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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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und Schweif empor, blasen die Nüstern ans, schnauben und stampfen mit den
Füßen, fliegen pfeilschnell nach der Heerde zurück und daun wieder derselben
Stelle zu. Bei solcher Gelegenheit zeigt sich das Roß in seiner ganzen Schön¬
heit. Aber trotz dem Muthe, der ihm eigen ist, sobald es sich frei und ohne
Zügel fühlt, besteht es doch den Kampf mit den Wölfen nicht siegreich, wenn es
vereinzelt angefallen wird. Dagegen wagen aber anch einzelne Wölfe nicht, ein
Roß anzufallen. Ueberhaupt fehlt ihnen, wenn sie sich nicht in Mehrzahl befin¬
den, der Muth zu Angriff und Raub sehr. Oft habe ich einen Wolf in der
Nähe von Schaf- und Rinderheerden gesehen, ohne daß er von seiner Raublust
etwas merken ließ, außer daß er nichtswürdige Blicke schoß.

Der Schaden, welcher durch diese Ureimvohuer der polnischen Waldungen an¬
gerichtet wird, ist ungeheuer und die Erträge des Bodens werden dadurch wesentlich
verringert, wenngleich das Vieh in großer Zahl vorhanden ist und so niedrig im Preise
steht, daß dieser uns Deutschen unglaublich erscheint. Denn man kauft in dem östlichen
Polen für 3 bis 4 Ducaten ein nicht schlechtes Pferd, für 12 Ducaten einen prächtigen
Zugochsen, für 5 Thaler ein ausgemästetes anderthalbjähriges Schwein, für 8 bis
12 deutsche Groschen ein vier Wochen altes Kalb, für 6 Groschen ein Ferkel, für
8 Groschen eine Gans; gegenwärtig freilich siud durch die Truppeulast, welche
auf Polen liegt, und aus andern zufälligen Gründen die Preise der Znchtthiere
etwas höher. Das Überhandnehmen der Wolfe seit 1832 würde sich durch bekannte
statistische Angaben des Schadens, den sie jährlich angerichtet, sehr deutlich macheu
lassen, wenn ich nicht fürchtete, die Leser zu langweilen. Ohne Uebertreibung
darf man sagen, daß sich ihre Zahl verdreifacht hat. Der Statthalter Paökiewicz
gibt zu Haltung von Gewehren etwa 300 Erlaubnißkarten aus. Welche Wir¬
kung können aber 300 Flinten auf so vielen Quadratmeilen bei so dichten und
wilden Waldungen hervorbringen, zumal sich doch die meisten Gewehre in den
Händen vornehmer Herren befinden, welche sie nur bisweilen zu ihrem Vergnügen
benutzen. Sehr viele Grundbesitzer haben keine Gewehre, und die eins besitzen,
kommen niemals in ihre Wälder, wenigstens nicht in die, welche die rechte Hei¬
math der Wölfe sind. Zudem weiß man in Polen von Treibjagden nichts und
findet es viel ergötzlicher, einen eingefangenen Fuchs durch Windhunde niederzu-
setzen, als auf einen Wolf zu schieße".

Man hat es in Polen versucht, Wind- und Jagdhunde auf die Wolföhatz
abzurichten, allein ohne Erfolg. Eine ausgestopfte Wolfihaut, auf die mau die
Hunde abrichtet, packen sie allerdings muthig mit ihren Zähnen; allein sobald sie
merken, daß unter der Wolfshaut Leben ist, weichen sie furchtsam zurück. Uudressirte
Hunde verkriechen sich gleich beim ersten Anblick eines Wolfs, dressirte aber, welche
sich koppelweise beisammen befinden, hören auf den Ruf des Hetzeudeu, allein sie
springen den Wolf nur bis ans 20--30 Schritte an; zu Leibe gehen sie ihm nie.


Grenzboten. I. 1851. 27

und Schweif empor, blasen die Nüstern ans, schnauben und stampfen mit den
Füßen, fliegen pfeilschnell nach der Heerde zurück und daun wieder derselben
Stelle zu. Bei solcher Gelegenheit zeigt sich das Roß in seiner ganzen Schön¬
heit. Aber trotz dem Muthe, der ihm eigen ist, sobald es sich frei und ohne
Zügel fühlt, besteht es doch den Kampf mit den Wölfen nicht siegreich, wenn es
vereinzelt angefallen wird. Dagegen wagen aber anch einzelne Wölfe nicht, ein
Roß anzufallen. Ueberhaupt fehlt ihnen, wenn sie sich nicht in Mehrzahl befin¬
den, der Muth zu Angriff und Raub sehr. Oft habe ich einen Wolf in der
Nähe von Schaf- und Rinderheerden gesehen, ohne daß er von seiner Raublust
etwas merken ließ, außer daß er nichtswürdige Blicke schoß.

Der Schaden, welcher durch diese Ureimvohuer der polnischen Waldungen an¬
gerichtet wird, ist ungeheuer und die Erträge des Bodens werden dadurch wesentlich
verringert, wenngleich das Vieh in großer Zahl vorhanden ist und so niedrig im Preise
steht, daß dieser uns Deutschen unglaublich erscheint. Denn man kauft in dem östlichen
Polen für 3 bis 4 Ducaten ein nicht schlechtes Pferd, für 12 Ducaten einen prächtigen
Zugochsen, für 5 Thaler ein ausgemästetes anderthalbjähriges Schwein, für 8 bis
12 deutsche Groschen ein vier Wochen altes Kalb, für 6 Groschen ein Ferkel, für
8 Groschen eine Gans; gegenwärtig freilich siud durch die Truppeulast, welche
auf Polen liegt, und aus andern zufälligen Gründen die Preise der Znchtthiere
etwas höher. Das Überhandnehmen der Wolfe seit 1832 würde sich durch bekannte
statistische Angaben des Schadens, den sie jährlich angerichtet, sehr deutlich macheu
lassen, wenn ich nicht fürchtete, die Leser zu langweilen. Ohne Uebertreibung
darf man sagen, daß sich ihre Zahl verdreifacht hat. Der Statthalter Paökiewicz
gibt zu Haltung von Gewehren etwa 300 Erlaubnißkarten aus. Welche Wir¬
kung können aber 300 Flinten auf so vielen Quadratmeilen bei so dichten und
wilden Waldungen hervorbringen, zumal sich doch die meisten Gewehre in den
Händen vornehmer Herren befinden, welche sie nur bisweilen zu ihrem Vergnügen
benutzen. Sehr viele Grundbesitzer haben keine Gewehre, und die eins besitzen,
kommen niemals in ihre Wälder, wenigstens nicht in die, welche die rechte Hei¬
math der Wölfe sind. Zudem weiß man in Polen von Treibjagden nichts und
findet es viel ergötzlicher, einen eingefangenen Fuchs durch Windhunde niederzu-
setzen, als auf einen Wolf zu schieße».

Man hat es in Polen versucht, Wind- und Jagdhunde auf die Wolföhatz
abzurichten, allein ohne Erfolg. Eine ausgestopfte Wolfihaut, auf die mau die
Hunde abrichtet, packen sie allerdings muthig mit ihren Zähnen; allein sobald sie
merken, daß unter der Wolfshaut Leben ist, weichen sie furchtsam zurück. Uudressirte
Hunde verkriechen sich gleich beim ersten Anblick eines Wolfs, dressirte aber, welche
sich koppelweise beisammen befinden, hören auf den Ruf des Hetzeudeu, allein sie
springen den Wolf nur bis ans 20—30 Schritte an; zu Leibe gehen sie ihm nie.


Grenzboten. I. 1851. 27
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/221>, abgerufen am 04.07.2024.