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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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Sämmtliche Bräute Deutschlands könnten sich ihren Brautkranz ans den schönen
grünen Zweigen winden, die ich oft an einem Abend unbarmherzig den Flam¬
men opfern sah, eine magere Soldatensuppe damit zu kochen. Und daß wir in Afrika
waren, daran erinnerte uns auch etwas Anderes: das heisere Geheul der zahlreichen
Schakals und Hyänen, das oft aus weiter Ferne, dann wieder aus ziemlicher Nähe
ertönte. Bei Tage lassen sich diese feigen ekelhaften Thiere selten sehen, in der
Nacht schwärmen sie aber oft in großen Haufen umher, sich ihren Raub zu
suchen, und unterhalten sich durch ein heiseres Gewinsel, das dem Geheul von
Hunden, die tüchtig geprügelt werden, fast gleichkommt. Dazwischen ertönte:
" Sentwelle -- vrenex -- garne -- a -- vous", der langgedehnte Ruf der
Vedetten, die, ringsum postirt, unser Bivouac vor einem heimlichen nächtlichen
Ueberfall schützten, wie ihn die Kabylen gern unternehmen mögen. Bisweilen
hörte man auch das lautere "Halte -- 1a! -- gui -- vive?" womit ein Posten
die vielen Patrouillen, die unaufhörlich ausgesandt waren, stellt, und die Ant¬
wort: "?atroui11e clef eliasgeurs", worauf es wieder vom Posten ertönte: "von-
neic 1a parole", und bald darauf, wenn diese'richtig gegeben: "?assex."

An dem gastlichen Feuer des Commandanten war unterdeß Alles zum
Empfange unsrer weiblichen Gäste bereitet. Einige Reisigbündel mehr waren
zum Sitzen herangeschoben, und vom stets geschäftigen Pierre in einem eigenen
kleinen Feldkessel ein Punsch, doppelt so süß, aber nur halb so stark wie der
unsrige bereitet; das war Alles.

Bald darauf kamen auch die Vivcmdieres, der ehrenvollen Einladung des
Commandanten Folge leistend. Eine derselben, die bei der i. Compagnie thä¬
tig war, zeigte Nichts, was sie der besondern Aufmerksamkeit werth machte. We¬
der hübsch noch häßlich, weder jung noch alt, war sie an einen Hornisten ver-
heirathet, mit dem sie in glücklicher, vom frommen Priester eingesegneter Ehe
lebte. Ein für alle Mal will ich dieselbe hier übergehen, und mich zu ihren
drei Gefährtinnen wenden, die, jede in ihrer Art, die volle Beachtung verdienten.

Die Erste war allemal mere Kodineau, die auch heute Abend' an meiner
Seite saß. Vor zwei Jahren hatte sich in Grenoble, wo ich mir den Fuß bei
einer Gebirgspartie verstaucht, unsre nähere Bekanntschaft gemacht. Wie der
beste Chirurg hatte sie mich damals behandelt. Auch jetzt in Algerien war unser
Wiedersehen gegenseitig ein erfreutes gewesen, und ich durste mir schmeicheln, zu
ihren besonderen Günstlingen gerechnet zu werden, "/^d! mon ZranÄ /<11smanÄ,
1a nouvollo in'a kalt bien plaisir que vous etos en ^iFerie, par l'interöt,
quo,je vous porte. So^es le Kien venu", sagte sie mir in mütterlichem Tone,
als ich zuerst unweit Konstantine zu dem Bataillon kam, und dieses Wohlwollen
bewahrte sie mir mit rührender Beständigkeit während der drei Wochen, die ich bei den
Chasseurs verweilte. Die Protection von mers Kooinean war gar nicht unwichtig, und
hat auch mir, nächst der Freundschaft des Bataillons-Commandanten, den besten Dienst


Sämmtliche Bräute Deutschlands könnten sich ihren Brautkranz ans den schönen
grünen Zweigen winden, die ich oft an einem Abend unbarmherzig den Flam¬
men opfern sah, eine magere Soldatensuppe damit zu kochen. Und daß wir in Afrika
waren, daran erinnerte uns auch etwas Anderes: das heisere Geheul der zahlreichen
Schakals und Hyänen, das oft aus weiter Ferne, dann wieder aus ziemlicher Nähe
ertönte. Bei Tage lassen sich diese feigen ekelhaften Thiere selten sehen, in der
Nacht schwärmen sie aber oft in großen Haufen umher, sich ihren Raub zu
suchen, und unterhalten sich durch ein heiseres Gewinsel, das dem Geheul von
Hunden, die tüchtig geprügelt werden, fast gleichkommt. Dazwischen ertönte:
„ Sentwelle — vrenex — garne — a — vous", der langgedehnte Ruf der
Vedetten, die, ringsum postirt, unser Bivouac vor einem heimlichen nächtlichen
Ueberfall schützten, wie ihn die Kabylen gern unternehmen mögen. Bisweilen
hörte man auch das lautere „Halte — 1a! — gui — vive?" womit ein Posten
die vielen Patrouillen, die unaufhörlich ausgesandt waren, stellt, und die Ant¬
wort: „?atroui11e clef eliasgeurs", worauf es wieder vom Posten ertönte: „von-
neic 1a parole", und bald darauf, wenn diese'richtig gegeben: „?assex."

An dem gastlichen Feuer des Commandanten war unterdeß Alles zum
Empfange unsrer weiblichen Gäste bereitet. Einige Reisigbündel mehr waren
zum Sitzen herangeschoben, und vom stets geschäftigen Pierre in einem eigenen
kleinen Feldkessel ein Punsch, doppelt so süß, aber nur halb so stark wie der
unsrige bereitet; das war Alles.

Bald darauf kamen auch die Vivcmdieres, der ehrenvollen Einladung des
Commandanten Folge leistend. Eine derselben, die bei der i. Compagnie thä¬
tig war, zeigte Nichts, was sie der besondern Aufmerksamkeit werth machte. We¬
der hübsch noch häßlich, weder jung noch alt, war sie an einen Hornisten ver-
heirathet, mit dem sie in glücklicher, vom frommen Priester eingesegneter Ehe
lebte. Ein für alle Mal will ich dieselbe hier übergehen, und mich zu ihren
drei Gefährtinnen wenden, die, jede in ihrer Art, die volle Beachtung verdienten.

Die Erste war allemal mere Kodineau, die auch heute Abend' an meiner
Seite saß. Vor zwei Jahren hatte sich in Grenoble, wo ich mir den Fuß bei
einer Gebirgspartie verstaucht, unsre nähere Bekanntschaft gemacht. Wie der
beste Chirurg hatte sie mich damals behandelt. Auch jetzt in Algerien war unser
Wiedersehen gegenseitig ein erfreutes gewesen, und ich durste mir schmeicheln, zu
ihren besonderen Günstlingen gerechnet zu werden, „/^d! mon ZranÄ /<11smanÄ,
1a nouvollo in'a kalt bien plaisir que vous etos en ^iFerie, par l'interöt,
quo,je vous porte. So^es le Kien venu", sagte sie mir in mütterlichem Tone,
als ich zuerst unweit Konstantine zu dem Bataillon kam, und dieses Wohlwollen
bewahrte sie mir mit rührender Beständigkeit während der drei Wochen, die ich bei den
Chasseurs verweilte. Die Protection von mers Kooinean war gar nicht unwichtig, und
hat auch mir, nächst der Freundschaft des Bataillons-Commandanten, den besten Dienst


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[0304] Sämmtliche Bräute Deutschlands könnten sich ihren Brautkranz ans den schönen grünen Zweigen winden, die ich oft an einem Abend unbarmherzig den Flam¬ men opfern sah, eine magere Soldatensuppe damit zu kochen. Und daß wir in Afrika waren, daran erinnerte uns auch etwas Anderes: das heisere Geheul der zahlreichen Schakals und Hyänen, das oft aus weiter Ferne, dann wieder aus ziemlicher Nähe ertönte. Bei Tage lassen sich diese feigen ekelhaften Thiere selten sehen, in der Nacht schwärmen sie aber oft in großen Haufen umher, sich ihren Raub zu suchen, und unterhalten sich durch ein heiseres Gewinsel, das dem Geheul von Hunden, die tüchtig geprügelt werden, fast gleichkommt. Dazwischen ertönte: „ Sentwelle — vrenex — garne — a — vous", der langgedehnte Ruf der Vedetten, die, ringsum postirt, unser Bivouac vor einem heimlichen nächtlichen Ueberfall schützten, wie ihn die Kabylen gern unternehmen mögen. Bisweilen hörte man auch das lautere „Halte — 1a! — gui — vive?" womit ein Posten die vielen Patrouillen, die unaufhörlich ausgesandt waren, stellt, und die Ant¬ wort: „?atroui11e clef eliasgeurs", worauf es wieder vom Posten ertönte: „von- neic 1a parole", und bald darauf, wenn diese'richtig gegeben: „?assex." An dem gastlichen Feuer des Commandanten war unterdeß Alles zum Empfange unsrer weiblichen Gäste bereitet. Einige Reisigbündel mehr waren zum Sitzen herangeschoben, und vom stets geschäftigen Pierre in einem eigenen kleinen Feldkessel ein Punsch, doppelt so süß, aber nur halb so stark wie der unsrige bereitet; das war Alles. Bald darauf kamen auch die Vivcmdieres, der ehrenvollen Einladung des Commandanten Folge leistend. Eine derselben, die bei der i. Compagnie thä¬ tig war, zeigte Nichts, was sie der besondern Aufmerksamkeit werth machte. We¬ der hübsch noch häßlich, weder jung noch alt, war sie an einen Hornisten ver- heirathet, mit dem sie in glücklicher, vom frommen Priester eingesegneter Ehe lebte. Ein für alle Mal will ich dieselbe hier übergehen, und mich zu ihren drei Gefährtinnen wenden, die, jede in ihrer Art, die volle Beachtung verdienten. Die Erste war allemal mere Kodineau, die auch heute Abend' an meiner Seite saß. Vor zwei Jahren hatte sich in Grenoble, wo ich mir den Fuß bei einer Gebirgspartie verstaucht, unsre nähere Bekanntschaft gemacht. Wie der beste Chirurg hatte sie mich damals behandelt. Auch jetzt in Algerien war unser Wiedersehen gegenseitig ein erfreutes gewesen, und ich durste mir schmeicheln, zu ihren besonderen Günstlingen gerechnet zu werden, „/^d! mon ZranÄ /<11smanÄ, 1a nouvollo in'a kalt bien plaisir que vous etos en ^iFerie, par l'interöt, quo,je vous porte. So^es le Kien venu", sagte sie mir in mütterlichem Tone, als ich zuerst unweit Konstantine zu dem Bataillon kam, und dieses Wohlwollen bewahrte sie mir mit rührender Beständigkeit während der drei Wochen, die ich bei den Chasseurs verweilte. Die Protection von mers Kooinean war gar nicht unwichtig, und hat auch mir, nächst der Freundschaft des Bataillons-Commandanten, den besten Dienst

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/304>, abgerufen am 26.06.2024.