Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.die nächste Zeit wenigstens, wie Sie sehen, Nichts weniger als glänzend; das Schicksal Wie es aber auch mit der Zukunft unsrer Kammern stehen mag, einstweilen können Schließlich erlaube ich mir noch, Ihre Leser auf eine im Verlage von Veit u. Comp. 23"
die nächste Zeit wenigstens, wie Sie sehen, Nichts weniger als glänzend; das Schicksal Wie es aber auch mit der Zukunft unsrer Kammern stehen mag, einstweilen können Schließlich erlaube ich mir noch, Ihre Leser auf eine im Verlage von Veit u. Comp. 23"
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0205" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/93570"/> <p xml:id="ID_569" prev="#ID_568"> die nächste Zeit wenigstens, wie Sie sehen, Nichts weniger als glänzend; das Schicksal<lb/> des Claessen'sehen Antrags, bei dem sich die Linke vielleicht noch in der verhältnißmäßig<lb/> günstigsten Position befand, ist allem Anschein nach das Prototyp für das Schicksal aller<lb/> ähnlichen Anträge. Ans der andern Seite zeigt die Kreuzzeitung seit einiger Zeit eine<lb/> Zärtlichkeit für die Kammern, die sehr interessant ist. Sie macht ihnen gewisse Compli-<lb/> mente auf Kosten der Bureaukratie, warnt vor dem weitverbreiteten Irrthum, daß mit ihrer<lb/> Beseitigung das goldene vormärzliche Zeitalter wiederkehren werde, und was dergleichen<lb/> mehr ist. Die Kammern erscheinen jetzt auch ihr als die beste, unter den gegenwärtigen<lb/> Umständen mögliche Landesvertretung. Außerdem freilich würden die Koryphäen jener<lb/> Partei durch gänzliche Beseitigung des parlamentarischen Wesens, dem sie ja ihre ganze<lb/> politische Bedeutung u. s. w. verdanken, wieder in den Hintergrund gedrängt werden,<lb/> und es ist nicht gut anzunehmen, daß es z. B. Herrn Stahl genehm sein würde, sein<lb/> parlamentarisches Licht wieder unter den altbureaukratischcn Scheffel gestellt zu sehen,<lb/> oder daß die aufstrebenden Talente der Partei nicht den Ehrgeiz fühlen sollten, sich nach dem<lb/> Beispiele der Herren von Kleist- Netzow und Bismark-Schönhausen durch parlamentarische<lb/> Verdienste eine comfortable Stellung in der sonst verhaßten bureaukratischen Hierarchie<lb/> zu erobern, auf der man es zur Noth bis zum Anbruche des ständischen Millenniums<lb/> aushalten kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_570"> Wie es aber auch mit der Zukunft unsrer Kammern stehen mag, einstweilen können<lb/> wir doch darauf stolz sein, daß wir noch immer die freisten Zustände unter allen Gro߬<lb/> mächten des Centrums haben; nur muß ich für meine Person freilich gestehen, daß es<lb/> mir bei dem Gedanken mitunter eiskalt über den Rücken läuft, wie dem tapfern Lieute¬<lb/> nant Chaumigrem in der Zschokke'schen Erzählung (Kriegerische Abenteuer eines Friedfer¬<lb/> tigen), wie er hört, daß er bereits dem Kaiser Napoleon im Rücken operirt. Der<lb/> Himmel gebe seinen Segen dazu, daß unsre Operationen im Rucken anderer Leute, an<lb/> denen wir gewiß eben so unschuldig sind, wie Chanmigrem an den seinigen, etwas<lb/> besser ausfallen!</p><lb/> <p xml:id="ID_571"> Schließlich erlaube ich mir noch, Ihre Leser auf eine im Verlage von Veit u. Comp.<lb/> erschienene Brochure: „Anmerkungen zur neuesten Literatur der Reaction" aufmerksam zu<lb/> machen. Sie greift aus der großen Schaar der in der neuesten Zeit wie Pilze aufge¬<lb/> schossenen reactionairen Scribcntenschaar 2 charakteristische Specimina heraus, den anticonsti-<lb/> tutionelleu Doctrinair in der Person des Hrn. Zimmermann aus Hannover, der die consti-<lb/> tutionelle Regierungsform nur für England und nur aus ganz exceptionellen Gründen statuirt,<lb/> und den politischen Nihilisten im Dienste der Gewalt in dem Verfasser der aus dem<lb/> Französischen übersetzten Schrift: „Die Revision der Verfassung", die in der That der<lb/> Wahrheit unverschämt genug ins Gesicht schlägt, um von dem bekannten Graner de<lb/> Cassagnac herrühren zu können, und die in dem anonymen Verfasser des deutschen<lb/> Vorwortes einen Verehrer gefunden hat, der die darin gepredigten Grundsätze den<lb/> preußischen Verhältnissen anzupassen bemüht ist. Die „Anmerkungen" beleuchten in sehr<lb/> klarer und treffender Weise die logische und historische Confusion der ersten und die<lb/> schamlose Sophistik der zweiten Schrift, nebst ihrem Vorwort; das ganze Schriftchen<lb/> zeichnet sich durch eine energische, präcise und positive Darstellung aus, und verdient<lb/> alle Empfehlung.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 23"</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0205]
die nächste Zeit wenigstens, wie Sie sehen, Nichts weniger als glänzend; das Schicksal
des Claessen'sehen Antrags, bei dem sich die Linke vielleicht noch in der verhältnißmäßig
günstigsten Position befand, ist allem Anschein nach das Prototyp für das Schicksal aller
ähnlichen Anträge. Ans der andern Seite zeigt die Kreuzzeitung seit einiger Zeit eine
Zärtlichkeit für die Kammern, die sehr interessant ist. Sie macht ihnen gewisse Compli-
mente auf Kosten der Bureaukratie, warnt vor dem weitverbreiteten Irrthum, daß mit ihrer
Beseitigung das goldene vormärzliche Zeitalter wiederkehren werde, und was dergleichen
mehr ist. Die Kammern erscheinen jetzt auch ihr als die beste, unter den gegenwärtigen
Umständen mögliche Landesvertretung. Außerdem freilich würden die Koryphäen jener
Partei durch gänzliche Beseitigung des parlamentarischen Wesens, dem sie ja ihre ganze
politische Bedeutung u. s. w. verdanken, wieder in den Hintergrund gedrängt werden,
und es ist nicht gut anzunehmen, daß es z. B. Herrn Stahl genehm sein würde, sein
parlamentarisches Licht wieder unter den altbureaukratischcn Scheffel gestellt zu sehen,
oder daß die aufstrebenden Talente der Partei nicht den Ehrgeiz fühlen sollten, sich nach dem
Beispiele der Herren von Kleist- Netzow und Bismark-Schönhausen durch parlamentarische
Verdienste eine comfortable Stellung in der sonst verhaßten bureaukratischen Hierarchie
zu erobern, auf der man es zur Noth bis zum Anbruche des ständischen Millenniums
aushalten kann.
Wie es aber auch mit der Zukunft unsrer Kammern stehen mag, einstweilen können
wir doch darauf stolz sein, daß wir noch immer die freisten Zustände unter allen Gro߬
mächten des Centrums haben; nur muß ich für meine Person freilich gestehen, daß es
mir bei dem Gedanken mitunter eiskalt über den Rücken läuft, wie dem tapfern Lieute¬
nant Chaumigrem in der Zschokke'schen Erzählung (Kriegerische Abenteuer eines Friedfer¬
tigen), wie er hört, daß er bereits dem Kaiser Napoleon im Rücken operirt. Der
Himmel gebe seinen Segen dazu, daß unsre Operationen im Rucken anderer Leute, an
denen wir gewiß eben so unschuldig sind, wie Chanmigrem an den seinigen, etwas
besser ausfallen!
Schließlich erlaube ich mir noch, Ihre Leser auf eine im Verlage von Veit u. Comp.
erschienene Brochure: „Anmerkungen zur neuesten Literatur der Reaction" aufmerksam zu
machen. Sie greift aus der großen Schaar der in der neuesten Zeit wie Pilze aufge¬
schossenen reactionairen Scribcntenschaar 2 charakteristische Specimina heraus, den anticonsti-
tutionelleu Doctrinair in der Person des Hrn. Zimmermann aus Hannover, der die consti-
tutionelle Regierungsform nur für England und nur aus ganz exceptionellen Gründen statuirt,
und den politischen Nihilisten im Dienste der Gewalt in dem Verfasser der aus dem
Französischen übersetzten Schrift: „Die Revision der Verfassung", die in der That der
Wahrheit unverschämt genug ins Gesicht schlägt, um von dem bekannten Graner de
Cassagnac herrühren zu können, und die in dem anonymen Verfasser des deutschen
Vorwortes einen Verehrer gefunden hat, der die darin gepredigten Grundsätze den
preußischen Verhältnissen anzupassen bemüht ist. Die „Anmerkungen" beleuchten in sehr
klarer und treffender Weise die logische und historische Confusion der ersten und die
schamlose Sophistik der zweiten Schrift, nebst ihrem Vorwort; das ganze Schriftchen
zeichnet sich durch eine energische, präcise und positive Darstellung aus, und verdient
alle Empfehlung.
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