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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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und Sturm, deu Rauch des Feuers, der ihnen qualmend ius Gesicht fuhr, und
den aufgeweichte" Erdboden, der schon viele Flüche hervorgerufen hatte. "Nee,
nee is dat man möglich" oder "uf Ehre det war eine jute Jeschichte" oder
,,Brüderle, noch so ä lustiges Stückle" stürmte durch deu Kreis. Selbst die
Officiere verschmähten es nicht in den Zuhörerkreis zu treten und den Scherzen
des lustigen Mannes zu lauschen. -- Er war als Knabe Querpfeifer beim Militär
gewesen, das ewige Pfeifen und der ewige Garnisondienst hatten ihm nicht ge¬
fallen. Er hatte den bunten Soldatenrock mit dem grünen Weidmaunskittel
vertauscht und war als Jägerbursche bei einem Förster in die Lehre getreten.
Das freie Herumstreicheu in Feld und Wald und die thatenreiche Beschäftigung
hatten ihm gut angestanden, er war an 3 Jahre diesem Berufe treu geblieben
und hatte ein scharfes Auge und eine große Geschicklichkeit im Gebrauch des
Gewehres erlangt. Da wollte der Zufall, daß er eines Tags in die Bilde einer
Kunstreiter- und Seiltänzergesellschaft gerieth. Die blitzenden Augen einer stolzen
Reiterin entzündeten sein leicht empfängliches Herz. Er trat sogleich als Mit¬
glied in die Gesellschaft ein, und sein schlanker, männlich schöner Wuchs, die
Gewandtheit und ungewöhnliche Kraft seiner Glieder, ein hübsches Gesicht, in
dem große blaue Augen glänzten, paßten vortrefflich zu diesem Gewerbe. So zog
er als Reiter, Jongleur und Athlet einige Jahre mit verschiedenen Gesellschaften
in Deutschland herum und lernte die Künste eines starken Mannes, eines Feuer-
sressers und Bauchredners. Auch bei verschiedenen kleinen Schausvielertruppeu
hatte er sich engagieren lassen, wenn gerade hübsche Subretten ihn lockten.
Endlich war er durch allerlei Zufälle uach Norwegen gerathen, die Tochter eines
deutschen wohlhabenden Fischhändlers in Bergen wurde durch seiue männliche
Schönheit gefesselt, er gewann die Aussicht auf ihre Hand und auf eine gute
Mitgift. Um seinen künftigen Schwiegersohn allmälig an eine bürgerliche Be¬
schäftigung zu gewöhnen, machte ihn der alte Fischhändler zum Aufseher
eiuer Heringsfischerei in der Nähe von Bergen. Das kühne Leben zur See,
der Wechsel und die Gefahr, welche in den Geschäften eines Fischers in jenen
nördlichen Meeren liegt, gefielen unserm Abenteurer und er fühlte sich in seinem
neuen Berufe zufrieden und leistete Tüchtiges darin, der Tag der Hochzeit war
schon festgesetzt. Da brach der Kampf in Schleswig-Holstein los. So wie die
Kunde zu seinen Ohren kam, verließ er zur selbigen Stunde seine Braut, seine
Beschäftigung, seiue Aussichten für das ganze Leben. "Keinen Augenblick Ruh'
ließ es mir mehr" erzählte er selbst. Zwar brummte der Alte und schalt mich
einmal über das andere einen Taugenichts und Lumpen, und meine Braut weinte
genng Thränen um ein ganzes Boot flott zu machen, aber das half nichts, fort
mußte ich. Meine Braut ist ein braves Mädel und hat mir versprochen aus
mich zu warten, bis der Krieg zu Ende geht. Klopfen wir nur die Dänen
recht bald, dann ist es ans, ich Heirathe meine Guste. Dann schicke ich der


und Sturm, deu Rauch des Feuers, der ihnen qualmend ius Gesicht fuhr, und
den aufgeweichte» Erdboden, der schon viele Flüche hervorgerufen hatte. „Nee,
nee is dat man möglich" oder „uf Ehre det war eine jute Jeschichte" oder
,,Brüderle, noch so ä lustiges Stückle" stürmte durch deu Kreis. Selbst die
Officiere verschmähten es nicht in den Zuhörerkreis zu treten und den Scherzen
des lustigen Mannes zu lauschen. — Er war als Knabe Querpfeifer beim Militär
gewesen, das ewige Pfeifen und der ewige Garnisondienst hatten ihm nicht ge¬
fallen. Er hatte den bunten Soldatenrock mit dem grünen Weidmaunskittel
vertauscht und war als Jägerbursche bei einem Förster in die Lehre getreten.
Das freie Herumstreicheu in Feld und Wald und die thatenreiche Beschäftigung
hatten ihm gut angestanden, er war an 3 Jahre diesem Berufe treu geblieben
und hatte ein scharfes Auge und eine große Geschicklichkeit im Gebrauch des
Gewehres erlangt. Da wollte der Zufall, daß er eines Tags in die Bilde einer
Kunstreiter- und Seiltänzergesellschaft gerieth. Die blitzenden Augen einer stolzen
Reiterin entzündeten sein leicht empfängliches Herz. Er trat sogleich als Mit¬
glied in die Gesellschaft ein, und sein schlanker, männlich schöner Wuchs, die
Gewandtheit und ungewöhnliche Kraft seiner Glieder, ein hübsches Gesicht, in
dem große blaue Augen glänzten, paßten vortrefflich zu diesem Gewerbe. So zog
er als Reiter, Jongleur und Athlet einige Jahre mit verschiedenen Gesellschaften
in Deutschland herum und lernte die Künste eines starken Mannes, eines Feuer-
sressers und Bauchredners. Auch bei verschiedenen kleinen Schausvielertruppeu
hatte er sich engagieren lassen, wenn gerade hübsche Subretten ihn lockten.
Endlich war er durch allerlei Zufälle uach Norwegen gerathen, die Tochter eines
deutschen wohlhabenden Fischhändlers in Bergen wurde durch seiue männliche
Schönheit gefesselt, er gewann die Aussicht auf ihre Hand und auf eine gute
Mitgift. Um seinen künftigen Schwiegersohn allmälig an eine bürgerliche Be¬
schäftigung zu gewöhnen, machte ihn der alte Fischhändler zum Aufseher
eiuer Heringsfischerei in der Nähe von Bergen. Das kühne Leben zur See,
der Wechsel und die Gefahr, welche in den Geschäften eines Fischers in jenen
nördlichen Meeren liegt, gefielen unserm Abenteurer und er fühlte sich in seinem
neuen Berufe zufrieden und leistete Tüchtiges darin, der Tag der Hochzeit war
schon festgesetzt. Da brach der Kampf in Schleswig-Holstein los. So wie die
Kunde zu seinen Ohren kam, verließ er zur selbigen Stunde seine Braut, seine
Beschäftigung, seiue Aussichten für das ganze Leben. „Keinen Augenblick Ruh'
ließ es mir mehr" erzählte er selbst. Zwar brummte der Alte und schalt mich
einmal über das andere einen Taugenichts und Lumpen, und meine Braut weinte
genng Thränen um ein ganzes Boot flott zu machen, aber das half nichts, fort
mußte ich. Meine Braut ist ein braves Mädel und hat mir versprochen aus
mich zu warten, bis der Krieg zu Ende geht. Klopfen wir nur die Dänen
recht bald, dann ist es ans, ich Heirathe meine Guste. Dann schicke ich der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/434>, abgerufen am 28.06.2024.