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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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geleistet. Denn nere Uodwoau war,eine gewichtige Person im ganzen Corps der
Masseurs a plecl, und ihr Ausspruch galt bei den Soldaten als unzweifelhaftes Orakel.
Mit strenger Hand führte sie ihr Scepter, und wehe dem Ungehorsamen, der
sich ihr zu widersetzen wagte. Selbst körperliche Züchtigungen wandte sie an,
was kein Officier jemals hätte wagen dürfen. Habe ich doch selbst gesehen,
wie sie einem stämmigen Artilleristen, der ohne ihre Erlaubniß sich einen halben
Litre Wein aus ihrem Weinfaß abzapfen wollte, obschon er den festen Preis
dafür auf das Faß gelegt hatte, in aller Geschwindigkeit ö---6 so tüchtige Ohr¬
feigen mit ihren mageren knochichten Händen verabreichte, wie nur der geübteste
Schulmonarch dies zu thun vermochte. Der Bestrafte war im ersten Augen¬
blick über diesen Hagel von Schlägen ganz verblüfft, wollte aber dann mit einem
wilden "saers vieu,, maMits soreiöre", aus die Dame losstürzen. Sogleich
sprangen einige Dutzend Chasseurs, die bis dahin lachend der Execution zuge¬
sehen hatten, zum Schutze der "Al-ausi'Mörl" auf, und ein unwilliges >M üonel" --
/,^,11<Z2-v0U8-cri a,u lZwblsi" ,,Va-t?6n, arMleurl" was ihm von allen Seiten
entgegeuscholl, belehrte den Wüthenden, daß es für ihn am besten sei, sich
stillschweigend zu entfernen. Ich glaube, das ganze Bataillon hätte sich lieber
in Stücken hauen lassen, als daß es gelitten, daß der ,,ArxmÄ'more" anch nur
das mindeste Leid zugefügt würde. Aber auch schon das Aeußere derselben mußte
auf den ersten Blick für sie einnehmen. Unter dem Glanzlederhut zeigten sich
kurze Seitenzöpfe von sehr grauer Farbe; das Gesicht war hager, von der Sonne
gebräunt, und von vielen Runzeln durchfurcht. Aber ein großer Zug von Gut¬
müthigkeit und von unversiegbarer Lustigkeit lag in diesem guten, alten Gesicht,
und besonders in den noch immer lebendigen Augen. Nächstdem galt sie für
höchst energisch und tapfer. Es ward von ihr erzählt, daß sie einst bei einem
frühern Aufenthalte in Algerien, als die Escorte eines Transportzuges schon
sehr hart von der Uebermacht der Kabylen bedrängt war, auf das Muthigste
mitgefochten, ja selbst nach dem Fallen des Ofstciers die Soldaten commandirt
habe. Auf ihrem kleinen Karren stehend, hat die Alte eifrig mit dem Karabiner
zwischen die Feinde geschossen, und dabei unaufhörlich ihren Soldaten ermuthigend
zugerufen: "^Uons äone, mes enkants, avaneeö, avanoe?, verases ees elüens
noirs." Vou Gestalt war "mers KobmsÄr," klein und mager, dabei aber trotz
der Jahre, die sie schon zählte, ungemein rasch und kräftig in allen ihren
Bewegungen. Mit ihrem Weinfaß herum zu Hantiren, und ihren oft wider¬
spenstigen Esel in die Gabeldeichsel ihres zweiräderigen Karrens zu spannen,
verstand sie meisterhaft. Ans den Aermeln ihres grünen Rockes trug sie übrigens
viele goldne "CKsvrcms", die Zeichen ihrer langjährigen Dienstzeit.

Mit dem buntbewegten Leben dieser alten Marketenderin könnte ich Bände
füllen, wollte ich die Fahrten und Abenteuer aller Art ausplaudern, die sie mir
anvertraute, wenn ich auf den Märschen oft mehrere Stunden neben ihrem


geleistet. Denn nere Uodwoau war,eine gewichtige Person im ganzen Corps der
Masseurs a plecl, und ihr Ausspruch galt bei den Soldaten als unzweifelhaftes Orakel.
Mit strenger Hand führte sie ihr Scepter, und wehe dem Ungehorsamen, der
sich ihr zu widersetzen wagte. Selbst körperliche Züchtigungen wandte sie an,
was kein Officier jemals hätte wagen dürfen. Habe ich doch selbst gesehen,
wie sie einem stämmigen Artilleristen, der ohne ihre Erlaubniß sich einen halben
Litre Wein aus ihrem Weinfaß abzapfen wollte, obschon er den festen Preis
dafür auf das Faß gelegt hatte, in aller Geschwindigkeit ö-—6 so tüchtige Ohr¬
feigen mit ihren mageren knochichten Händen verabreichte, wie nur der geübteste
Schulmonarch dies zu thun vermochte. Der Bestrafte war im ersten Augen¬
blick über diesen Hagel von Schlägen ganz verblüfft, wollte aber dann mit einem
wilden „saers vieu,, maMits soreiöre", aus die Dame losstürzen. Sogleich
sprangen einige Dutzend Chasseurs, die bis dahin lachend der Execution zuge¬
sehen hatten, zum Schutze der „Al-ausi'Mörl" auf, und ein unwilliges >M üonel" —
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entgegeuscholl, belehrte den Wüthenden, daß es für ihn am besten sei, sich
stillschweigend zu entfernen. Ich glaube, das ganze Bataillon hätte sich lieber
in Stücken hauen lassen, als daß es gelitten, daß der ,,ArxmÄ'more" anch nur
das mindeste Leid zugefügt würde. Aber auch schon das Aeußere derselben mußte
auf den ersten Blick für sie einnehmen. Unter dem Glanzlederhut zeigten sich
kurze Seitenzöpfe von sehr grauer Farbe; das Gesicht war hager, von der Sonne
gebräunt, und von vielen Runzeln durchfurcht. Aber ein großer Zug von Gut¬
müthigkeit und von unversiegbarer Lustigkeit lag in diesem guten, alten Gesicht,
und besonders in den noch immer lebendigen Augen. Nächstdem galt sie für
höchst energisch und tapfer. Es ward von ihr erzählt, daß sie einst bei einem
frühern Aufenthalte in Algerien, als die Escorte eines Transportzuges schon
sehr hart von der Uebermacht der Kabylen bedrängt war, auf das Muthigste
mitgefochten, ja selbst nach dem Fallen des Ofstciers die Soldaten commandirt
habe. Auf ihrem kleinen Karren stehend, hat die Alte eifrig mit dem Karabiner
zwischen die Feinde geschossen, und dabei unaufhörlich ihren Soldaten ermuthigend
zugerufen: „^Uons äone, mes enkants, avaneeö, avanoe?, verases ees elüens
noirs." Vou Gestalt war „mers KobmsÄr," klein und mager, dabei aber trotz
der Jahre, die sie schon zählte, ungemein rasch und kräftig in allen ihren
Bewegungen. Mit ihrem Weinfaß herum zu Hantiren, und ihren oft wider¬
spenstigen Esel in die Gabeldeichsel ihres zweiräderigen Karrens zu spannen,
verstand sie meisterhaft. Ans den Aermeln ihres grünen Rockes trug sie übrigens
viele goldne „CKsvrcms", die Zeichen ihrer langjährigen Dienstzeit.

Mit dem buntbewegten Leben dieser alten Marketenderin könnte ich Bände
füllen, wollte ich die Fahrten und Abenteuer aller Art ausplaudern, die sie mir
anvertraute, wenn ich auf den Märschen oft mehrere Stunden neben ihrem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/305>, abgerufen am 28.09.2024.