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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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die Berge herunterfällt, bis zur offenen See, so daß die östreichische Landstraße
von Ragusa nach Cattaro durch türkisches Land gehen muß, und die Oestreicher
als Herren des Küstenwassers den Türken das Recht nehmen mußten, zu Schiffe
an die türkische Landspitze zu fahren. Diese schmale Landspitze bildet die eine
Seite des Einganges zur Bai, die Mitte beherrscht ein kleines Felseneiland. Es
ist Nachmittag, das Meer glatt wie ein Spiegel, an den Schaufeln des Dämpfers
stäubt die dunkle Fluth zu Millionen silberner und goldener Tropfen, und die
Sonne wirft ihre gelbett Lichter auf das Laud, welches vor uusern Blicken aussteigt.
Es gibt wenig schönere Punkte an den Ufern des Mittelmeeres, die an landschaft¬
lichen Reizen so reich sind; es gibt keinen größern und schönern Hafen im Mit¬
telmeer, als den Meerbusen, in welchen der Dämpfer jetzt hineinschwimmt.

Es ist kein Hafen, sondern eine Masse von Häfen, welche in den Biegungen
der Bai nach allen Seiten sich öffnen, gesichert durch die Felsenberge, geschützt
durch die Tiefe des Wassers, die den größten Flotten den Zugang bis dicht zum
Lande verstattet. Zwei Stunden lang fährt man auf dem Dämpfer von der
Einfahrt ans bis zum hintern Punkte der Bai, an welcher die Stadt Cattaro
liegt. Gleich nach der Einfahrt öffnet sich ein weites Wasserbecken, wie eine
Anßenrhede, gerade vor uns von Castel nuovo bewacht. Ueber der stattlichen
Stadt steigt die Beste am Berge empor, ein alter Ban, von den Spaniern unter
Karl V. angelegt, dann von den Venetianern besetzt. Türken, Spanier, Maltheser,
Bosnier und Venetianer haben nach einander an den Steinen gerüttelt; zuletzt
hat die dämonische Faust der Unterwelt in einem furchtbaren Erdbeben sie aus-
einandergerissen. Morsch und zersprungen stehen die Mauern, ein Denkmal der
tragischen Schicksale des Landes, jetzt ein romantischer Schmuck der Landschaft,
von seltsamen Felsformen, lachendem Grün und dem frischen Leben der Stadt
darunter eingefaßt. Von Castel nuovo wendet sich der Dämpfer durch die
Rhede nach Südosten, wo die Bai sich vereinigt und eine Einfahrt, dveea, bil¬
det, durch welche die innern Theile des Wasserbeckens von der Außenrhede ge¬
trennt sind. Dies innere Becken besteht aus drei großen Wasserdreiecken, welche
mit ihren Spitzen zusammenstoßen; das vordere ist das größte; von den Hin¬
teren, welche wie zwei Flügel einander gegenüber liegen, bildet das linke die Bai
von Nisano, das rechte die Bai von Cattaro. Sechsmal verengt sich -- die
erste Einfahrt von der offenen See mit gerechnet, -- der große Meerbusen zu
engeren Durchfahrten; von diesen Durchfahrten führt er den alten Namen:
Bocche ti Cattaro, die Umwohner den Namen Boceheseu. Von dem Augen¬
blick an, wo der Dämpfer Castel nuovo verläßt, in das Innere der Bai einzu¬
dringen, weilt das Auge entzückt auf einer Reihe von landschaftlichen
Bildern, so schön und so verschieden von einander, daß die Abwech¬
selung in der Pracht bis zum Ende der Fahrt das Ange gefesselt hält.
Bei Castel nuovo siud die grauen Berge an ihren Abhängen mit Bäumen


die Berge herunterfällt, bis zur offenen See, so daß die östreichische Landstraße
von Ragusa nach Cattaro durch türkisches Land gehen muß, und die Oestreicher
als Herren des Küstenwassers den Türken das Recht nehmen mußten, zu Schiffe
an die türkische Landspitze zu fahren. Diese schmale Landspitze bildet die eine
Seite des Einganges zur Bai, die Mitte beherrscht ein kleines Felseneiland. Es
ist Nachmittag, das Meer glatt wie ein Spiegel, an den Schaufeln des Dämpfers
stäubt die dunkle Fluth zu Millionen silberner und goldener Tropfen, und die
Sonne wirft ihre gelbett Lichter auf das Laud, welches vor uusern Blicken aussteigt.
Es gibt wenig schönere Punkte an den Ufern des Mittelmeeres, die an landschaft¬
lichen Reizen so reich sind; es gibt keinen größern und schönern Hafen im Mit¬
telmeer, als den Meerbusen, in welchen der Dämpfer jetzt hineinschwimmt.

Es ist kein Hafen, sondern eine Masse von Häfen, welche in den Biegungen
der Bai nach allen Seiten sich öffnen, gesichert durch die Felsenberge, geschützt
durch die Tiefe des Wassers, die den größten Flotten den Zugang bis dicht zum
Lande verstattet. Zwei Stunden lang fährt man auf dem Dämpfer von der
Einfahrt ans bis zum hintern Punkte der Bai, an welcher die Stadt Cattaro
liegt. Gleich nach der Einfahrt öffnet sich ein weites Wasserbecken, wie eine
Anßenrhede, gerade vor uns von Castel nuovo bewacht. Ueber der stattlichen
Stadt steigt die Beste am Berge empor, ein alter Ban, von den Spaniern unter
Karl V. angelegt, dann von den Venetianern besetzt. Türken, Spanier, Maltheser,
Bosnier und Venetianer haben nach einander an den Steinen gerüttelt; zuletzt
hat die dämonische Faust der Unterwelt in einem furchtbaren Erdbeben sie aus-
einandergerissen. Morsch und zersprungen stehen die Mauern, ein Denkmal der
tragischen Schicksale des Landes, jetzt ein romantischer Schmuck der Landschaft,
von seltsamen Felsformen, lachendem Grün und dem frischen Leben der Stadt
darunter eingefaßt. Von Castel nuovo wendet sich der Dämpfer durch die
Rhede nach Südosten, wo die Bai sich vereinigt und eine Einfahrt, dveea, bil¬
det, durch welche die innern Theile des Wasserbeckens von der Außenrhede ge¬
trennt sind. Dies innere Becken besteht aus drei großen Wasserdreiecken, welche
mit ihren Spitzen zusammenstoßen; das vordere ist das größte; von den Hin¬
teren, welche wie zwei Flügel einander gegenüber liegen, bildet das linke die Bai
von Nisano, das rechte die Bai von Cattaro. Sechsmal verengt sich — die
erste Einfahrt von der offenen See mit gerechnet, — der große Meerbusen zu
engeren Durchfahrten; von diesen Durchfahrten führt er den alten Namen:
Bocche ti Cattaro, die Umwohner den Namen Boceheseu. Von dem Augen¬
blick an, wo der Dämpfer Castel nuovo verläßt, in das Innere der Bai einzu¬
dringen, weilt das Auge entzückt auf einer Reihe von landschaftlichen
Bildern, so schön und so verschieden von einander, daß die Abwech¬
selung in der Pracht bis zum Ende der Fahrt das Ange gefesselt hält.
Bei Castel nuovo siud die grauen Berge an ihren Abhängen mit Bäumen


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[0147] die Berge herunterfällt, bis zur offenen See, so daß die östreichische Landstraße von Ragusa nach Cattaro durch türkisches Land gehen muß, und die Oestreicher als Herren des Küstenwassers den Türken das Recht nehmen mußten, zu Schiffe an die türkische Landspitze zu fahren. Diese schmale Landspitze bildet die eine Seite des Einganges zur Bai, die Mitte beherrscht ein kleines Felseneiland. Es ist Nachmittag, das Meer glatt wie ein Spiegel, an den Schaufeln des Dämpfers stäubt die dunkle Fluth zu Millionen silberner und goldener Tropfen, und die Sonne wirft ihre gelbett Lichter auf das Laud, welches vor uusern Blicken aussteigt. Es gibt wenig schönere Punkte an den Ufern des Mittelmeeres, die an landschaft¬ lichen Reizen so reich sind; es gibt keinen größern und schönern Hafen im Mit¬ telmeer, als den Meerbusen, in welchen der Dämpfer jetzt hineinschwimmt. Es ist kein Hafen, sondern eine Masse von Häfen, welche in den Biegungen der Bai nach allen Seiten sich öffnen, gesichert durch die Felsenberge, geschützt durch die Tiefe des Wassers, die den größten Flotten den Zugang bis dicht zum Lande verstattet. Zwei Stunden lang fährt man auf dem Dämpfer von der Einfahrt ans bis zum hintern Punkte der Bai, an welcher die Stadt Cattaro liegt. Gleich nach der Einfahrt öffnet sich ein weites Wasserbecken, wie eine Anßenrhede, gerade vor uns von Castel nuovo bewacht. Ueber der stattlichen Stadt steigt die Beste am Berge empor, ein alter Ban, von den Spaniern unter Karl V. angelegt, dann von den Venetianern besetzt. Türken, Spanier, Maltheser, Bosnier und Venetianer haben nach einander an den Steinen gerüttelt; zuletzt hat die dämonische Faust der Unterwelt in einem furchtbaren Erdbeben sie aus- einandergerissen. Morsch und zersprungen stehen die Mauern, ein Denkmal der tragischen Schicksale des Landes, jetzt ein romantischer Schmuck der Landschaft, von seltsamen Felsformen, lachendem Grün und dem frischen Leben der Stadt darunter eingefaßt. Von Castel nuovo wendet sich der Dämpfer durch die Rhede nach Südosten, wo die Bai sich vereinigt und eine Einfahrt, dveea, bil¬ det, durch welche die innern Theile des Wasserbeckens von der Außenrhede ge¬ trennt sind. Dies innere Becken besteht aus drei großen Wasserdreiecken, welche mit ihren Spitzen zusammenstoßen; das vordere ist das größte; von den Hin¬ teren, welche wie zwei Flügel einander gegenüber liegen, bildet das linke die Bai von Nisano, das rechte die Bai von Cattaro. Sechsmal verengt sich — die erste Einfahrt von der offenen See mit gerechnet, — der große Meerbusen zu engeren Durchfahrten; von diesen Durchfahrten führt er den alten Namen: Bocche ti Cattaro, die Umwohner den Namen Boceheseu. Von dem Augen¬ blick an, wo der Dämpfer Castel nuovo verläßt, in das Innere der Bai einzu¬ dringen, weilt das Auge entzückt auf einer Reihe von landschaftlichen Bildern, so schön und so verschieden von einander, daß die Abwech¬ selung in der Pracht bis zum Ende der Fahrt das Ange gefesselt hält. Bei Castel nuovo siud die grauen Berge an ihren Abhängen mit Bäumen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/147>, abgerufen am 22.06.2024.