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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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wieder in meinen Kahn, befahl den Ruderern, sich dicht am User zu halten, und
fuhr so die Donan hinab, bis Palanka. Meine drei Ruderer wagten nicht sich '
dem Ufer weiter zu nähern, und wollten Halt macheu; aber die Entfernung war
noch zu groß und ich konnte nicht erkennen, ob an dem Ufer, oder auf einer
Stelle, die mir einige Häuser noch versteckten, Geschütze aufgestellt waren. Ich
zwang sie, fortzurudern, bis der Kahn nnr noch einige Ellen vom Ufer war;
dann stand ich auf und musterte forschend das Dorf. In diesem Augenblick stürzte
>ein ungarischer Officier und etwa funfzehn Jnfanteristen hinter einem Hanse her¬
vor; ich griff nach meiner Flinte, legte ans den Officier an und rief ihm zu:
Halt! ich schieße deu Ersten nieder, der nnr zu nahe kommt. Er blieb stehen,
und rief meinen Ruderern zu, anzulegen. "Abgestvßeu!" rief ich ihnen mit drohen¬
der Stimme zu. Sie aber springen aus dem Kahn und waten nach dem Ufer;
nur der Letzte gibt dem Fahrzeug noch einen Stoß, daß es weiter in den Fluß
hineintreibe. Ich werfe jetzt meine Flinte hin, ergreife das Ruder und suche die
Mitte des Stromes zu gewinnen; aber die ungarischen Soldaten stürzen sich in
das Wasser, bedrohen mich mit ihren Flinten, erfassen ein Tau, das hinten zum
Kahn heraushängt, und ziehen mich nach dem Ufer; ich zittere vor Zorn.
"Fürchten Sie nichts, Sie werden nicht erschossen," sagte der Officier. Er ließ
drei Bauerwagen anspannen, bat mich höflich mit ihm aus deu ersten zu steigen;
nahm neben mir Platz, die Mute zwischen den Knieen, während sich zwei Pan-
dnren, die vor meinen Augen ihre Flinten luden, hinter uns setzten; meine Rude¬
rer saßen auf den beiden andern Wagen und wir fuhren im Galopp davon.

. Der Weg ging am linken Ufer der Donau hin. Ich beobachtete sorgfältig
das Terrain, um wo möglich in den Strom zu springen, so wie der Weg sich
ihm näherte; aber überall waren rechts vom Weg große Wiesen und Sümpfe; die
Kugeln der Ungarn hätten mich erreicht, ehe ich das Ufer der Donan gewann.
Als wir dnrch das abgebrannte Dorf Futtal kamen, stieg ich einen Augenblick
vom Wagen; aber einer der Pandnren folgte mir sofort, und ich sah, daß ich
alle Hoffnung auf Entfliehen aufgeben müsse und zerkauete deshalb alle Papiere,
welche deu Ungarn hätten Aufschluß über unsere Operationen geben können. Zu
Mittag erreichten wir Neusatz; der Officier, der mich gefangen genommen hatte,
übergab mich einem Hauptmann des Regiments Ferdinand von Este (es war
übergegangen) und ließ mich auf der Hauptwache. Die Soldaten trugen noch
die kaiserlichem Farben und hatten auch deu ihnen eingeprägten Respekt vor den
Obern noch nicht vergessen; sie brachten mir Brod, frisches Wasser und breiteten
auf einer Bank eine Decke ans, um mir ein besseres Lager zu bereiten.

Die Ungarn brachen während der Nacht einen Theil der Schiffsbrücke ab,
damit sie nicht durch Brander zerstört werde, und stellten die Verbindung erst mit
Tagesanbruch wieder her; deshalb wurde ich auch erst am nächsten Tage von
einem Offizier nach der Festung Peterwardeiu zu Geueral Perzel gebracht. Ich


wieder in meinen Kahn, befahl den Ruderern, sich dicht am User zu halten, und
fuhr so die Donan hinab, bis Palanka. Meine drei Ruderer wagten nicht sich '
dem Ufer weiter zu nähern, und wollten Halt macheu; aber die Entfernung war
noch zu groß und ich konnte nicht erkennen, ob an dem Ufer, oder auf einer
Stelle, die mir einige Häuser noch versteckten, Geschütze aufgestellt waren. Ich
zwang sie, fortzurudern, bis der Kahn nnr noch einige Ellen vom Ufer war;
dann stand ich auf und musterte forschend das Dorf. In diesem Augenblick stürzte
>ein ungarischer Officier und etwa funfzehn Jnfanteristen hinter einem Hanse her¬
vor; ich griff nach meiner Flinte, legte ans den Officier an und rief ihm zu:
Halt! ich schieße deu Ersten nieder, der nnr zu nahe kommt. Er blieb stehen,
und rief meinen Ruderern zu, anzulegen. „Abgestvßeu!" rief ich ihnen mit drohen¬
der Stimme zu. Sie aber springen aus dem Kahn und waten nach dem Ufer;
nur der Letzte gibt dem Fahrzeug noch einen Stoß, daß es weiter in den Fluß
hineintreibe. Ich werfe jetzt meine Flinte hin, ergreife das Ruder und suche die
Mitte des Stromes zu gewinnen; aber die ungarischen Soldaten stürzen sich in
das Wasser, bedrohen mich mit ihren Flinten, erfassen ein Tau, das hinten zum
Kahn heraushängt, und ziehen mich nach dem Ufer; ich zittere vor Zorn.
„Fürchten Sie nichts, Sie werden nicht erschossen," sagte der Officier. Er ließ
drei Bauerwagen anspannen, bat mich höflich mit ihm aus deu ersten zu steigen;
nahm neben mir Platz, die Mute zwischen den Knieen, während sich zwei Pan-
dnren, die vor meinen Augen ihre Flinten luden, hinter uns setzten; meine Rude¬
rer saßen auf den beiden andern Wagen und wir fuhren im Galopp davon.

. Der Weg ging am linken Ufer der Donau hin. Ich beobachtete sorgfältig
das Terrain, um wo möglich in den Strom zu springen, so wie der Weg sich
ihm näherte; aber überall waren rechts vom Weg große Wiesen und Sümpfe; die
Kugeln der Ungarn hätten mich erreicht, ehe ich das Ufer der Donan gewann.
Als wir dnrch das abgebrannte Dorf Futtal kamen, stieg ich einen Augenblick
vom Wagen; aber einer der Pandnren folgte mir sofort, und ich sah, daß ich
alle Hoffnung auf Entfliehen aufgeben müsse und zerkauete deshalb alle Papiere,
welche deu Ungarn hätten Aufschluß über unsere Operationen geben können. Zu
Mittag erreichten wir Neusatz; der Officier, der mich gefangen genommen hatte,
übergab mich einem Hauptmann des Regiments Ferdinand von Este (es war
übergegangen) und ließ mich auf der Hauptwache. Die Soldaten trugen noch
die kaiserlichem Farben und hatten auch deu ihnen eingeprägten Respekt vor den
Obern noch nicht vergessen; sie brachten mir Brod, frisches Wasser und breiteten
auf einer Bank eine Decke ans, um mir ein besseres Lager zu bereiten.

Die Ungarn brachen während der Nacht einen Theil der Schiffsbrücke ab,
damit sie nicht durch Brander zerstört werde, und stellten die Verbindung erst mit
Tagesanbruch wieder her; deshalb wurde ich auch erst am nächsten Tage von
einem Offizier nach der Festung Peterwardeiu zu Geueral Perzel gebracht. Ich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/470>, abgerufen am 04.07.2024.