Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

es als einen ungewöhnlichen Einfall bezeichnen, der berühmten Gruppe in einem
neueren Museum einen ähnlichen Giebel zu erbauen wie derjenige, welcher sie vor
Jahrtausenden schützte. Aber können die schönen Sculpturen auf diese Weise zum
Studium der Antike das Ihrige genügend beitragen? Im älteren Museum
steheu die Statuen so, daß man sie voll allen Seiten betrachten und studiren
kann; hier scheinen sie doch in der That mehr zur Decoration einer Wand zu
dienen. Wieder trägt in diesem Falle einer der leitenden Grundsätze, welche
bei dem Entwerfen des Bauplanes maßgebend waren, die Schuld. Es ist gewiß
eine ganz richtige Tendenz, daß man das magazinartige Aufspeichern, welches
Museen nicht selten zeigen, soviel wie möglich vermeiden wollte. Allein wenn
man aus diesem Grunde die Architektur vielfach so geordnet hat, daß Gegenstände
der Sammlungen zum Schmuck der Architektur benutzt werden könnten, so hätte
man dabei doch mit größerer Rücksicht auf deu eigentlichen Zweck des Museums
verfahren sollen. Und was hat man z. B. durch diese Anordnung des Tympanon
gewonnen? Nichts als eine sehr mangelhafte Nachahmung griechischer Architektur
in theatralischen Aufputz. Die Triglyphen enden unfern des Fußbodens, während
Giebelspitze und Akroterien dicht nnter der flach gewölbten Saatbeete stehen; der
ganze Giebel ist eingeklemmt, als sollte er zwischen die Presse genommen werden.
Da lobe ich mir doch die schlichte AufMuug im einfachen Saale des älteren
Museums, wo wenigstens die Formen in ihrer Reinheit vollständig betrachtet
und in das Verständniß aufgenommen werden können.

Im nächsten Saale, der seiner Bekleidung mit englischer Marmoreompost-
tion noch entgegensieht, stehen in zwei Nischen einander gegenüber die Diana von
Versailles und der Apoll von Belvedere. Früher fiel durch ein mattgeschliffenes
Glas oberhalb einer dritten, mit Bilderschmuck reich versehenen Nische ein unbe¬
stimmtes und trübes Licht in diesen Saal. Mau hat deshalb im Grunde der
durch das Oberlicht beleuchteten Nische nach der schmalen Nordseite des Gebäu¬
des zu ein Feuster nachträglich ausgebrochen, das nun dem ganzen Raume ein
genügendes Licht spendet.

Es folgt der eine Kuppelsaal, in der nördlichen Ecke der Fayade belegen.
Die Wände desselben bilden sechs Nischen, in deren einer bei meiner letzten Durch-
wanderung des Gebäudes eine kolossale Minerva stand, durch das vou oben
Hereinsallende Licht sehr gut beleuchtet. Die Kuppelraume, wie die Treppenhalle
sollen auch allerdings zur Aufstellung kolossaler Bildsäulen dienen. Die Mauer
ist mit der Mischung aus Kalk und Marmorstaub in falbem Grün bekleidet, das
einer trüben Oelfarbe gleicht. Von der hohen, mit Kassettirnng versehenen Kup-
pelwölbnng grüßen zierliche Gemälde herab, Amoretten, welche mit Götter¬
attributen spielen.

Der hieran sich schließende lange Saal, dessen fünf Fenster mit der Faoade
nach Osten schauen, zeigt einfache Größe der architektonischen Gestaltung." Pou-


es als einen ungewöhnlichen Einfall bezeichnen, der berühmten Gruppe in einem
neueren Museum einen ähnlichen Giebel zu erbauen wie derjenige, welcher sie vor
Jahrtausenden schützte. Aber können die schönen Sculpturen auf diese Weise zum
Studium der Antike das Ihrige genügend beitragen? Im älteren Museum
steheu die Statuen so, daß man sie voll allen Seiten betrachten und studiren
kann; hier scheinen sie doch in der That mehr zur Decoration einer Wand zu
dienen. Wieder trägt in diesem Falle einer der leitenden Grundsätze, welche
bei dem Entwerfen des Bauplanes maßgebend waren, die Schuld. Es ist gewiß
eine ganz richtige Tendenz, daß man das magazinartige Aufspeichern, welches
Museen nicht selten zeigen, soviel wie möglich vermeiden wollte. Allein wenn
man aus diesem Grunde die Architektur vielfach so geordnet hat, daß Gegenstände
der Sammlungen zum Schmuck der Architektur benutzt werden könnten, so hätte
man dabei doch mit größerer Rücksicht auf deu eigentlichen Zweck des Museums
verfahren sollen. Und was hat man z. B. durch diese Anordnung des Tympanon
gewonnen? Nichts als eine sehr mangelhafte Nachahmung griechischer Architektur
in theatralischen Aufputz. Die Triglyphen enden unfern des Fußbodens, während
Giebelspitze und Akroterien dicht nnter der flach gewölbten Saatbeete stehen; der
ganze Giebel ist eingeklemmt, als sollte er zwischen die Presse genommen werden.
Da lobe ich mir doch die schlichte AufMuug im einfachen Saale des älteren
Museums, wo wenigstens die Formen in ihrer Reinheit vollständig betrachtet
und in das Verständniß aufgenommen werden können.

Im nächsten Saale, der seiner Bekleidung mit englischer Marmoreompost-
tion noch entgegensieht, stehen in zwei Nischen einander gegenüber die Diana von
Versailles und der Apoll von Belvedere. Früher fiel durch ein mattgeschliffenes
Glas oberhalb einer dritten, mit Bilderschmuck reich versehenen Nische ein unbe¬
stimmtes und trübes Licht in diesen Saal. Mau hat deshalb im Grunde der
durch das Oberlicht beleuchteten Nische nach der schmalen Nordseite des Gebäu¬
des zu ein Feuster nachträglich ausgebrochen, das nun dem ganzen Raume ein
genügendes Licht spendet.

Es folgt der eine Kuppelsaal, in der nördlichen Ecke der Fayade belegen.
Die Wände desselben bilden sechs Nischen, in deren einer bei meiner letzten Durch-
wanderung des Gebäudes eine kolossale Minerva stand, durch das vou oben
Hereinsallende Licht sehr gut beleuchtet. Die Kuppelraume, wie die Treppenhalle
sollen auch allerdings zur Aufstellung kolossaler Bildsäulen dienen. Die Mauer
ist mit der Mischung aus Kalk und Marmorstaub in falbem Grün bekleidet, das
einer trüben Oelfarbe gleicht. Von der hohen, mit Kassettirnng versehenen Kup-
pelwölbnng grüßen zierliche Gemälde herab, Amoretten, welche mit Götter¬
attributen spielen.

Der hieran sich schließende lange Saal, dessen fünf Fenster mit der Faoade
nach Osten schauen, zeigt einfache Größe der architektonischen Gestaltung.» Pou-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0302" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/92040"/>
          <p xml:id="ID_941" prev="#ID_940"> es als einen ungewöhnlichen Einfall bezeichnen, der berühmten Gruppe in einem<lb/>
neueren Museum einen ähnlichen Giebel zu erbauen wie derjenige, welcher sie vor<lb/>
Jahrtausenden schützte. Aber können die schönen Sculpturen auf diese Weise zum<lb/>
Studium der Antike das Ihrige genügend beitragen? Im älteren Museum<lb/>
steheu die Statuen so, daß man sie voll allen Seiten betrachten und studiren<lb/>
kann; hier scheinen sie doch in der That mehr zur Decoration einer Wand zu<lb/>
dienen. Wieder trägt in diesem Falle einer der leitenden Grundsätze, welche<lb/>
bei dem Entwerfen des Bauplanes maßgebend waren, die Schuld. Es ist gewiß<lb/>
eine ganz richtige Tendenz, daß man das magazinartige Aufspeichern, welches<lb/>
Museen nicht selten zeigen, soviel wie möglich vermeiden wollte. Allein wenn<lb/>
man aus diesem Grunde die Architektur vielfach so geordnet hat, daß Gegenstände<lb/>
der Sammlungen zum Schmuck der Architektur benutzt werden könnten, so hätte<lb/>
man dabei doch mit größerer Rücksicht auf deu eigentlichen Zweck des Museums<lb/>
verfahren sollen. Und was hat man z. B. durch diese Anordnung des Tympanon<lb/>
gewonnen? Nichts als eine sehr mangelhafte Nachahmung griechischer Architektur<lb/>
in theatralischen Aufputz. Die Triglyphen enden unfern des Fußbodens, während<lb/>
Giebelspitze und Akroterien dicht nnter der flach gewölbten Saatbeete stehen; der<lb/>
ganze Giebel ist eingeklemmt, als sollte er zwischen die Presse genommen werden.<lb/>
Da lobe ich mir doch die schlichte AufMuug im einfachen Saale des älteren<lb/>
Museums, wo wenigstens die Formen in ihrer Reinheit vollständig betrachtet<lb/>
und in das Verständniß aufgenommen werden können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_942"> Im nächsten Saale, der seiner Bekleidung mit englischer Marmoreompost-<lb/>
tion noch entgegensieht, stehen in zwei Nischen einander gegenüber die Diana von<lb/>
Versailles und der Apoll von Belvedere. Früher fiel durch ein mattgeschliffenes<lb/>
Glas oberhalb einer dritten, mit Bilderschmuck reich versehenen Nische ein unbe¬<lb/>
stimmtes und trübes Licht in diesen Saal. Mau hat deshalb im Grunde der<lb/>
durch das Oberlicht beleuchteten Nische nach der schmalen Nordseite des Gebäu¬<lb/>
des zu ein Feuster nachträglich ausgebrochen, das nun dem ganzen Raume ein<lb/>
genügendes Licht spendet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_943"> Es folgt der eine Kuppelsaal, in der nördlichen Ecke der Fayade belegen.<lb/>
Die Wände desselben bilden sechs Nischen, in deren einer bei meiner letzten Durch-<lb/>
wanderung des Gebäudes eine kolossale Minerva stand, durch das vou oben<lb/>
Hereinsallende Licht sehr gut beleuchtet. Die Kuppelraume, wie die Treppenhalle<lb/>
sollen auch allerdings zur Aufstellung kolossaler Bildsäulen dienen. Die Mauer<lb/>
ist mit der Mischung aus Kalk und Marmorstaub in falbem Grün bekleidet, das<lb/>
einer trüben Oelfarbe gleicht. Von der hohen, mit Kassettirnng versehenen Kup-<lb/>
pelwölbnng grüßen zierliche Gemälde herab, Amoretten, welche mit Götter¬<lb/>
attributen spielen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_944" next="#ID_945"> Der hieran sich schließende lange Saal, dessen fünf Fenster mit der Faoade<lb/>
nach Osten schauen, zeigt einfache Größe der architektonischen Gestaltung.» Pou-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0302] es als einen ungewöhnlichen Einfall bezeichnen, der berühmten Gruppe in einem neueren Museum einen ähnlichen Giebel zu erbauen wie derjenige, welcher sie vor Jahrtausenden schützte. Aber können die schönen Sculpturen auf diese Weise zum Studium der Antike das Ihrige genügend beitragen? Im älteren Museum steheu die Statuen so, daß man sie voll allen Seiten betrachten und studiren kann; hier scheinen sie doch in der That mehr zur Decoration einer Wand zu dienen. Wieder trägt in diesem Falle einer der leitenden Grundsätze, welche bei dem Entwerfen des Bauplanes maßgebend waren, die Schuld. Es ist gewiß eine ganz richtige Tendenz, daß man das magazinartige Aufspeichern, welches Museen nicht selten zeigen, soviel wie möglich vermeiden wollte. Allein wenn man aus diesem Grunde die Architektur vielfach so geordnet hat, daß Gegenstände der Sammlungen zum Schmuck der Architektur benutzt werden könnten, so hätte man dabei doch mit größerer Rücksicht auf deu eigentlichen Zweck des Museums verfahren sollen. Und was hat man z. B. durch diese Anordnung des Tympanon gewonnen? Nichts als eine sehr mangelhafte Nachahmung griechischer Architektur in theatralischen Aufputz. Die Triglyphen enden unfern des Fußbodens, während Giebelspitze und Akroterien dicht nnter der flach gewölbten Saatbeete stehen; der ganze Giebel ist eingeklemmt, als sollte er zwischen die Presse genommen werden. Da lobe ich mir doch die schlichte AufMuug im einfachen Saale des älteren Museums, wo wenigstens die Formen in ihrer Reinheit vollständig betrachtet und in das Verständniß aufgenommen werden können. Im nächsten Saale, der seiner Bekleidung mit englischer Marmoreompost- tion noch entgegensieht, stehen in zwei Nischen einander gegenüber die Diana von Versailles und der Apoll von Belvedere. Früher fiel durch ein mattgeschliffenes Glas oberhalb einer dritten, mit Bilderschmuck reich versehenen Nische ein unbe¬ stimmtes und trübes Licht in diesen Saal. Mau hat deshalb im Grunde der durch das Oberlicht beleuchteten Nische nach der schmalen Nordseite des Gebäu¬ des zu ein Feuster nachträglich ausgebrochen, das nun dem ganzen Raume ein genügendes Licht spendet. Es folgt der eine Kuppelsaal, in der nördlichen Ecke der Fayade belegen. Die Wände desselben bilden sechs Nischen, in deren einer bei meiner letzten Durch- wanderung des Gebäudes eine kolossale Minerva stand, durch das vou oben Hereinsallende Licht sehr gut beleuchtet. Die Kuppelraume, wie die Treppenhalle sollen auch allerdings zur Aufstellung kolossaler Bildsäulen dienen. Die Mauer ist mit der Mischung aus Kalk und Marmorstaub in falbem Grün bekleidet, das einer trüben Oelfarbe gleicht. Von der hohen, mit Kassettirnng versehenen Kup- pelwölbnng grüßen zierliche Gemälde herab, Amoretten, welche mit Götter¬ attributen spielen. Der hieran sich schließende lange Saal, dessen fünf Fenster mit der Faoade nach Osten schauen, zeigt einfache Größe der architektonischen Gestaltung.» Pou-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/302
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/302>, abgerufen am 28.06.2024.