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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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Mann haben wir schon vielfach gesprochen; Schlafrock und Pantoffeln mußten
einen um so spitzigeren Eindruck machen, da kurz vorher das Bonmot gegangen
war: der Starke geht rückwärts, und kurz nachher die Schreckensbotschaft: der
Philosoph Rüge und der General Klapka seien in Holstein eimnarschirt, um sich
an der Spitze der deutschen Demokratie gegen Oestreich in Bewegung zu setzen.
Der geistreiche Mann, der sich Arnold's persönlicher Bekanntschaft erfreut, mußte
wissen, daß uuter alleu Philosophen keiner weniger geeignet ist, eine Bataille zu
commandiren, als Dr. Ruge; und er könnte wenigstens von seinem Freunde
v. Prokesch erfahren, daß unter allen Generalen keiner weniger Lust habe, mit der
deutschen Demokratie Gruß und Handschlag zu wechseln, als der Vertheidiger
von Komorn. Man kann sich daher das feine Lächeln vorstellen, welches seinen
Mund umspielte, als er jene Schreckensbotschaft verkündete; dasselbe Lächeln,
mit dem er sich gegen Herrn von Prokesch verbeugte, als dieser ihm vertraulich
äußerte: Schaun's, der Radetzki ist doch ein wunderlicher alter Herr; hat
gesagt, die preußische Armee getraue er sich zwischen dem Daumen und dem Zeige¬
finger zu zerquetschen. -- Es ist doch recht menschlich von den großen Herren,
daß sie den Humor uicht verlieren.

Ich befürchte anch nicht, den guten Eindruck zu stören, wenn ich Pantoffeln
und Glacehandschuhe ein wenig umdrehe, um hinter ihre symbolische Bedeutung
zu kommen. -- Der Minister meint: die Demokraten haben doch Courage, sie
gehen aus die Barrikaden; aber ihr Liberalen treibt den Hochverrath aus dem
sichern Versteck, es fehlt euch an Muth. -- Und die Demokratie stimmt jubelnd
ein: ja wohl, die Reaction hat doch Courage! sie läßt uns hängen oder steckt
uns in's Zuchthaus, aber ihr Liberalen habt uns nicht einmal in's Zuchthaus
gesteckt, als ihr die Negierung hattet; es fehlt euch an Muth. -- Und Klad¬
deradatsch und Zuschauer liegen sich brüderlich in den Armen, und laben sich an
dem Schmause der Gothaer Würste.

Wir wollen antworten, Einem nach dem Andern.

Es wäre thöricht, an dem Muthe des preußischen Premiers zu zweifeln; er
hat ja auch selbst gesagt, daß er die Spitzkugeln den spitzigen Reden vorziehe.
Nur wird Se. Excellenz uns die Bemerkung gestatten, daß er diese Vorliebe
bisher mehr theoretisch als praktisch bewährt hat. Allerdings siud ihm eine
ganze Reihe rettender Thaten gelungen, allein er hat es nicht nöthig gehabt, sich
zu diesem Zweck dem tödtlichen Blei auszusetzen. Er hat weder in Person die
Barrikaden gestürmt, noch in Person die badischen Schlachten geschlagen; die
rettenden Decrete hat er in seinem Cabinet verfaßt, und wenn er bei dieser
Beschäftigung verschmähte, sich in Schlafrock und Pantoffeln zu werfen, oder
Glacehandschuhe anzuziehen, so war der Grund dieses mangelhaften Coftüms
nicht der Drang der Nothwendigkeit, sondern persönliche Abneigung gegen die
Pantoffeln. Dem Sinne nach hat er ebenso gehandelt, als die von ihm so


Mann haben wir schon vielfach gesprochen; Schlafrock und Pantoffeln mußten
einen um so spitzigeren Eindruck machen, da kurz vorher das Bonmot gegangen
war: der Starke geht rückwärts, und kurz nachher die Schreckensbotschaft: der
Philosoph Rüge und der General Klapka seien in Holstein eimnarschirt, um sich
an der Spitze der deutschen Demokratie gegen Oestreich in Bewegung zu setzen.
Der geistreiche Mann, der sich Arnold's persönlicher Bekanntschaft erfreut, mußte
wissen, daß uuter alleu Philosophen keiner weniger geeignet ist, eine Bataille zu
commandiren, als Dr. Ruge; und er könnte wenigstens von seinem Freunde
v. Prokesch erfahren, daß unter allen Generalen keiner weniger Lust habe, mit der
deutschen Demokratie Gruß und Handschlag zu wechseln, als der Vertheidiger
von Komorn. Man kann sich daher das feine Lächeln vorstellen, welches seinen
Mund umspielte, als er jene Schreckensbotschaft verkündete; dasselbe Lächeln,
mit dem er sich gegen Herrn von Prokesch verbeugte, als dieser ihm vertraulich
äußerte: Schaun's, der Radetzki ist doch ein wunderlicher alter Herr; hat
gesagt, die preußische Armee getraue er sich zwischen dem Daumen und dem Zeige¬
finger zu zerquetschen. — Es ist doch recht menschlich von den großen Herren,
daß sie den Humor uicht verlieren.

Ich befürchte anch nicht, den guten Eindruck zu stören, wenn ich Pantoffeln
und Glacehandschuhe ein wenig umdrehe, um hinter ihre symbolische Bedeutung
zu kommen. — Der Minister meint: die Demokraten haben doch Courage, sie
gehen aus die Barrikaden; aber ihr Liberalen treibt den Hochverrath aus dem
sichern Versteck, es fehlt euch an Muth. — Und die Demokratie stimmt jubelnd
ein: ja wohl, die Reaction hat doch Courage! sie läßt uns hängen oder steckt
uns in's Zuchthaus, aber ihr Liberalen habt uns nicht einmal in's Zuchthaus
gesteckt, als ihr die Negierung hattet; es fehlt euch an Muth. — Und Klad¬
deradatsch und Zuschauer liegen sich brüderlich in den Armen, und laben sich an
dem Schmause der Gothaer Würste.

Wir wollen antworten, Einem nach dem Andern.

Es wäre thöricht, an dem Muthe des preußischen Premiers zu zweifeln; er
hat ja auch selbst gesagt, daß er die Spitzkugeln den spitzigen Reden vorziehe.
Nur wird Se. Excellenz uns die Bemerkung gestatten, daß er diese Vorliebe
bisher mehr theoretisch als praktisch bewährt hat. Allerdings siud ihm eine
ganze Reihe rettender Thaten gelungen, allein er hat es nicht nöthig gehabt, sich
zu diesem Zweck dem tödtlichen Blei auszusetzen. Er hat weder in Person die
Barrikaden gestürmt, noch in Person die badischen Schlachten geschlagen; die
rettenden Decrete hat er in seinem Cabinet verfaßt, und wenn er bei dieser
Beschäftigung verschmähte, sich in Schlafrock und Pantoffeln zu werfen, oder
Glacehandschuhe anzuziehen, so war der Grund dieses mangelhaften Coftüms
nicht der Drang der Nothwendigkeit, sondern persönliche Abneigung gegen die
Pantoffeln. Dem Sinne nach hat er ebenso gehandelt, als die von ihm so


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[0225] Mann haben wir schon vielfach gesprochen; Schlafrock und Pantoffeln mußten einen um so spitzigeren Eindruck machen, da kurz vorher das Bonmot gegangen war: der Starke geht rückwärts, und kurz nachher die Schreckensbotschaft: der Philosoph Rüge und der General Klapka seien in Holstein eimnarschirt, um sich an der Spitze der deutschen Demokratie gegen Oestreich in Bewegung zu setzen. Der geistreiche Mann, der sich Arnold's persönlicher Bekanntschaft erfreut, mußte wissen, daß uuter alleu Philosophen keiner weniger geeignet ist, eine Bataille zu commandiren, als Dr. Ruge; und er könnte wenigstens von seinem Freunde v. Prokesch erfahren, daß unter allen Generalen keiner weniger Lust habe, mit der deutschen Demokratie Gruß und Handschlag zu wechseln, als der Vertheidiger von Komorn. Man kann sich daher das feine Lächeln vorstellen, welches seinen Mund umspielte, als er jene Schreckensbotschaft verkündete; dasselbe Lächeln, mit dem er sich gegen Herrn von Prokesch verbeugte, als dieser ihm vertraulich äußerte: Schaun's, der Radetzki ist doch ein wunderlicher alter Herr; hat gesagt, die preußische Armee getraue er sich zwischen dem Daumen und dem Zeige¬ finger zu zerquetschen. — Es ist doch recht menschlich von den großen Herren, daß sie den Humor uicht verlieren. Ich befürchte anch nicht, den guten Eindruck zu stören, wenn ich Pantoffeln und Glacehandschuhe ein wenig umdrehe, um hinter ihre symbolische Bedeutung zu kommen. — Der Minister meint: die Demokraten haben doch Courage, sie gehen aus die Barrikaden; aber ihr Liberalen treibt den Hochverrath aus dem sichern Versteck, es fehlt euch an Muth. — Und die Demokratie stimmt jubelnd ein: ja wohl, die Reaction hat doch Courage! sie läßt uns hängen oder steckt uns in's Zuchthaus, aber ihr Liberalen habt uns nicht einmal in's Zuchthaus gesteckt, als ihr die Negierung hattet; es fehlt euch an Muth. — Und Klad¬ deradatsch und Zuschauer liegen sich brüderlich in den Armen, und laben sich an dem Schmause der Gothaer Würste. Wir wollen antworten, Einem nach dem Andern. Es wäre thöricht, an dem Muthe des preußischen Premiers zu zweifeln; er hat ja auch selbst gesagt, daß er die Spitzkugeln den spitzigen Reden vorziehe. Nur wird Se. Excellenz uns die Bemerkung gestatten, daß er diese Vorliebe bisher mehr theoretisch als praktisch bewährt hat. Allerdings siud ihm eine ganze Reihe rettender Thaten gelungen, allein er hat es nicht nöthig gehabt, sich zu diesem Zweck dem tödtlichen Blei auszusetzen. Er hat weder in Person die Barrikaden gestürmt, noch in Person die badischen Schlachten geschlagen; die rettenden Decrete hat er in seinem Cabinet verfaßt, und wenn er bei dieser Beschäftigung verschmähte, sich in Schlafrock und Pantoffeln zu werfen, oder Glacehandschuhe anzuziehen, so war der Grund dieses mangelhaften Coftüms nicht der Drang der Nothwendigkeit, sondern persönliche Abneigung gegen die Pantoffeln. Dem Sinne nach hat er ebenso gehandelt, als die von ihm so

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/225>, abgerufen am 29.06.2024.