Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.Herzogthum Schleswig, bis auf den letzten südlichen Strich von IV2 Meilen Herzogthum Schleswig, bis auf den letzten südlichen Strich von IV2 Meilen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0398" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/92136"/> <p xml:id="ID_1224" prev="#ID_1223" next="#ID_1225"> Herzogthum Schleswig, bis auf den letzten südlichen Strich von IV2 Meilen<lb/> Breite, ward von den siegenden Dänen besetzt, und mit Hohn rissen dieselben<lb/> überall die schwarz-roth - goldenen deutschen Fahnen fort, um ihren Danebrog<lb/> aufzupflanzen. Eine der besten Grenzmarken Deutschlands schien für lange Zeit<lb/> der Gewalt eines rachsüchtigen und thatkräftigen Feindes anheimgefallen, die<lb/> Frucht dreijähriger Kämpfe, an denen Heerestheile von '32 verschiedenen „deut¬<lb/> schen" Staaten theilgenommen hatten, verloren zu sein. War auch die Nieder¬<lb/> lage mit allen ihren augenblicklichen und spätern Folgen für das holsteinische<lb/> Volt sehr hart, so ward dasselbe doch uicht entmuthigt; im Gegentheil, jetzt<lb/> erst zeigte sich seine ganze nachhaltige Kraft in der großartigen Opferbereitwil¬<lb/> ligkeit für den hohen Zweck des Kampfes, für sein Recht und seine Ehre.<lb/> Nochmals ward gerüstet, die letzte junge Mannschaft Holsteins — denn Schles¬<lb/> wig konnte wenig mehr bringen — ward nnter die Waffen gerufen und ungeheure<lb/> Kriegssummen ohne Säumen vom Lande gezahlt, damit den Cassen das Geld<lb/> nicht fehle. Was aber die eigene Kraft trotz aller Anstrengung nicht vermochte,<lb/> das hoffte mau voll deu deutscheu Brüderstämmen zu erhalten. Ward doch in<lb/> Deutschlands Namen, auf Deutschlands Veranlassung 18^8 der Krieg begonnen,<lb/> hatten doch deutsche Truppen, 3 Fürsten und 2 Erbprinzen regierender Häuser<lb/> an der Spitze, zwei Jahre lang vereint mit den Schleswig-Holsteinern gefochten.<lb/> Eine dringende Bitte um Geld, um Freiwillige zum Eintritt in die Armee und vor<lb/> Allem um tüchtige Officiere, an denen es so sehr fehlte, kam wiederholt zu deu<lb/> Brnderstämmen. Wir kennen den Erfolg, und was ihn störte. Das Jahr 50,<lb/> vielleicht das erbärmlichste, welches die deutsche Geschichte seit Jahrhunderten<lb/> kennt, hatte lähmend auf die Thatkraft unseres Volkes gewirkt, und stumpf und<lb/> matt, ja selbst an Besserung verzweifelnd, zog sich der Deutsche in sein Haus<lb/> zurück. Die Sache der Herzogtümer fand in den höchsten einflußreichen Kreisen<lb/> entschiedene Gegner, die ihr offen und versteckt zu schaden suchten. Das<lb/> hinderte viele deutsche Ostciere an dem Eintritt in unsern Dienst. Zwar kamen<lb/> einzelne Ostciere noch jetzt aus deu verschiedensten Theilen Deutschlands, aber<lb/> der Bedarf ward nicht vollständig gedeckt. Unsere Sache galt in Deutschland<lb/> bereits für verloren, und diese Ausicht drohte uns selbst ein ehrenwerthes,<lb/> männliches Ausharren unmöglich zu machen. Obgleich der Kleinmut!) unserer<lb/> Freunde unser Heer uoch uicht ergriffen hatte, so Empfand man doch schmerz¬<lb/> lich überall im Lande, daß dasselbe Deutschland, für dessen Farben wir<lb/> bluteten, sich immer mehr von uns zurückzog. So waren die Umstände, als<lb/> Heinrich von Gagern, wenige Tage nach der Jdstedter Schlacht sich entschloß als<lb/> Officier in das Schleswig-holsteinische Heer einzutreten und uuserem Kampfe seiue<lb/> Kraft und sein Blut zu weihen. Der Entschuß war hochherzig und des Mannes<lb/> würdig, der zu Frankfurt das deutsche Banner so hoch geschwungen hatte. Nicht<lb/> geringe Opfer aller Art brachte Gagern durch diesen Eintritt. Nach mehr als</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0398]
Herzogthum Schleswig, bis auf den letzten südlichen Strich von IV2 Meilen
Breite, ward von den siegenden Dänen besetzt, und mit Hohn rissen dieselben
überall die schwarz-roth - goldenen deutschen Fahnen fort, um ihren Danebrog
aufzupflanzen. Eine der besten Grenzmarken Deutschlands schien für lange Zeit
der Gewalt eines rachsüchtigen und thatkräftigen Feindes anheimgefallen, die
Frucht dreijähriger Kämpfe, an denen Heerestheile von '32 verschiedenen „deut¬
schen" Staaten theilgenommen hatten, verloren zu sein. War auch die Nieder¬
lage mit allen ihren augenblicklichen und spätern Folgen für das holsteinische
Volt sehr hart, so ward dasselbe doch uicht entmuthigt; im Gegentheil, jetzt
erst zeigte sich seine ganze nachhaltige Kraft in der großartigen Opferbereitwil¬
ligkeit für den hohen Zweck des Kampfes, für sein Recht und seine Ehre.
Nochmals ward gerüstet, die letzte junge Mannschaft Holsteins — denn Schles¬
wig konnte wenig mehr bringen — ward nnter die Waffen gerufen und ungeheure
Kriegssummen ohne Säumen vom Lande gezahlt, damit den Cassen das Geld
nicht fehle. Was aber die eigene Kraft trotz aller Anstrengung nicht vermochte,
das hoffte mau voll deu deutscheu Brüderstämmen zu erhalten. Ward doch in
Deutschlands Namen, auf Deutschlands Veranlassung 18^8 der Krieg begonnen,
hatten doch deutsche Truppen, 3 Fürsten und 2 Erbprinzen regierender Häuser
an der Spitze, zwei Jahre lang vereint mit den Schleswig-Holsteinern gefochten.
Eine dringende Bitte um Geld, um Freiwillige zum Eintritt in die Armee und vor
Allem um tüchtige Officiere, an denen es so sehr fehlte, kam wiederholt zu deu
Brnderstämmen. Wir kennen den Erfolg, und was ihn störte. Das Jahr 50,
vielleicht das erbärmlichste, welches die deutsche Geschichte seit Jahrhunderten
kennt, hatte lähmend auf die Thatkraft unseres Volkes gewirkt, und stumpf und
matt, ja selbst an Besserung verzweifelnd, zog sich der Deutsche in sein Haus
zurück. Die Sache der Herzogtümer fand in den höchsten einflußreichen Kreisen
entschiedene Gegner, die ihr offen und versteckt zu schaden suchten. Das
hinderte viele deutsche Ostciere an dem Eintritt in unsern Dienst. Zwar kamen
einzelne Ostciere noch jetzt aus deu verschiedensten Theilen Deutschlands, aber
der Bedarf ward nicht vollständig gedeckt. Unsere Sache galt in Deutschland
bereits für verloren, und diese Ausicht drohte uns selbst ein ehrenwerthes,
männliches Ausharren unmöglich zu machen. Obgleich der Kleinmut!) unserer
Freunde unser Heer uoch uicht ergriffen hatte, so Empfand man doch schmerz¬
lich überall im Lande, daß dasselbe Deutschland, für dessen Farben wir
bluteten, sich immer mehr von uns zurückzog. So waren die Umstände, als
Heinrich von Gagern, wenige Tage nach der Jdstedter Schlacht sich entschloß als
Officier in das Schleswig-holsteinische Heer einzutreten und uuserem Kampfe seiue
Kraft und sein Blut zu weihen. Der Entschuß war hochherzig und des Mannes
würdig, der zu Frankfurt das deutsche Banner so hoch geschwungen hatte. Nicht
geringe Opfer aller Art brachte Gagern durch diesen Eintritt. Nach mehr als
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