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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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i.

Da die Entwickelung dieser Dichterin interessant genug ist, um sie im Ein-
zelnen zu verfolgen, so enthalte ich mich aller einleitender Betrachtungen. Nur
Eius muß ich bemerken, um falsche Geschichtspunkte zu entfernen. Manche von
ihren Kritikern, die unbedingt den Stab über sie brechen, haben von ihren Werken
nur die Lelia im Ange, und spüren in ihren übrigen Schriften mit einem solchen
Eifer den unsittlichen Vorstellungen und überspannten Ideen nach, daß sie dar¬
über die audere Seite, die künstlerische Kraft, vollständig übersehen. , Andere
thun das Gegentheil: sie ignoriren, um unbedingt bewundern zu können, ab¬
sichtlich das Gebrochene, Widerspruchvolle, Unklare und Unsittliche, das wenig¬
stens in ihren Problemen fortdauernd wiederkehrt. Um gerecht zu sein, muß
man beide Momente in ihrem innern Zusammenhang aufzufassen suchen.

Von ihrem Leben dente ich, nur diejenigen Züge an, die bei ihren Werken
in Betracht kommen. -- Aurore Dupin ist 1804 im Departement de l'Jndre
geboren. Ihr Vater war ein Sohn des Marschalls von Sachsen. Sie erhielt
eine streng klösterliche Erziehung, und wurde dann mit einem alten Militär ver¬
mählt, dem Marquis Düdevant, dessen leerer Geist ihn zum Haustyrannen machte.
Sie verstand es nicht, diese Zustände ins richtige Geleis zu bringen, entzog
sich denselben durch die Flucht (1831), und ging nach Paris, wo sie im Ver-'
hältniß mit einem jungen Literaten lebte, Jules Saudeau, dessen Namen zu ihrem
Pseydouym Veranlassung gab. Auch dies unhaltbare Band wurde bald gelöst,
nud seit der Zeit lebte sie allem, mit der Erziehung ihrer Kinder, mit Reisen
und mit Romanen beschäftigt, die bis zum Jahre 1841 meistens in der Kevue


Grenzvoten. Z. I8SI. 41
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i.

Da die Entwickelung dieser Dichterin interessant genug ist, um sie im Ein-
zelnen zu verfolgen, so enthalte ich mich aller einleitender Betrachtungen. Nur
Eius muß ich bemerken, um falsche Geschichtspunkte zu entfernen. Manche von
ihren Kritikern, die unbedingt den Stab über sie brechen, haben von ihren Werken
nur die Lelia im Ange, und spüren in ihren übrigen Schriften mit einem solchen
Eifer den unsittlichen Vorstellungen und überspannten Ideen nach, daß sie dar¬
über die audere Seite, die künstlerische Kraft, vollständig übersehen. , Andere
thun das Gegentheil: sie ignoriren, um unbedingt bewundern zu können, ab¬
sichtlich das Gebrochene, Widerspruchvolle, Unklare und Unsittliche, das wenig¬
stens in ihren Problemen fortdauernd wiederkehrt. Um gerecht zu sein, muß
man beide Momente in ihrem innern Zusammenhang aufzufassen suchen.

Von ihrem Leben dente ich, nur diejenigen Züge an, die bei ihren Werken
in Betracht kommen. — Aurore Dupin ist 1804 im Departement de l'Jndre
geboren. Ihr Vater war ein Sohn des Marschalls von Sachsen. Sie erhielt
eine streng klösterliche Erziehung, und wurde dann mit einem alten Militär ver¬
mählt, dem Marquis Düdevant, dessen leerer Geist ihn zum Haustyrannen machte.
Sie verstand es nicht, diese Zustände ins richtige Geleis zu bringen, entzog
sich denselben durch die Flucht (1831), und ging nach Paris, wo sie im Ver-'
hältniß mit einem jungen Literaten lebte, Jules Saudeau, dessen Namen zu ihrem
Pseydouym Veranlassung gab. Auch dies unhaltbare Band wurde bald gelöst,
nud seit der Zeit lebte sie allem, mit der Erziehung ihrer Kinder, mit Reisen
und mit Romanen beschäftigt, die bis zum Jahre 1841 meistens in der Kevue


Grenzvoten. Z. I8SI. 41
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[0333] G e o r ges Sand i. Da die Entwickelung dieser Dichterin interessant genug ist, um sie im Ein- zelnen zu verfolgen, so enthalte ich mich aller einleitender Betrachtungen. Nur Eius muß ich bemerken, um falsche Geschichtspunkte zu entfernen. Manche von ihren Kritikern, die unbedingt den Stab über sie brechen, haben von ihren Werken nur die Lelia im Ange, und spüren in ihren übrigen Schriften mit einem solchen Eifer den unsittlichen Vorstellungen und überspannten Ideen nach, daß sie dar¬ über die audere Seite, die künstlerische Kraft, vollständig übersehen. , Andere thun das Gegentheil: sie ignoriren, um unbedingt bewundern zu können, ab¬ sichtlich das Gebrochene, Widerspruchvolle, Unklare und Unsittliche, das wenig¬ stens in ihren Problemen fortdauernd wiederkehrt. Um gerecht zu sein, muß man beide Momente in ihrem innern Zusammenhang aufzufassen suchen. Von ihrem Leben dente ich, nur diejenigen Züge an, die bei ihren Werken in Betracht kommen. — Aurore Dupin ist 1804 im Departement de l'Jndre geboren. Ihr Vater war ein Sohn des Marschalls von Sachsen. Sie erhielt eine streng klösterliche Erziehung, und wurde dann mit einem alten Militär ver¬ mählt, dem Marquis Düdevant, dessen leerer Geist ihn zum Haustyrannen machte. Sie verstand es nicht, diese Zustände ins richtige Geleis zu bringen, entzog sich denselben durch die Flucht (1831), und ging nach Paris, wo sie im Ver-' hältniß mit einem jungen Literaten lebte, Jules Saudeau, dessen Namen zu ihrem Pseydouym Veranlassung gab. Auch dies unhaltbare Band wurde bald gelöst, nud seit der Zeit lebte sie allem, mit der Erziehung ihrer Kinder, mit Reisen und mit Romanen beschäftigt, die bis zum Jahre 1841 meistens in der Kevue Grenzvoten. Z. I8SI. 41

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/333>, abgerufen am 28.06.2024.