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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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welchen Edelleuten entflohen waren, einen ans dem Zuchthause in Bialystok
entsprungenen Raubmörder und einen Juden, der Roßhändler und außerdem ein
ehrlicher Maun zu sein behauptete. Das männliche Personal war 27, das weib¬
liche 5 Personen stark.

Die Gesellschaft war eine Räuberbande, wie die unzähligen, zum Theil
kostbaren Gegenstände, welche man in Beschlag nahm, unter denen eine gestoh¬
lene Kirchenglocke sogar in Polen Aufsehen erregte, bewiesen. Durch die Ent-
deckung gelangten verschiedene Gutsbesitzer und Bürger der Umgegend wenigstens
zu der beruhigenden Kenntniß, von wem die Gegenstände gestohlen worden wa¬
ren, die sie seit lauger Zeit vermißt hatten; denn an eine Rückerstattung war
nach Landesbrauch nicht zu denken.

Die würdige Classe der Pechbrenner gibt Herbergsvater für alle Arten von
Gestndel her. Sie müssen mit den Waldläufern in gutem Vernehmen stehen,
weil sie einsam im Walde wohnen nud viel zu fürchten hätten. Fast in jedem
umfänglichen polnischen Walde sanft ein Pechbrenner. Die Gutsbesitzer halten
es für Ehrellsache, einen solchen Menschen auf dem Gut zu haben, weil er eine
Art Beweis für den Umfang ihrer Forsten ist, und weil sie hoffen, durch ihn
die raublustigen Hände der Zigeuner und anderer Wilden von ihren Höfen ab¬
zuhalten. Die amtliche Thätigkeit des Pechbrenners ist die Ausrottung des
Waldes. Es ist nämlich landwirtschaftliche Sitte, die Felder, welche nicht dicht
beim Wirthschaftshofe liegen, nie zu düngen, dagegen vou Zeit zu Zeit zu be¬
walden und statt ihrer Theile des Waldes in Feld umzuwandeln. Daher kommt
es,^daß man in den polnischen Wäldern, welche in der Nähe der Dörfer liegen,
so oft die wellenförmigen Rücken des polnischen Ackerlandes findet.

Soll ein Stück Wald in Feld verwandelt werden, so muß der Pechbrenner
herbei. Er bricht seine einfache Hütte ab und errichtet sie an dem Ort seiner neuen
Thätigkeit im dichten Walde. Sein Geschäft ist: die Bäume innerhalb einer be¬
stimmten Zeit vom Boden wegzuräumen. Das aus deu Fichten und Tannen
gebrannte Pech, dessen Werth durchaus uicht unbedeutend ist, wird sein Eigen¬
thum und er gibt davou weder in Natur noch in Geld eine Steuer an den
Grundherrn. Dafür aber ist er verpflichtet, die Stämme mit der Wurzel aus-
zuheben, damit das Pflügen des Bodens nicht zu große Schwierigkeiten findet.
Allein diese Verpflichtung umgehen die Pechbrenner in der Regel. Sie sägen
die Stämme über der Erde ab und überlassen die Wurzeln der Fäulniß. Da¬
her steht man in Polen so viele Fruchtfelder, die ganz von Baumstümpfen er¬
füllt sind.

Bei Tage erscheinen die Pechbrennerhütten in dem Dunkel des Waldes
so öde und fromm wie Einsiedeleien. Aber in der Nacht regt sich in ihnen
eigenthümliches Leben. Sie füllen sich mit Schuften aller Art. Sieht man
Jemanden bei Nacht eiuer Pechbreunerhütte zureiten, so kann man fest an-


welchen Edelleuten entflohen waren, einen ans dem Zuchthause in Bialystok
entsprungenen Raubmörder und einen Juden, der Roßhändler und außerdem ein
ehrlicher Maun zu sein behauptete. Das männliche Personal war 27, das weib¬
liche 5 Personen stark.

Die Gesellschaft war eine Räuberbande, wie die unzähligen, zum Theil
kostbaren Gegenstände, welche man in Beschlag nahm, unter denen eine gestoh¬
lene Kirchenglocke sogar in Polen Aufsehen erregte, bewiesen. Durch die Ent-
deckung gelangten verschiedene Gutsbesitzer und Bürger der Umgegend wenigstens
zu der beruhigenden Kenntniß, von wem die Gegenstände gestohlen worden wa¬
ren, die sie seit lauger Zeit vermißt hatten; denn an eine Rückerstattung war
nach Landesbrauch nicht zu denken.

Die würdige Classe der Pechbrenner gibt Herbergsvater für alle Arten von
Gestndel her. Sie müssen mit den Waldläufern in gutem Vernehmen stehen,
weil sie einsam im Walde wohnen nud viel zu fürchten hätten. Fast in jedem
umfänglichen polnischen Walde sanft ein Pechbrenner. Die Gutsbesitzer halten
es für Ehrellsache, einen solchen Menschen auf dem Gut zu haben, weil er eine
Art Beweis für den Umfang ihrer Forsten ist, und weil sie hoffen, durch ihn
die raublustigen Hände der Zigeuner und anderer Wilden von ihren Höfen ab¬
zuhalten. Die amtliche Thätigkeit des Pechbrenners ist die Ausrottung des
Waldes. Es ist nämlich landwirtschaftliche Sitte, die Felder, welche nicht dicht
beim Wirthschaftshofe liegen, nie zu düngen, dagegen vou Zeit zu Zeit zu be¬
walden und statt ihrer Theile des Waldes in Feld umzuwandeln. Daher kommt
es,^daß man in den polnischen Wäldern, welche in der Nähe der Dörfer liegen,
so oft die wellenförmigen Rücken des polnischen Ackerlandes findet.

Soll ein Stück Wald in Feld verwandelt werden, so muß der Pechbrenner
herbei. Er bricht seine einfache Hütte ab und errichtet sie an dem Ort seiner neuen
Thätigkeit im dichten Walde. Sein Geschäft ist: die Bäume innerhalb einer be¬
stimmten Zeit vom Boden wegzuräumen. Das aus deu Fichten und Tannen
gebrannte Pech, dessen Werth durchaus uicht unbedeutend ist, wird sein Eigen¬
thum und er gibt davou weder in Natur noch in Geld eine Steuer an den
Grundherrn. Dafür aber ist er verpflichtet, die Stämme mit der Wurzel aus-
zuheben, damit das Pflügen des Bodens nicht zu große Schwierigkeiten findet.
Allein diese Verpflichtung umgehen die Pechbrenner in der Regel. Sie sägen
die Stämme über der Erde ab und überlassen die Wurzeln der Fäulniß. Da¬
her steht man in Polen so viele Fruchtfelder, die ganz von Baumstümpfen er¬
füllt sind.

Bei Tage erscheinen die Pechbrennerhütten in dem Dunkel des Waldes
so öde und fromm wie Einsiedeleien. Aber in der Nacht regt sich in ihnen
eigenthümliches Leben. Sie füllen sich mit Schuften aller Art. Sieht man
Jemanden bei Nacht eiuer Pechbreunerhütte zureiten, so kann man fest an-


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[0282] welchen Edelleuten entflohen waren, einen ans dem Zuchthause in Bialystok entsprungenen Raubmörder und einen Juden, der Roßhändler und außerdem ein ehrlicher Maun zu sein behauptete. Das männliche Personal war 27, das weib¬ liche 5 Personen stark. Die Gesellschaft war eine Räuberbande, wie die unzähligen, zum Theil kostbaren Gegenstände, welche man in Beschlag nahm, unter denen eine gestoh¬ lene Kirchenglocke sogar in Polen Aufsehen erregte, bewiesen. Durch die Ent- deckung gelangten verschiedene Gutsbesitzer und Bürger der Umgegend wenigstens zu der beruhigenden Kenntniß, von wem die Gegenstände gestohlen worden wa¬ ren, die sie seit lauger Zeit vermißt hatten; denn an eine Rückerstattung war nach Landesbrauch nicht zu denken. Die würdige Classe der Pechbrenner gibt Herbergsvater für alle Arten von Gestndel her. Sie müssen mit den Waldläufern in gutem Vernehmen stehen, weil sie einsam im Walde wohnen nud viel zu fürchten hätten. Fast in jedem umfänglichen polnischen Walde sanft ein Pechbrenner. Die Gutsbesitzer halten es für Ehrellsache, einen solchen Menschen auf dem Gut zu haben, weil er eine Art Beweis für den Umfang ihrer Forsten ist, und weil sie hoffen, durch ihn die raublustigen Hände der Zigeuner und anderer Wilden von ihren Höfen ab¬ zuhalten. Die amtliche Thätigkeit des Pechbrenners ist die Ausrottung des Waldes. Es ist nämlich landwirtschaftliche Sitte, die Felder, welche nicht dicht beim Wirthschaftshofe liegen, nie zu düngen, dagegen vou Zeit zu Zeit zu be¬ walden und statt ihrer Theile des Waldes in Feld umzuwandeln. Daher kommt es,^daß man in den polnischen Wäldern, welche in der Nähe der Dörfer liegen, so oft die wellenförmigen Rücken des polnischen Ackerlandes findet. Soll ein Stück Wald in Feld verwandelt werden, so muß der Pechbrenner herbei. Er bricht seine einfache Hütte ab und errichtet sie an dem Ort seiner neuen Thätigkeit im dichten Walde. Sein Geschäft ist: die Bäume innerhalb einer be¬ stimmten Zeit vom Boden wegzuräumen. Das aus deu Fichten und Tannen gebrannte Pech, dessen Werth durchaus uicht unbedeutend ist, wird sein Eigen¬ thum und er gibt davou weder in Natur noch in Geld eine Steuer an den Grundherrn. Dafür aber ist er verpflichtet, die Stämme mit der Wurzel aus- zuheben, damit das Pflügen des Bodens nicht zu große Schwierigkeiten findet. Allein diese Verpflichtung umgehen die Pechbrenner in der Regel. Sie sägen die Stämme über der Erde ab und überlassen die Wurzeln der Fäulniß. Da¬ her steht man in Polen so viele Fruchtfelder, die ganz von Baumstümpfen er¬ füllt sind. Bei Tage erscheinen die Pechbrennerhütten in dem Dunkel des Waldes so öde und fromm wie Einsiedeleien. Aber in der Nacht regt sich in ihnen eigenthümliches Leben. Sie füllen sich mit Schuften aller Art. Sieht man Jemanden bei Nacht eiuer Pechbreunerhütte zureiten, so kann man fest an-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/282>, abgerufen am 23.06.2024.