Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.auf Seite Kossuth's. Selbst von dem in Mainz stehenden böhmischen Regi- auf Seite Kossuth's. Selbst von dem in Mainz stehenden böhmischen Regi- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0094" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/91831"/> <p xml:id="ID_232" prev="#ID_231"> auf Seite Kossuth's. Selbst von dem in Mainz stehenden böhmischen Regi-<lb/> mente Rainer nahmen 12 — 14 Officiere, geborene Italiener, sogleich ihren Ab¬<lb/> schied, größtentheils um in sardinischen Dienst gegen Oestreich zu kämpfen. —<lb/> Von den 12 ungarischen Hnsarenregimentern, dein Stolz des kaiserlichen Heeres,<lb/> fochten 9, die Regimenter No. 1, 2, 3, 4, 6, 8, 9, 10 und 11, auf Seite<lb/> ihres Vaterlandes gegen Habsburgs Fahnen, von dem Regiment No. 12, den<lb/> sogenannten Palatinat-Husaren, das grade in Böhmen stand, versuchten die Husaren<lb/> theils mit, theils ohne Erfolg einzeln oder in ganzen Escadrons zu den Ver¬<lb/> theidigern ihres Ungarns überzugehen, so daß man das ganze Regiment als<lb/> aufgelöst betrachten konnte. Nur die beiden Hnsarenregimenter No. 5 und 7,<lb/> die in Italien standen, blieben ihren Fahnen tren, theils weil es ihnen unmöglich<lb/> war, sich zu den Ihrigen durchzuschlagen, theils weil sie wahre und innige<lb/> Verehrung für den Marschall Radetzky, den mit Recht im Heere hochverehrten<lb/> Greis, fühlten, aber sehr zahlreiche Desertionen zu den Sardiniern schwachem ihre<lb/> Glieder. Von den 15 ungarischen Infanterieregimenten!, zusammen 45 Bataillonen,<lb/> entschieden von den besten, die Oestreich besaß, fochten 3-4 auf Seite ihres<lb/> Vaterlandes, und nnr der Nest kämpfte in Italien oder ward in östreichischen<lb/> Festungen bewacht. Ebenso waren von den Greuzregimentern die beiden<lb/> Szekler ganz und die Banater Regimenter theilweise bei den Magyaren. —<lb/> Auch die östreichische Marine kämpfte zum großen Theil gegen das Hans Oest¬<lb/> reich, und bei dem Wiener Octoberaufstaud gingen sogar einige Hundert deutsche<lb/> Grenadiere zum Volke über, und eine ganze Wache derselben sah ruhig zu, wie<lb/> ihr eigner Kriegsminister Graf Latour vom Pöbel auf. die niederträchtigste Weise<lb/> ermordet wurde, ohne daß sie auch uur den mindesten Versuch gemacht hätten, den¬<lb/> selben zu schützen. — Und sieht man die ganze Tragödie der inneren Kriege<lb/> unbefangen an, so hat nicht das Heer dem Kaiserhause seine Krone gerettet, denn<lb/> fast ein Drittheil desselben sonst mit äußerster Kraft gegen die Krone, sondern<lb/> die klug benutzte Eifersucht der verschiedenen Volksstämme, der aufgestachelte Haß<lb/> der Slaven gegen das deutsche und ungarische Element, serner die Uneinigkeit der<lb/> feindlichen Führer und endlich die Liebe des Czaaren von Nußland, der 160,000<lb/> seiner Bajonette zur Hülfe sandte. Man vergleiche damit die Haltung des<lb/> preußischen Heeres, das seiner ganzen innern Organisation nach durch und durch<lb/> volksthümlich ist. Es sind nicht hundert preußische Soldaten) in den Jahren<lb/> 1848 und 1849 ihren Fahnen untren geworden, kein einziger noch so kleiner<lb/> Truppentheil hat gegen den Bestand der preußischen Monarchie gekämpft. Eine<lb/> ungeheure Lehre für die Zukunft, die man leider jetzt nicht mehr für nöthig hält.<lb/> Freilich hat die jetzige Nachgiebigkeit der preußischen Krone dem preußischen<lb/> Volke und somit auch seinem Heere Ehre, ja Bestand und Lebensfähigkeit viel<lb/> empfindlicher angegriffen, als alle Wühlereien des Märzes 1848 vermocht<lb/> haben.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0094]
auf Seite Kossuth's. Selbst von dem in Mainz stehenden böhmischen Regi-
mente Rainer nahmen 12 — 14 Officiere, geborene Italiener, sogleich ihren Ab¬
schied, größtentheils um in sardinischen Dienst gegen Oestreich zu kämpfen. —
Von den 12 ungarischen Hnsarenregimentern, dein Stolz des kaiserlichen Heeres,
fochten 9, die Regimenter No. 1, 2, 3, 4, 6, 8, 9, 10 und 11, auf Seite
ihres Vaterlandes gegen Habsburgs Fahnen, von dem Regiment No. 12, den
sogenannten Palatinat-Husaren, das grade in Böhmen stand, versuchten die Husaren
theils mit, theils ohne Erfolg einzeln oder in ganzen Escadrons zu den Ver¬
theidigern ihres Ungarns überzugehen, so daß man das ganze Regiment als
aufgelöst betrachten konnte. Nur die beiden Hnsarenregimenter No. 5 und 7,
die in Italien standen, blieben ihren Fahnen tren, theils weil es ihnen unmöglich
war, sich zu den Ihrigen durchzuschlagen, theils weil sie wahre und innige
Verehrung für den Marschall Radetzky, den mit Recht im Heere hochverehrten
Greis, fühlten, aber sehr zahlreiche Desertionen zu den Sardiniern schwachem ihre
Glieder. Von den 15 ungarischen Infanterieregimenten!, zusammen 45 Bataillonen,
entschieden von den besten, die Oestreich besaß, fochten 3-4 auf Seite ihres
Vaterlandes, und nnr der Nest kämpfte in Italien oder ward in östreichischen
Festungen bewacht. Ebenso waren von den Greuzregimentern die beiden
Szekler ganz und die Banater Regimenter theilweise bei den Magyaren. —
Auch die östreichische Marine kämpfte zum großen Theil gegen das Hans Oest¬
reich, und bei dem Wiener Octoberaufstaud gingen sogar einige Hundert deutsche
Grenadiere zum Volke über, und eine ganze Wache derselben sah ruhig zu, wie
ihr eigner Kriegsminister Graf Latour vom Pöbel auf. die niederträchtigste Weise
ermordet wurde, ohne daß sie auch uur den mindesten Versuch gemacht hätten, den¬
selben zu schützen. — Und sieht man die ganze Tragödie der inneren Kriege
unbefangen an, so hat nicht das Heer dem Kaiserhause seine Krone gerettet, denn
fast ein Drittheil desselben sonst mit äußerster Kraft gegen die Krone, sondern
die klug benutzte Eifersucht der verschiedenen Volksstämme, der aufgestachelte Haß
der Slaven gegen das deutsche und ungarische Element, serner die Uneinigkeit der
feindlichen Führer und endlich die Liebe des Czaaren von Nußland, der 160,000
seiner Bajonette zur Hülfe sandte. Man vergleiche damit die Haltung des
preußischen Heeres, das seiner ganzen innern Organisation nach durch und durch
volksthümlich ist. Es sind nicht hundert preußische Soldaten) in den Jahren
1848 und 1849 ihren Fahnen untren geworden, kein einziger noch so kleiner
Truppentheil hat gegen den Bestand der preußischen Monarchie gekämpft. Eine
ungeheure Lehre für die Zukunft, die man leider jetzt nicht mehr für nöthig hält.
Freilich hat die jetzige Nachgiebigkeit der preußischen Krone dem preußischen
Volke und somit auch seinem Heere Ehre, ja Bestand und Lebensfähigkeit viel
empfindlicher angegriffen, als alle Wühlereien des Märzes 1848 vermocht
haben.
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