die
sich anch bald wieder entfernte, war die Marketenderin der dritten Compagnie, „ig.


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[0308] zu wahren gewußt. Jetzt sollte der Begünstigte ein sehr hübscher Fourier der Compagnie sein, wie Cadin selbst, ein Pariser Kind, mit allen guten wie schlimmen Eigenschaften, dabei aber ein braver Soldat und auch nicht ohne Bildung, da er Buchdrucker« gewesen war. Uebrigens genoß Cadin den Ruf, eine sehr tüchtige Vivcmdiöre zu sein. Ihre Beschützerin, die g'rauÄ'nero, hatte die Erziehung der Kleinen nicht vernachlässigt. So nachsichtig die Alte bei allen Liebesgeschichten ihrer Schutzbefohlenen sich zeigte,, denn sie war zu sehr eine echte Tochter Frank¬ reichs und des Heeres, um hierin strenge Grundsätze zu haben, so viel verlangte sie in Allem, was die complicirten Berufspflichten einer Vivandiöre betraf. Habe ich doch später gesehen, wie sie die kleine Cadin auf das Unbarmherzigste aus¬ zankte, da diese, um mit einigen Officieren herumzutändeln, mehrere Soldaten der Compagnie warten, ließ, die sich „can-ne-viO" für ihre Feldflaschen kaufen wollten. Daß Cadin wegen ihrer drolligen. Lustigkeit allgemeiner Liebling war, bewies schon der freundliche Empfang. Sie hatte auch hente Abend etwas un- gemein Liebenswürdiges. In Einem fort lachte und witzelte, scherzte und saug sie, und nicht einen Augenblick ruhte ihr leicht bewegliches Zünglein in dem hübschen Munde. Ju einem deutschen Damensalon hätte, die Unterhaltung an unsrem Bivonacfener wohl nicht immer gepaßt, vor allzu großer Frivolität schützte jedoch die Gegenwart des Commandanten. Sehr viel, ward gesungen, und besonders Cadin, die eine recht gut ausgebildete Stimme besaß, und ihrer Erzählung nach auch als Choristin bei einem Pariser Theater mitgewirkt hatte, trug einem dank- baren Publicum mehrere Chansons mit großem Erfolg vor. „I^isel-tL, ma I^iseUcz, 1'u in'hö lrompv l.mi.joui^, Unis vive ta grisoUc;, IZuvons sur no« amours." war ein Schlnßvers, der von mehreren jungen Officieren in vollem Chor mit¬ gesungen ward; als eigenthümliche Begleitung hierzu ertönte- das Geheul der Hyänen, oder der seltsam klagende Ruf einer melancholischen Art von Nachtvogel, die man hänfig in den Korkeicheuwäldern findet, welche die Schluchten des Atlas einfassen. Selbst 1a lucro Kodwemi ward vou dieser allgemeinen Lustigkeit mit ergriffen, und versuchte einige Strophen eines alten Soldatenliedes aus der Kaiserzeit zu singen. Wie immer bei solchen Gelegenheiten, machte der Comman¬ dant des Bataillons den liebenswürdigsten Wirth. So streng im Dienst, ja eisern fast, wenn es galt, sein Bataillon zu führen, eben so zwanglos heiter war er im Kreise seiner Officiere; Ungebundenheit, die etwa in Zügellosigkeit oder gar Rohheit hätte ausarten können, wußte er freilich mit feinem Takt und Energie zu verhindern. Die schweigsamste in dein fröhlichen Kreise an unsrem Bivonacfener, die sich anch bald wieder entfernte, war die Marketenderin der dritten Compagnie, „ig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/308>, abgerufen am 26.06.2024.