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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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bitter verhöhnten kurhessischen "Revolutionärs"; seine That war, wie die ihre, ein
Federstrich; mir daß er das Volt, d. h. 3WMV Bajonnette zur Deckung hatte,
die hessischen Beamten dagegen die gesammte Reichsarmee gegen sich, und die
Wahrscheinlichkeit vor Augen, mit Weib und Kind in's Elend gejagt zu werden.

Noch ein Wort im Ernst, ehe wir diesen häßlichen Gegenstand verlassen.
Es ist von einem preußischen Minister nicht recht, so leichtfertig mit dem Rechts-
gefühl von Beamten, namentlich von Richtern umzugehen. Die preußische Ge¬
schichte sollte eine andere Lehre geben. Als der mächtigste und populärste König
von Preußen -- in der MAler-Arnold'scheu Sache -- sein Machtwort in die
Wagschale legte gegen den Spruch des Gerichts, haben die Richter in Berlin
keinen Augenblick gezögert, trotz ihrer Ehrfurcht vor dem großen Fürsten, ihrem
Landesherrn, das Recht höher zu stellen, als seinen Willen. Sie haben sich in
den Kerker führen lassen, um ihrer Ueberzeugung treu zu bleiben. -- Die spätere
Zeit hat sie zu Ehren gebracht. -- Diese Männer waren so wenig Demokraten,
als die hessischen Richter, welche es wagen, ihre Rechtsüberzeugung dem Macht¬
wort eines Ministeriums entgegenzusetzen, an dessen Spitze ein Hassenpflug steht.
-- Das ist ein Vergleich, der einem preußischen Minister eine größere Vorsicht
in Dingen, wo es sich um Recht und Gerechtigkeit handelt, einflößen sollte. --
Lange bevor sich Preußen einer Verfassung erfreute, hat mau Recht über
Köuigswort gestellt. -- Man hat jene Männer durch Dragonaden widerlegt;
aber die Geschichte wird ihr Urtheil darüber sprechen, wie über die Dragonaden
Ludwigs XIV. --

Jetzt zu unsern Freunden, den Demokraten. Wir gestehell es ein, daß wir
nicht auf den Barrikaden gestanden haben. Wir gestehen es ein, daß wir dem
Straßenpflaster eine zweckmäßigere Beschäftigung wünschen, als aufgerissen und
den Leuten all die Köpfe geworfen zu werden; daß wir eine Droschke lieber
aufrecht, als umgestürzt sehe". -- Wir plaidiren "Schuldig." -- Aber siud -die
Führer der Demokratie mit uns nicht in gleicher Schuld? -- Wir glauben gern,
daß die Personen, die in der Nacht vom 18. Mai figurirten, Demokraten gewesen
sind; die von der Todtenschau veröffentlichten Namen klingen demokratisch genug.
Aber von den parlamentarischen Führern der Demokratie scheint doch keiner
darunter gewesen zu sein. Die Herren Waldeck, Temme, v. Kirchmann u. s. w.
waren ja damals in Berlin, sie haben sich doch wohl nicht in das Handgemenge
gemischt? -- Ebensowenig ist uns voll einer der parlamentarischen oder journa¬
listischen Notabilitäten der Partei etwas Derartiges bekannt geworden; selbst nach
Baden haben sich nur Wenige verirrt, und der Berliner Bürgerschaft, die gegen
Wrangel intriguirte, hat Herr Waldeck erklärt, er nehme keinen Theil daran, er verstehe
sich auf Strategie nicht. Wie im Proceß des Weiteren zu lesen. -- Freilich ist die
ganze Partei aus dem Saale gegangen, als Herr v. Bodelschwingh die Barrikadennacht
einen Straßeilfrevel nannte, aber diese nachträgliche Theilnahme war ungefähr-


bitter verhöhnten kurhessischen „Revolutionärs"; seine That war, wie die ihre, ein
Federstrich; mir daß er das Volt, d. h. 3WMV Bajonnette zur Deckung hatte,
die hessischen Beamten dagegen die gesammte Reichsarmee gegen sich, und die
Wahrscheinlichkeit vor Augen, mit Weib und Kind in's Elend gejagt zu werden.

Noch ein Wort im Ernst, ehe wir diesen häßlichen Gegenstand verlassen.
Es ist von einem preußischen Minister nicht recht, so leichtfertig mit dem Rechts-
gefühl von Beamten, namentlich von Richtern umzugehen. Die preußische Ge¬
schichte sollte eine andere Lehre geben. Als der mächtigste und populärste König
von Preußen — in der MAler-Arnold'scheu Sache — sein Machtwort in die
Wagschale legte gegen den Spruch des Gerichts, haben die Richter in Berlin
keinen Augenblick gezögert, trotz ihrer Ehrfurcht vor dem großen Fürsten, ihrem
Landesherrn, das Recht höher zu stellen, als seinen Willen. Sie haben sich in
den Kerker führen lassen, um ihrer Ueberzeugung treu zu bleiben. — Die spätere
Zeit hat sie zu Ehren gebracht. — Diese Männer waren so wenig Demokraten,
als die hessischen Richter, welche es wagen, ihre Rechtsüberzeugung dem Macht¬
wort eines Ministeriums entgegenzusetzen, an dessen Spitze ein Hassenpflug steht.
— Das ist ein Vergleich, der einem preußischen Minister eine größere Vorsicht
in Dingen, wo es sich um Recht und Gerechtigkeit handelt, einflößen sollte. —
Lange bevor sich Preußen einer Verfassung erfreute, hat mau Recht über
Köuigswort gestellt. — Man hat jene Männer durch Dragonaden widerlegt;
aber die Geschichte wird ihr Urtheil darüber sprechen, wie über die Dragonaden
Ludwigs XIV. —

Jetzt zu unsern Freunden, den Demokraten. Wir gestehell es ein, daß wir
nicht auf den Barrikaden gestanden haben. Wir gestehen es ein, daß wir dem
Straßenpflaster eine zweckmäßigere Beschäftigung wünschen, als aufgerissen und
den Leuten all die Köpfe geworfen zu werden; daß wir eine Droschke lieber
aufrecht, als umgestürzt sehe». — Wir plaidiren „Schuldig." — Aber siud -die
Führer der Demokratie mit uns nicht in gleicher Schuld? — Wir glauben gern,
daß die Personen, die in der Nacht vom 18. Mai figurirten, Demokraten gewesen
sind; die von der Todtenschau veröffentlichten Namen klingen demokratisch genug.
Aber von den parlamentarischen Führern der Demokratie scheint doch keiner
darunter gewesen zu sein. Die Herren Waldeck, Temme, v. Kirchmann u. s. w.
waren ja damals in Berlin, sie haben sich doch wohl nicht in das Handgemenge
gemischt? — Ebensowenig ist uns voll einer der parlamentarischen oder journa¬
listischen Notabilitäten der Partei etwas Derartiges bekannt geworden; selbst nach
Baden haben sich nur Wenige verirrt, und der Berliner Bürgerschaft, die gegen
Wrangel intriguirte, hat Herr Waldeck erklärt, er nehme keinen Theil daran, er verstehe
sich auf Strategie nicht. Wie im Proceß des Weiteren zu lesen. — Freilich ist die
ganze Partei aus dem Saale gegangen, als Herr v. Bodelschwingh die Barrikadennacht
einen Straßeilfrevel nannte, aber diese nachträgliche Theilnahme war ungefähr-


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[0226] bitter verhöhnten kurhessischen „Revolutionärs"; seine That war, wie die ihre, ein Federstrich; mir daß er das Volt, d. h. 3WMV Bajonnette zur Deckung hatte, die hessischen Beamten dagegen die gesammte Reichsarmee gegen sich, und die Wahrscheinlichkeit vor Augen, mit Weib und Kind in's Elend gejagt zu werden. Noch ein Wort im Ernst, ehe wir diesen häßlichen Gegenstand verlassen. Es ist von einem preußischen Minister nicht recht, so leichtfertig mit dem Rechts- gefühl von Beamten, namentlich von Richtern umzugehen. Die preußische Ge¬ schichte sollte eine andere Lehre geben. Als der mächtigste und populärste König von Preußen — in der MAler-Arnold'scheu Sache — sein Machtwort in die Wagschale legte gegen den Spruch des Gerichts, haben die Richter in Berlin keinen Augenblick gezögert, trotz ihrer Ehrfurcht vor dem großen Fürsten, ihrem Landesherrn, das Recht höher zu stellen, als seinen Willen. Sie haben sich in den Kerker führen lassen, um ihrer Ueberzeugung treu zu bleiben. — Die spätere Zeit hat sie zu Ehren gebracht. — Diese Männer waren so wenig Demokraten, als die hessischen Richter, welche es wagen, ihre Rechtsüberzeugung dem Macht¬ wort eines Ministeriums entgegenzusetzen, an dessen Spitze ein Hassenpflug steht. — Das ist ein Vergleich, der einem preußischen Minister eine größere Vorsicht in Dingen, wo es sich um Recht und Gerechtigkeit handelt, einflößen sollte. — Lange bevor sich Preußen einer Verfassung erfreute, hat mau Recht über Köuigswort gestellt. — Man hat jene Männer durch Dragonaden widerlegt; aber die Geschichte wird ihr Urtheil darüber sprechen, wie über die Dragonaden Ludwigs XIV. — Jetzt zu unsern Freunden, den Demokraten. Wir gestehell es ein, daß wir nicht auf den Barrikaden gestanden haben. Wir gestehen es ein, daß wir dem Straßenpflaster eine zweckmäßigere Beschäftigung wünschen, als aufgerissen und den Leuten all die Köpfe geworfen zu werden; daß wir eine Droschke lieber aufrecht, als umgestürzt sehe». — Wir plaidiren „Schuldig." — Aber siud -die Führer der Demokratie mit uns nicht in gleicher Schuld? — Wir glauben gern, daß die Personen, die in der Nacht vom 18. Mai figurirten, Demokraten gewesen sind; die von der Todtenschau veröffentlichten Namen klingen demokratisch genug. Aber von den parlamentarischen Führern der Demokratie scheint doch keiner darunter gewesen zu sein. Die Herren Waldeck, Temme, v. Kirchmann u. s. w. waren ja damals in Berlin, sie haben sich doch wohl nicht in das Handgemenge gemischt? — Ebensowenig ist uns voll einer der parlamentarischen oder journa¬ listischen Notabilitäten der Partei etwas Derartiges bekannt geworden; selbst nach Baden haben sich nur Wenige verirrt, und der Berliner Bürgerschaft, die gegen Wrangel intriguirte, hat Herr Waldeck erklärt, er nehme keinen Theil daran, er verstehe sich auf Strategie nicht. Wie im Proceß des Weiteren zu lesen. — Freilich ist die ganze Partei aus dem Saale gegangen, als Herr v. Bodelschwingh die Barrikadennacht einen Straßeilfrevel nannte, aber diese nachträgliche Theilnahme war ungefähr-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/226>, abgerufen am 01.07.2024.