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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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und producirende Thätigkeit ein innerer Markt von einer Bedeutung geschaffen
werden, daß zunächst das Bedürfniß des Absatzes nach außenhin sehr beschränkt
nach vollständiger Entfaltung des heimischen Gewerbfleißes aber es erreicht werden
dürfe, die Concurrenz des Auslandes auf auswärtigen Märkten desto besser zu
bestehen, in ähnlicher Weise wie wir dies in Betreff der Industrie Großbritaniens
an einem lehrreichen Beispiele vor Augen haben.

Gilt dieses aber für die Gesammtheit der in Rede stehenden Staatengebiete,
so mag speciell in Betreff unserer vaterländischen Provinz auf das hohe Interesse
hingewiesen werden, welches für diese die Anbahnung einer Verbindung des Zoll¬
vereins mit Oestreich aus volkswirtschaftlichen Gebiete haben muß. -- Die
Wunden, welche eine lange Reihe ungünstiger, zum Theil oben erwähnter Er¬
eignisse dem Handel und der Industrie Schlesiens geschlagen, würden durch
solche Vereinigung geheilt, und die von Natur gesegnete Provinz einer hohen
Blüthe in Handel, Gewerbe und Ackerbau entgegengeführt werden." --

Mit dein ersten Theile der Deduction dieser Denkschrift ist dies Blatt voll¬
ständig einverstanden, und daß ein freierer Handelsverkehr mit Oestreich gerade
für Schlesien nothwendig ist, soll hier ebensowenig geleugnet werdeu. Nur bitten
wir unsere Freunde in Schlesien zu bedenken, daß für eine solche Verbindung im
Interesse Preußens grade jetzt die Zeit nicht vorhanden ist. Hätten wir eine
kräftige, mannhafte Regierung, empfänden wir Preußen nus mit Stolz und
Freude als ein tüchtiges Volk, welches sich seiner liberalen Staatsinstitutionen
freut und zu Haus und vor Fremden sich auf die Tüchtigkeit seines Staates etwas
einbilden kann, so würden wir Eurer Meinung sein, daß.'es uns Preußen und
Norddeutschen in kurzer Zeit gelingen werde, das östreichische Regiment auf fried¬
lichem Wege ganz allmälig zu durchlöchern, gleichsam aufzuessen. Aber Preußen
ist jetzt grade gedrückt, schwach, in einem gefährlichen Uebergangsstadium begriffen,
unser Patriotismus ist uicht kalt, aber er vermag nicht mehr Andere zu erwärmen
und für uus zu gewinnen. Unter der gegenwärtigen Regierung Preußens wird
Preußen und der Zollverein nicht Oestreich unterwerfen, sondern Oestreich uns,
und der politische Druck, welchen eine Herrschaft Oestreichs über Deutschland auch
ans uns bringen würde, die mürrische Opposition im Volke, die politischen
Krämpfe und Zuckungen, welche die rücksichtslose Reaction Oestreichs bei uns
erzeugen müßte, wird den Aufschwung unserer Industrie und unsers Handels noch
mehr lähmen, als eine falsche Zollgesetzgebung Preußens. In Eurer Denkschrift
habt Ihr, Freunde in Breslau, sehr richtig auseinandergesetzt, daß Englands
Wohlstand groß geworden ist durch sein Schutzzollsystem, denkt auch daran, daß
alle Zollsysteme ihm wenig genützt hätten ohne seine politische Freiheit,, welche
die Engländer zu starken, unternehmenden und energischen Geschäftsleuten gemacht
hat. Kein politisch gedrücktes Volk kommt zu großem materiellem Wohlstand, zu


und producirende Thätigkeit ein innerer Markt von einer Bedeutung geschaffen
werden, daß zunächst das Bedürfniß des Absatzes nach außenhin sehr beschränkt
nach vollständiger Entfaltung des heimischen Gewerbfleißes aber es erreicht werden
dürfe, die Concurrenz des Auslandes auf auswärtigen Märkten desto besser zu
bestehen, in ähnlicher Weise wie wir dies in Betreff der Industrie Großbritaniens
an einem lehrreichen Beispiele vor Augen haben.

Gilt dieses aber für die Gesammtheit der in Rede stehenden Staatengebiete,
so mag speciell in Betreff unserer vaterländischen Provinz auf das hohe Interesse
hingewiesen werden, welches für diese die Anbahnung einer Verbindung des Zoll¬
vereins mit Oestreich aus volkswirtschaftlichen Gebiete haben muß. — Die
Wunden, welche eine lange Reihe ungünstiger, zum Theil oben erwähnter Er¬
eignisse dem Handel und der Industrie Schlesiens geschlagen, würden durch
solche Vereinigung geheilt, und die von Natur gesegnete Provinz einer hohen
Blüthe in Handel, Gewerbe und Ackerbau entgegengeführt werden." —

Mit dein ersten Theile der Deduction dieser Denkschrift ist dies Blatt voll¬
ständig einverstanden, und daß ein freierer Handelsverkehr mit Oestreich gerade
für Schlesien nothwendig ist, soll hier ebensowenig geleugnet werdeu. Nur bitten
wir unsere Freunde in Schlesien zu bedenken, daß für eine solche Verbindung im
Interesse Preußens grade jetzt die Zeit nicht vorhanden ist. Hätten wir eine
kräftige, mannhafte Regierung, empfänden wir Preußen nus mit Stolz und
Freude als ein tüchtiges Volk, welches sich seiner liberalen Staatsinstitutionen
freut und zu Haus und vor Fremden sich auf die Tüchtigkeit seines Staates etwas
einbilden kann, so würden wir Eurer Meinung sein, daß.'es uns Preußen und
Norddeutschen in kurzer Zeit gelingen werde, das östreichische Regiment auf fried¬
lichem Wege ganz allmälig zu durchlöchern, gleichsam aufzuessen. Aber Preußen
ist jetzt grade gedrückt, schwach, in einem gefährlichen Uebergangsstadium begriffen,
unser Patriotismus ist uicht kalt, aber er vermag nicht mehr Andere zu erwärmen
und für uus zu gewinnen. Unter der gegenwärtigen Regierung Preußens wird
Preußen und der Zollverein nicht Oestreich unterwerfen, sondern Oestreich uns,
und der politische Druck, welchen eine Herrschaft Oestreichs über Deutschland auch
ans uns bringen würde, die mürrische Opposition im Volke, die politischen
Krämpfe und Zuckungen, welche die rücksichtslose Reaction Oestreichs bei uns
erzeugen müßte, wird den Aufschwung unserer Industrie und unsers Handels noch
mehr lähmen, als eine falsche Zollgesetzgebung Preußens. In Eurer Denkschrift
habt Ihr, Freunde in Breslau, sehr richtig auseinandergesetzt, daß Englands
Wohlstand groß geworden ist durch sein Schutzzollsystem, denkt auch daran, daß
alle Zollsysteme ihm wenig genützt hätten ohne seine politische Freiheit,, welche
die Engländer zu starken, unternehmenden und energischen Geschäftsleuten gemacht
hat. Kein politisch gedrücktes Volk kommt zu großem materiellem Wohlstand, zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/203>, abgerufen am 29.06.2024.