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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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wird man gefesselt. An den Wänden hängen mehrere Aquarelle von Henriette
Felicitas Tassaert, der Tochter des Bildhauers gleichen Namens, der in der Mo¬
numenten-Geschichte Berlins seine Stelle einnimmt. Die Bildnisse Friedrich
Wilhelms des III. als Kronprinz und seiner schönen Gemahlin Luise hängen in
der Mitte der einen Langwand. Was aber für mich eine besondere Anziehungs¬
kraft besaß, war ein Aquarellgemälde der Tassaert, das mir noch, ohne einen
sichern Platz gefunden zu haben, im Vvrgcmach gezeigt wurde. Es stellt eine
junge Frau dar in der Mutterfreude an dem Säugling, den sie eben an die
nährende Brust gelegt. Das Bild athmet einen stillen Frieden des Glücks, die
hübsche Fran ist so einfach und natürlich aufgefaßt, das bescheidene und doch
freundlich nette Kattunkleid gleich dem Geschirr aus dem Tische und der übrigen
Staffage so schlicht und wahrheitsgetreu ausgeführt, daß man mit seinem Gefühl
ganz in diesen heimlichen Kreis gezogen wird.

Durch einen kleinen Nebenraum gelangen wir in den zweiten, in gedämpftem
Grün gehaltenen Saal. Hier fesselt gleich zuerst der reiche malerische Schmuck
der Decke den Blick. In der Mitte derselben schweben aus dem azurblauen
Grunde eines großen Kreisrundes sechs Genien, Schützer der Kunst, welche ein
weites Lorbeergehänge tragen und die vier Meister in den umgebenden Medaillons
damit schmücken wollen. Grau in grau gemalt, mit hübscher Imitation des
Kupferdrucks hell ausgeführter Blätter, sehen wir in diesen Medaillons die
Köpfe der vorzugsweise so genannten peintres-Zraveurg - Lukas (Damesz) van
Leyden, geb. 1494 zu Leyden, geht. 1533; Haus Holbein, geb. 1498 zu
Augsburg, geht. 15S4zu London; Anton van Dyk, geb. 1L99 zu Antwerpen,
geht. 1641 zu London; Paul Rembrandt, geb. 1606 zu Leyden, geht. 1668
zu Amsterdam. Zu beiden Seiten des runden Mittelstücks sind zwei länglich
viereckige Felder angebracht, welche malerische Darstellungen der Zeichenkunst und
der Kupferstecherkunst enthalten. Jene wird durch den jungen Hirten vertreten,
welcher in süßer Begeisterung der Liebe das Bildniß der Geliebten nach den
Contouren ihres Schattens auf die Fläche eines Felsen zeichnet. Die Kupfer¬
stecherkunst zeigt sich uns in allegorischer Gestalt als jungfräuliche Muse, den
Lorbeerkranz um's Haupt, wie sie kunsteifrigen Knaben Anleitung ertheilt. Einen
derselben unterweise sie an der Kupferplatte; zwei andere sind an der Presse,
und wieder zwei am Farbetisch beschäftigt. Ich muß gestehen, daß mir diese
vornehme Allegorie als Gegenstück zu jenem anmuthigen ^Jdyll der Liebe gar nicht
behagte, obgleich sie technisch nicht minder gut ausgeführt wurde. Poelisch ge¬
dachte Arabesken umgeben in sauberer und geschmackvoller Zeichnung die Ge¬
mälde und Medaillons.

Die pultartigen Schränke dieses Saales sind so eingerichtet, daß sie zugleich
für die Vorlage von Kunstblättern dienen können, und dürften dem genauern
Studium der Künstler passenden Raum gewähren. Oelgemälde, Oelskizzen,


wird man gefesselt. An den Wänden hängen mehrere Aquarelle von Henriette
Felicitas Tassaert, der Tochter des Bildhauers gleichen Namens, der in der Mo¬
numenten-Geschichte Berlins seine Stelle einnimmt. Die Bildnisse Friedrich
Wilhelms des III. als Kronprinz und seiner schönen Gemahlin Luise hängen in
der Mitte der einen Langwand. Was aber für mich eine besondere Anziehungs¬
kraft besaß, war ein Aquarellgemälde der Tassaert, das mir noch, ohne einen
sichern Platz gefunden zu haben, im Vvrgcmach gezeigt wurde. Es stellt eine
junge Frau dar in der Mutterfreude an dem Säugling, den sie eben an die
nährende Brust gelegt. Das Bild athmet einen stillen Frieden des Glücks, die
hübsche Fran ist so einfach und natürlich aufgefaßt, das bescheidene und doch
freundlich nette Kattunkleid gleich dem Geschirr aus dem Tische und der übrigen
Staffage so schlicht und wahrheitsgetreu ausgeführt, daß man mit seinem Gefühl
ganz in diesen heimlichen Kreis gezogen wird.

Durch einen kleinen Nebenraum gelangen wir in den zweiten, in gedämpftem
Grün gehaltenen Saal. Hier fesselt gleich zuerst der reiche malerische Schmuck
der Decke den Blick. In der Mitte derselben schweben aus dem azurblauen
Grunde eines großen Kreisrundes sechs Genien, Schützer der Kunst, welche ein
weites Lorbeergehänge tragen und die vier Meister in den umgebenden Medaillons
damit schmücken wollen. Grau in grau gemalt, mit hübscher Imitation des
Kupferdrucks hell ausgeführter Blätter, sehen wir in diesen Medaillons die
Köpfe der vorzugsweise so genannten peintres-Zraveurg - Lukas (Damesz) van
Leyden, geb. 1494 zu Leyden, geht. 1533; Haus Holbein, geb. 1498 zu
Augsburg, geht. 15S4zu London; Anton van Dyk, geb. 1L99 zu Antwerpen,
geht. 1641 zu London; Paul Rembrandt, geb. 1606 zu Leyden, geht. 1668
zu Amsterdam. Zu beiden Seiten des runden Mittelstücks sind zwei länglich
viereckige Felder angebracht, welche malerische Darstellungen der Zeichenkunst und
der Kupferstecherkunst enthalten. Jene wird durch den jungen Hirten vertreten,
welcher in süßer Begeisterung der Liebe das Bildniß der Geliebten nach den
Contouren ihres Schattens auf die Fläche eines Felsen zeichnet. Die Kupfer¬
stecherkunst zeigt sich uns in allegorischer Gestalt als jungfräuliche Muse, den
Lorbeerkranz um's Haupt, wie sie kunsteifrigen Knaben Anleitung ertheilt. Einen
derselben unterweise sie an der Kupferplatte; zwei andere sind an der Presse,
und wieder zwei am Farbetisch beschäftigt. Ich muß gestehen, daß mir diese
vornehme Allegorie als Gegenstück zu jenem anmuthigen ^Jdyll der Liebe gar nicht
behagte, obgleich sie technisch nicht minder gut ausgeführt wurde. Poelisch ge¬
dachte Arabesken umgeben in sauberer und geschmackvoller Zeichnung die Ge¬
mälde und Medaillons.

Die pultartigen Schränke dieses Saales sind so eingerichtet, daß sie zugleich
für die Vorlage von Kunstblättern dienen können, und dürften dem genauern
Studium der Künstler passenden Raum gewähren. Oelgemälde, Oelskizzen,


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[0297] wird man gefesselt. An den Wänden hängen mehrere Aquarelle von Henriette Felicitas Tassaert, der Tochter des Bildhauers gleichen Namens, der in der Mo¬ numenten-Geschichte Berlins seine Stelle einnimmt. Die Bildnisse Friedrich Wilhelms des III. als Kronprinz und seiner schönen Gemahlin Luise hängen in der Mitte der einen Langwand. Was aber für mich eine besondere Anziehungs¬ kraft besaß, war ein Aquarellgemälde der Tassaert, das mir noch, ohne einen sichern Platz gefunden zu haben, im Vvrgcmach gezeigt wurde. Es stellt eine junge Frau dar in der Mutterfreude an dem Säugling, den sie eben an die nährende Brust gelegt. Das Bild athmet einen stillen Frieden des Glücks, die hübsche Fran ist so einfach und natürlich aufgefaßt, das bescheidene und doch freundlich nette Kattunkleid gleich dem Geschirr aus dem Tische und der übrigen Staffage so schlicht und wahrheitsgetreu ausgeführt, daß man mit seinem Gefühl ganz in diesen heimlichen Kreis gezogen wird. Durch einen kleinen Nebenraum gelangen wir in den zweiten, in gedämpftem Grün gehaltenen Saal. Hier fesselt gleich zuerst der reiche malerische Schmuck der Decke den Blick. In der Mitte derselben schweben aus dem azurblauen Grunde eines großen Kreisrundes sechs Genien, Schützer der Kunst, welche ein weites Lorbeergehänge tragen und die vier Meister in den umgebenden Medaillons damit schmücken wollen. Grau in grau gemalt, mit hübscher Imitation des Kupferdrucks hell ausgeführter Blätter, sehen wir in diesen Medaillons die Köpfe der vorzugsweise so genannten peintres-Zraveurg - Lukas (Damesz) van Leyden, geb. 1494 zu Leyden, geht. 1533; Haus Holbein, geb. 1498 zu Augsburg, geht. 15S4zu London; Anton van Dyk, geb. 1L99 zu Antwerpen, geht. 1641 zu London; Paul Rembrandt, geb. 1606 zu Leyden, geht. 1668 zu Amsterdam. Zu beiden Seiten des runden Mittelstücks sind zwei länglich viereckige Felder angebracht, welche malerische Darstellungen der Zeichenkunst und der Kupferstecherkunst enthalten. Jene wird durch den jungen Hirten vertreten, welcher in süßer Begeisterung der Liebe das Bildniß der Geliebten nach den Contouren ihres Schattens auf die Fläche eines Felsen zeichnet. Die Kupfer¬ stecherkunst zeigt sich uns in allegorischer Gestalt als jungfräuliche Muse, den Lorbeerkranz um's Haupt, wie sie kunsteifrigen Knaben Anleitung ertheilt. Einen derselben unterweise sie an der Kupferplatte; zwei andere sind an der Presse, und wieder zwei am Farbetisch beschäftigt. Ich muß gestehen, daß mir diese vornehme Allegorie als Gegenstück zu jenem anmuthigen ^Jdyll der Liebe gar nicht behagte, obgleich sie technisch nicht minder gut ausgeführt wurde. Poelisch ge¬ dachte Arabesken umgeben in sauberer und geschmackvoller Zeichnung die Ge¬ mälde und Medaillons. Die pultartigen Schränke dieses Saales sind so eingerichtet, daß sie zugleich für die Vorlage von Kunstblättern dienen können, und dürften dem genauern Studium der Künstler passenden Raum gewähren. Oelgemälde, Oelskizzen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/297>, abgerufen am 22.07.2024.