Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.an, welchen Werth das Besondere, das man vertritt, im Verhältniß zu dem Allgemeinen Auch unsern Gegnern müssen wir so lange das Recht einräumen, Particularisten Aber bei Hrn. v. d. Pfordten ist der Fall ein anderer. Ich kann mir einen säch¬ ES ist dabei noch ein anderer Umstand zu bedenken. Eine Partei wird nicht durch an, welchen Werth das Besondere, das man vertritt, im Verhältniß zu dem Allgemeinen Auch unsern Gegnern müssen wir so lange das Recht einräumen, Particularisten Aber bei Hrn. v. d. Pfordten ist der Fall ein anderer. Ich kann mir einen säch¬ ES ist dabei noch ein anderer Umstand zu bedenken. Eine Partei wird nicht durch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0049" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/91786"/> <p xml:id="ID_97" prev="#ID_96"> an, welchen Werth das Besondere, das man vertritt, im Verhältniß zu dem Allgemeinen<lb/> hat, gegen das man sich sträubt. Gegen die Großdeutschen, welche um der abstracten<lb/> Idee des einigen Deutschlands willen die widersprechendsten staatlichen Elemente in einen<lb/> Topf werfen wollen, unbekümmert, was daraus hervorgehen sollte, — und bis zum<lb/> October 18-48 war das ganze Parlament großdeutjch, das möge man nicht<lb/> vergessen — haben wir sehr entschieden die Fahne des preußischen, norddeutschen, pro¬<lb/> testantischen Particularismus aufgesteckt; und, sobald der neue heilige Bundestag zu Stande<lb/> gekommen sein wird, werden wir wiederum ganz determinirte Particula-<lb/> risten werden, Welsen gegen die modernen Ghibellinen, und die ganze liberale Partei<lb/> wird uns darin folgen.</p><lb/> <p xml:id="ID_98"> Auch unsern Gegnern müssen wir so lange das Recht einräumen, Particularisten<lb/> zu sein, als in ihrem Particularismus ein positives, sittliches Moment liegt, und als<lb/> das Allgemeine, dem sie sich unterordnen sollen, eine unklare und unbestimmte Form be¬<lb/> hält. Ich habe mich z. B. nie entschließen können, dem Verdammungsurtheil beizutreten,<lb/> welches unsere Partei gegen Stüve gefällt hat, obgleich ich nicht leugne, daß Stüve<lb/> unser gefährlichster Feind gewesen ist. Aber wenn eine.Regierung sich sagen kann, daß<lb/> es ihr gelungen ist, in dem eignen Lande einen leidlich geordneten und verständigen<lb/> Zustand zu erhalten, während all ihre Nachbarn sich wie besessen geberden, wenn ihr<lb/> noch dazu als Träger der deutschen Partei ein Ministerium Manteuffel entgegentritt, von<lb/> dem Keiner weiß, was seine eigentliche Gesinnung, sein eigentlicher Plan ist, so wird<lb/> man es, ich will nicht sagen gerechtfertigt, aber begreiflich finden, wenn sie sich nicht<lb/> eben beeilt, ein Verhältniß, das sie vollkommen übersieht, gegen ein anderes aufzugeben,<lb/> bei dem sie sich wenigstens vorläufig nichts Bestimmtes denken kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_99"> Aber bei Hrn. v. d. Pfordten ist der Fall ein anderer. Ich kann mir einen säch¬<lb/> sischen, ich kann mir einen bairischen Patriotismus denken, der sich gegen die deutsche<lb/> Einheit sträubt, sobald diese ans dem Gebiet der Redensarten in das Gebiet der That¬<lb/> sachen übergeht; aber einen sächsisch-bairischen Patriotismus kann ich mir nicht denken.<lb/> Als sächsischer Minister hatte Hr. v. d. Pfordten allerlei Pläne vor, Altenburg u. f. w.<lb/> zu occupiren, als bairischer möchte er Baden nehmen. Das ist nicht organischer Patrio¬<lb/> tismus, das ist abstracter Diensteifer, der dem Augenblick huldigt. Es bleibt bei dieser<lb/> Art Particularismus zuletzt uur ein negatives Moment, die Abneigung gegen Preußen,<lb/> die später, wenn Preußen sich mit Oestreich einigen sollte, leicht in Nhcinbundögelüste<lb/> ausarten könnte. Es ist eine Geschäftigkeit ohne Inhalt, die zu den abenteuerlichsten<lb/> „Mißgeburten" führt, und die überall nur hemmen, nirgend fördern kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_100" next="#ID_101"> ES ist dabei noch ein anderer Umstand zu bedenken. Eine Partei wird nicht durch<lb/> einen einzelnen, endlichen Zweck zusammengebracht, sondern durch die Totalität ihrer<lb/> Zwecke. Die liberal-conservative Partei bestand lange vor Gotha. Wenn sich Herr<lb/> v. d. Pfordten gegen sie zuerst mit den sächsischen Radicalen, dann mit den Oestreichern<lb/> und den Jesuiten verbindet, und seine neuen Verbündeten durch Ausdrücke wie „Wölfe<lb/> in Schafskleidern" und „Revolutionärs in Glacehandschuhen" amüsirt, so wird er durch<lb/> dieses Janusgesicht seiue Stellung nicht verbessern. Vorläufig ist es nur die Kreuzzeitung,<lb/> die ihn als abtrünnigen 'Spießgesellen Robert Blum's verachtet; aber der eigentliche<lb/> Ultramontanismus werd damit auch nicht auf sich warten lassen, Min seine Zeit ge¬<lb/> kommen ist. Wenn sich Hr. v. d. Pfordten nicht entschließt, seine Bekehrung zu vervoll¬<lb/> ständigen, z. B. in den Schoß der allein seligmachenden Kirche zu treten, oder als</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0049]
an, welchen Werth das Besondere, das man vertritt, im Verhältniß zu dem Allgemeinen
hat, gegen das man sich sträubt. Gegen die Großdeutschen, welche um der abstracten
Idee des einigen Deutschlands willen die widersprechendsten staatlichen Elemente in einen
Topf werfen wollen, unbekümmert, was daraus hervorgehen sollte, — und bis zum
October 18-48 war das ganze Parlament großdeutjch, das möge man nicht
vergessen — haben wir sehr entschieden die Fahne des preußischen, norddeutschen, pro¬
testantischen Particularismus aufgesteckt; und, sobald der neue heilige Bundestag zu Stande
gekommen sein wird, werden wir wiederum ganz determinirte Particula-
risten werden, Welsen gegen die modernen Ghibellinen, und die ganze liberale Partei
wird uns darin folgen.
Auch unsern Gegnern müssen wir so lange das Recht einräumen, Particularisten
zu sein, als in ihrem Particularismus ein positives, sittliches Moment liegt, und als
das Allgemeine, dem sie sich unterordnen sollen, eine unklare und unbestimmte Form be¬
hält. Ich habe mich z. B. nie entschließen können, dem Verdammungsurtheil beizutreten,
welches unsere Partei gegen Stüve gefällt hat, obgleich ich nicht leugne, daß Stüve
unser gefährlichster Feind gewesen ist. Aber wenn eine.Regierung sich sagen kann, daß
es ihr gelungen ist, in dem eignen Lande einen leidlich geordneten und verständigen
Zustand zu erhalten, während all ihre Nachbarn sich wie besessen geberden, wenn ihr
noch dazu als Träger der deutschen Partei ein Ministerium Manteuffel entgegentritt, von
dem Keiner weiß, was seine eigentliche Gesinnung, sein eigentlicher Plan ist, so wird
man es, ich will nicht sagen gerechtfertigt, aber begreiflich finden, wenn sie sich nicht
eben beeilt, ein Verhältniß, das sie vollkommen übersieht, gegen ein anderes aufzugeben,
bei dem sie sich wenigstens vorläufig nichts Bestimmtes denken kann.
Aber bei Hrn. v. d. Pfordten ist der Fall ein anderer. Ich kann mir einen säch¬
sischen, ich kann mir einen bairischen Patriotismus denken, der sich gegen die deutsche
Einheit sträubt, sobald diese ans dem Gebiet der Redensarten in das Gebiet der That¬
sachen übergeht; aber einen sächsisch-bairischen Patriotismus kann ich mir nicht denken.
Als sächsischer Minister hatte Hr. v. d. Pfordten allerlei Pläne vor, Altenburg u. f. w.
zu occupiren, als bairischer möchte er Baden nehmen. Das ist nicht organischer Patrio¬
tismus, das ist abstracter Diensteifer, der dem Augenblick huldigt. Es bleibt bei dieser
Art Particularismus zuletzt uur ein negatives Moment, die Abneigung gegen Preußen,
die später, wenn Preußen sich mit Oestreich einigen sollte, leicht in Nhcinbundögelüste
ausarten könnte. Es ist eine Geschäftigkeit ohne Inhalt, die zu den abenteuerlichsten
„Mißgeburten" führt, und die überall nur hemmen, nirgend fördern kann.
ES ist dabei noch ein anderer Umstand zu bedenken. Eine Partei wird nicht durch
einen einzelnen, endlichen Zweck zusammengebracht, sondern durch die Totalität ihrer
Zwecke. Die liberal-conservative Partei bestand lange vor Gotha. Wenn sich Herr
v. d. Pfordten gegen sie zuerst mit den sächsischen Radicalen, dann mit den Oestreichern
und den Jesuiten verbindet, und seine neuen Verbündeten durch Ausdrücke wie „Wölfe
in Schafskleidern" und „Revolutionärs in Glacehandschuhen" amüsirt, so wird er durch
dieses Janusgesicht seiue Stellung nicht verbessern. Vorläufig ist es nur die Kreuzzeitung,
die ihn als abtrünnigen 'Spießgesellen Robert Blum's verachtet; aber der eigentliche
Ultramontanismus werd damit auch nicht auf sich warten lassen, Min seine Zeit ge¬
kommen ist. Wenn sich Hr. v. d. Pfordten nicht entschließt, seine Bekehrung zu vervoll¬
ständigen, z. B. in den Schoß der allein seligmachenden Kirche zu treten, oder als
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