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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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Seine eigentliche Wirksamkeit begann aber in dem kleinen Vorpostenkrieg,
der sich seit der Schlacht bei Jdstedt unaufhörlich zwischen dem Heere und den
Dänen fortspann. Da sein Truppelltheil ans der äußersten Linie gegen den
Feind stand, so hatte er Gelegenheit genng, sein Talent für diesen kleinen Krieg
zu zeigen. Bald erkannte man seine ungewöhnliche Nützlichkeit, und der Be¬
fehlshaber seines Corps befreite ihn von allem übrigen Dienst, so daß er ganz
sein eigner Herr war, und nach Belieben ans eigene Hand einen Parteigänger¬
krieg gegen den Feind führen konnte. Jetzt war der abenteuerliche Sergeant
in seinem Element; er fühlte sich als großer Mann und seine Kameraden gaben
ihm bewundernd den rauhen Spitznamen: Sacramenter. Keine Woche verging,
wo er uicht einen verwegenen oder komischen Streich vollführte, wenige Nächte
brachte er in seinem Cantonnement zu, die meisten streifte er außerhalb der Vor¬
postenlinie umher. Oft war er zwei, drei bis vier Tage abwesend, so daß mau
ihn allgemein verloren gab, dann kam er plötzlich wieder zum Vorschein und
brachte entweder eine wichtige Nachricht, oder 1 bis 2 Gefangene, die er ganz
allein gemacht hatte, oder ein Bentepferd, oder so etwas. War er die Nächte
umhergestreift und kam er am Morgen durchnäßt, erfroren, verhungert zurück, so
erstattete er mit größter Gewissenhaftigkeit znerst seinem Vorgesetzten die nöthigen
Meldungen, schlief dann einige Stünden, aß mit sehr gutem Appetit seine reich¬
liche Mittagsportion, trank eine nicht geringe Quantität Punsch oder Wein, und
machte am Abend unter seinen Kameraden lustige Streiche aller Art; dann spielte
er ihnen in den buntesten Verkleidungen Komödien ans dem Stegreif vor, oder
er spie Feuer, oder machte Thierstimmen nach, oder hantirte als Taschenspieler,
oder erzählte hinreißende Geschichten; plötzlich, vielleicht mitten im besten Erzäh¬
len, oder wenn gerade seine Kameraden eine komische Scene von ihm erwarteten,
war er verschwunden, man wußte uicht wie, und kroch, währeud die Andern
noch lachend nach ihm riefen, schon auf dem Bauch wie eine Schlange in die
Winternacht hinein zu einem neuen Srreifzug. Er hatte sich dabei die besondere
Erlaubniß ausgewirkt, daß er vorher nicht zu sagen brauchte, wann und wohin
er gehe, um nicht dnrch einen der überall hernmlungerndeu dänischen Spione
dem Feinde verrathen zu werden. Oft trat er seine Streifereien ganz allein an
und dann zuweilen nur mit Säbel und-Pistolen bewaffnet, häufig hatte er 2,
3, 4, ja bisweilen 56 bis 20 Maun bei sich. Seine Begleiter wählte er uach
genauer Prüfung nur aus deu sich freiwillig dazu meldenden Soldaten seiner
Compagnie und unterzog sie vorher verschiedenen Proben, bevor er ihnen sein
ganzes Vertrauen schenkte. Er ließ sie zuerst ohne scharfe Patronen mitgehen,
stellte sie an gefährliche Stellen, wo dänische Patrouillen ganz nahe auf sie
Herallkommen mußten, und verbot ihnen voll einer Waffe Gebrauch zu mandelt,
bevor er ihnen mit seinen übrigen Leuten, die er versteckt hatte, zu Hülfe käme.
"Ich kauu Keinen bei mir gebrauchen, der nicht denkt, wenn anch eine ganze


Seine eigentliche Wirksamkeit begann aber in dem kleinen Vorpostenkrieg,
der sich seit der Schlacht bei Jdstedt unaufhörlich zwischen dem Heere und den
Dänen fortspann. Da sein Truppelltheil ans der äußersten Linie gegen den
Feind stand, so hatte er Gelegenheit genng, sein Talent für diesen kleinen Krieg
zu zeigen. Bald erkannte man seine ungewöhnliche Nützlichkeit, und der Be¬
fehlshaber seines Corps befreite ihn von allem übrigen Dienst, so daß er ganz
sein eigner Herr war, und nach Belieben ans eigene Hand einen Parteigänger¬
krieg gegen den Feind führen konnte. Jetzt war der abenteuerliche Sergeant
in seinem Element; er fühlte sich als großer Mann und seine Kameraden gaben
ihm bewundernd den rauhen Spitznamen: Sacramenter. Keine Woche verging,
wo er uicht einen verwegenen oder komischen Streich vollführte, wenige Nächte
brachte er in seinem Cantonnement zu, die meisten streifte er außerhalb der Vor¬
postenlinie umher. Oft war er zwei, drei bis vier Tage abwesend, so daß mau
ihn allgemein verloren gab, dann kam er plötzlich wieder zum Vorschein und
brachte entweder eine wichtige Nachricht, oder 1 bis 2 Gefangene, die er ganz
allein gemacht hatte, oder ein Bentepferd, oder so etwas. War er die Nächte
umhergestreift und kam er am Morgen durchnäßt, erfroren, verhungert zurück, so
erstattete er mit größter Gewissenhaftigkeit znerst seinem Vorgesetzten die nöthigen
Meldungen, schlief dann einige Stünden, aß mit sehr gutem Appetit seine reich¬
liche Mittagsportion, trank eine nicht geringe Quantität Punsch oder Wein, und
machte am Abend unter seinen Kameraden lustige Streiche aller Art; dann spielte
er ihnen in den buntesten Verkleidungen Komödien ans dem Stegreif vor, oder
er spie Feuer, oder machte Thierstimmen nach, oder hantirte als Taschenspieler,
oder erzählte hinreißende Geschichten; plötzlich, vielleicht mitten im besten Erzäh¬
len, oder wenn gerade seine Kameraden eine komische Scene von ihm erwarteten,
war er verschwunden, man wußte uicht wie, und kroch, währeud die Andern
noch lachend nach ihm riefen, schon auf dem Bauch wie eine Schlange in die
Winternacht hinein zu einem neuen Srreifzug. Er hatte sich dabei die besondere
Erlaubniß ausgewirkt, daß er vorher nicht zu sagen brauchte, wann und wohin
er gehe, um nicht dnrch einen der überall hernmlungerndeu dänischen Spione
dem Feinde verrathen zu werden. Oft trat er seine Streifereien ganz allein an
und dann zuweilen nur mit Säbel und-Pistolen bewaffnet, häufig hatte er 2,
3, 4, ja bisweilen 56 bis 20 Maun bei sich. Seine Begleiter wählte er uach
genauer Prüfung nur aus deu sich freiwillig dazu meldenden Soldaten seiner
Compagnie und unterzog sie vorher verschiedenen Proben, bevor er ihnen sein
ganzes Vertrauen schenkte. Er ließ sie zuerst ohne scharfe Patronen mitgehen,
stellte sie an gefährliche Stellen, wo dänische Patrouillen ganz nahe auf sie
Herallkommen mußten, und verbot ihnen voll einer Waffe Gebrauch zu mandelt,
bevor er ihnen mit seinen übrigen Leuten, die er versteckt hatte, zu Hülfe käme.
„Ich kauu Keinen bei mir gebrauchen, der nicht denkt, wenn anch eine ganze


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/436>, abgerufen am 28.06.2024.