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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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theilung des ersten Saales eigens mit Tischen und Stühlen nach dein Vorbilde
der Königlichen Bibliothek für den Besuch hergerichtet.

Das dritte Geschoß verliert den Raum, welchen die bis zum Dach empor¬
steigenden Knppelsäle des zweiten Geschosses einnehmen, und so bleiben denn
auch für den Südflügel nnr drei Säle und ein kleiner Eckramn nach Südwesten
übrig, in welche die jetzt ans dem Königlichen Schlosse befindliche Kunstkammer
übergesiedelt werden soll. Die Säulen in diesem Geschoß bestehen durchweg ans
Gußeisen mit Ornament von Gnßzink. Der für für Majoliken, d. h. für Por¬
zellan und porzellanähnliches Töpfergeschirr bestimmte Saal hat in der Mitte
zwei Säulen, und zwar dergestalt, daß an der Decke sechs runde und flach ge¬
wölbte Felder entstehen, welche mit ihrer saubern Bemalung an umgekehrte
Umerschalen bemalter Porzellantassen erinnern. Parallel im Rücken dieses Saa¬
les liegen zwei Zimmer für Director und Diener, und ein Vorrathsranm, deren
Fenster uach Süden auf das ältere Museum schauen. Die Elfenbeinschnitzereien
wird einer der Langsäle aufnehmen; der kleine Eckramn ist ausschließlich für
kirchliche Kunstgegenstände bestimmt. Eine eigene Kammer wurde sür die Gar¬
derobe des alten Fritz eingerichtet, dessen Wachsbild in einer von oben beleuch¬
teten Nische ausgestellt werden soll.

Hiermit haben wir für diesmal unsere Wanderung dnrch das neue Museum
vollendet. Blicken wir auf dieselbe zurück, so zeigt sich uns eine kaum zu über¬
sehende Menge verschiedenartiger Beziehungen und Absichten. Wir sehen einen
Ban, der nicht durch die großartige Ausführung eines dem Hauptzwecke ent-
sprechenden Gedankens dem Cultus der Kunst einen Tempel herzurichten trachtet,
sondern dnrch allerlei Andeutungen, Gliederungen, Verzierungen, Pointen und
architektonische wie ornamentale Nachbildungen im Kleinen und Einzelnen dem
Verständniß der Kunst auf dem Wege tendenziöser Erläuterung nachzuhelfen sucht,
und gerade dnrch diese Absichtlichkeit Auffassung und Verständniß nicht selten erschwert.
Mit einem Worte, ich weiß keinen bezeichnenderen Ausdruck: es ist ein Tendenz¬
ban, den wir erblicken, der aus unserm ästhetischen Eklekticismus, aus der Stil,
losigkeit unsrer Kunst erwächst. Ich bin weit entfernt, dem Meister, welcher diesen
Bau geschaffen, einen Vorwurf aus dem wunderbaren Werke zu machen, das
eine staunenswerthe Fülle von Phantasie, Erfindung und Kenntnissen in sich
aufgenommen. Es ist ein Werk unserer Zeit und Bildung, deren Charakter
und Standpunkt wir zu verstehe" suchen, um ihn zu überwinden. Geistreiche Gedanken
und schönste Ausführung machen sich vielfach in der Architektur, dem Treppenhause, den
Kuppelsaleu, der Verbiuduugsgallerie und zahlreichen anderen Räumen, wie in der
Ornamentik geltend. Der Schmuck des Gebäudes ist in den Detailbildnngen fast durch¬
weg mit seinem Schönheitssinn empfunden. Die Simse der Thüren, die prächtigen
Flügel derselben, die Capitäle der Säulen, die verzierten Leisten nud Bänder,
die mannichfaltigen, oft mit figürlichen Leben verbundenen Arabeskenzüge zeigen


theilung des ersten Saales eigens mit Tischen und Stühlen nach dein Vorbilde
der Königlichen Bibliothek für den Besuch hergerichtet.

Das dritte Geschoß verliert den Raum, welchen die bis zum Dach empor¬
steigenden Knppelsäle des zweiten Geschosses einnehmen, und so bleiben denn
auch für den Südflügel nnr drei Säle und ein kleiner Eckramn nach Südwesten
übrig, in welche die jetzt ans dem Königlichen Schlosse befindliche Kunstkammer
übergesiedelt werden soll. Die Säulen in diesem Geschoß bestehen durchweg ans
Gußeisen mit Ornament von Gnßzink. Der für für Majoliken, d. h. für Por¬
zellan und porzellanähnliches Töpfergeschirr bestimmte Saal hat in der Mitte
zwei Säulen, und zwar dergestalt, daß an der Decke sechs runde und flach ge¬
wölbte Felder entstehen, welche mit ihrer saubern Bemalung an umgekehrte
Umerschalen bemalter Porzellantassen erinnern. Parallel im Rücken dieses Saa¬
les liegen zwei Zimmer für Director und Diener, und ein Vorrathsranm, deren
Fenster uach Süden auf das ältere Museum schauen. Die Elfenbeinschnitzereien
wird einer der Langsäle aufnehmen; der kleine Eckramn ist ausschließlich für
kirchliche Kunstgegenstände bestimmt. Eine eigene Kammer wurde sür die Gar¬
derobe des alten Fritz eingerichtet, dessen Wachsbild in einer von oben beleuch¬
teten Nische ausgestellt werden soll.

Hiermit haben wir für diesmal unsere Wanderung dnrch das neue Museum
vollendet. Blicken wir auf dieselbe zurück, so zeigt sich uns eine kaum zu über¬
sehende Menge verschiedenartiger Beziehungen und Absichten. Wir sehen einen
Ban, der nicht durch die großartige Ausführung eines dem Hauptzwecke ent-
sprechenden Gedankens dem Cultus der Kunst einen Tempel herzurichten trachtet,
sondern dnrch allerlei Andeutungen, Gliederungen, Verzierungen, Pointen und
architektonische wie ornamentale Nachbildungen im Kleinen und Einzelnen dem
Verständniß der Kunst auf dem Wege tendenziöser Erläuterung nachzuhelfen sucht,
und gerade dnrch diese Absichtlichkeit Auffassung und Verständniß nicht selten erschwert.
Mit einem Worte, ich weiß keinen bezeichnenderen Ausdruck: es ist ein Tendenz¬
ban, den wir erblicken, der aus unserm ästhetischen Eklekticismus, aus der Stil,
losigkeit unsrer Kunst erwächst. Ich bin weit entfernt, dem Meister, welcher diesen
Bau geschaffen, einen Vorwurf aus dem wunderbaren Werke zu machen, das
eine staunenswerthe Fülle von Phantasie, Erfindung und Kenntnissen in sich
aufgenommen. Es ist ein Werk unserer Zeit und Bildung, deren Charakter
und Standpunkt wir zu verstehe« suchen, um ihn zu überwinden. Geistreiche Gedanken
und schönste Ausführung machen sich vielfach in der Architektur, dem Treppenhause, den
Kuppelsaleu, der Verbiuduugsgallerie und zahlreichen anderen Räumen, wie in der
Ornamentik geltend. Der Schmuck des Gebäudes ist in den Detailbildnngen fast durch¬
weg mit seinem Schönheitssinn empfunden. Die Simse der Thüren, die prächtigen
Flügel derselben, die Capitäle der Säulen, die verzierten Leisten nud Bänder,
die mannichfaltigen, oft mit figürlichen Leben verbundenen Arabeskenzüge zeigen


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[0305] theilung des ersten Saales eigens mit Tischen und Stühlen nach dein Vorbilde der Königlichen Bibliothek für den Besuch hergerichtet. Das dritte Geschoß verliert den Raum, welchen die bis zum Dach empor¬ steigenden Knppelsäle des zweiten Geschosses einnehmen, und so bleiben denn auch für den Südflügel nnr drei Säle und ein kleiner Eckramn nach Südwesten übrig, in welche die jetzt ans dem Königlichen Schlosse befindliche Kunstkammer übergesiedelt werden soll. Die Säulen in diesem Geschoß bestehen durchweg ans Gußeisen mit Ornament von Gnßzink. Der für für Majoliken, d. h. für Por¬ zellan und porzellanähnliches Töpfergeschirr bestimmte Saal hat in der Mitte zwei Säulen, und zwar dergestalt, daß an der Decke sechs runde und flach ge¬ wölbte Felder entstehen, welche mit ihrer saubern Bemalung an umgekehrte Umerschalen bemalter Porzellantassen erinnern. Parallel im Rücken dieses Saa¬ les liegen zwei Zimmer für Director und Diener, und ein Vorrathsranm, deren Fenster uach Süden auf das ältere Museum schauen. Die Elfenbeinschnitzereien wird einer der Langsäle aufnehmen; der kleine Eckramn ist ausschließlich für kirchliche Kunstgegenstände bestimmt. Eine eigene Kammer wurde sür die Gar¬ derobe des alten Fritz eingerichtet, dessen Wachsbild in einer von oben beleuch¬ teten Nische ausgestellt werden soll. Hiermit haben wir für diesmal unsere Wanderung dnrch das neue Museum vollendet. Blicken wir auf dieselbe zurück, so zeigt sich uns eine kaum zu über¬ sehende Menge verschiedenartiger Beziehungen und Absichten. Wir sehen einen Ban, der nicht durch die großartige Ausführung eines dem Hauptzwecke ent- sprechenden Gedankens dem Cultus der Kunst einen Tempel herzurichten trachtet, sondern dnrch allerlei Andeutungen, Gliederungen, Verzierungen, Pointen und architektonische wie ornamentale Nachbildungen im Kleinen und Einzelnen dem Verständniß der Kunst auf dem Wege tendenziöser Erläuterung nachzuhelfen sucht, und gerade dnrch diese Absichtlichkeit Auffassung und Verständniß nicht selten erschwert. Mit einem Worte, ich weiß keinen bezeichnenderen Ausdruck: es ist ein Tendenz¬ ban, den wir erblicken, der aus unserm ästhetischen Eklekticismus, aus der Stil, losigkeit unsrer Kunst erwächst. Ich bin weit entfernt, dem Meister, welcher diesen Bau geschaffen, einen Vorwurf aus dem wunderbaren Werke zu machen, das eine staunenswerthe Fülle von Phantasie, Erfindung und Kenntnissen in sich aufgenommen. Es ist ein Werk unserer Zeit und Bildung, deren Charakter und Standpunkt wir zu verstehe« suchen, um ihn zu überwinden. Geistreiche Gedanken und schönste Ausführung machen sich vielfach in der Architektur, dem Treppenhause, den Kuppelsaleu, der Verbiuduugsgallerie und zahlreichen anderen Räumen, wie in der Ornamentik geltend. Der Schmuck des Gebäudes ist in den Detailbildnngen fast durch¬ weg mit seinem Schönheitssinn empfunden. Die Simse der Thüren, die prächtigen Flügel derselben, die Capitäle der Säulen, die verzierten Leisten nud Bänder, die mannichfaltigen, oft mit figürlichen Leben verbundenen Arabeskenzüge zeigen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/305>, abgerufen am 28.06.2024.