Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.Dichter, d. h. den lebhast und mit einer gewissen Gewalt empfindenden Geist, -- Das Lustspiel: Leonee und Lena, ist uuter Tieck'sehen Einfluß ge¬ Dichter, d. h. den lebhast und mit einer gewissen Gewalt empfindenden Geist, — Das Lustspiel: Leonee und Lena, ist uuter Tieck'sehen Einfluß ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0136" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/91874"/> <p xml:id="ID_369" prev="#ID_368"> Dichter, d. h. den lebhast und mit einer gewissen Gewalt empfindenden Geist,<lb/> der, was er darstellt, darstellen muß.</p><lb/> <p xml:id="ID_370" next="#ID_371"> — Das Lustspiel: Leonee und Lena, ist uuter Tieck'sehen Einfluß ge¬<lb/> schrieben. Leonce ist Prinz Zerbino, König Peter ist König Gottlieb, auch die<lb/> Nebenfiguren sind entlehnt. — Lenz war ein Wahnsinniger, Leouce leidet an<lb/> der Modekrankheit des Spleens und der Blasirtheit. — „Ich habe alle Hände<lb/> voll zu thun. Ich weiß mir vor Arbeit uicht zu helfen. Sehen Sie, erst habe<lb/> ich aus den Stein 365 Mal zu spucken." U. s. w. — „Was die Leute nicht<lb/> alles aus Langeweile treiben! Sie studiren aus Langeweile, sie beten aus Lan-<lb/> geweile, sie verliehen, verheirathen und vermehren sich ans Langeweile und<lb/> sterben endlich aus Langeweile, und — das ist der Humor davon — Alles mit<lb/> den wichtigsten Gesichtern, ohne zu merken, warum? Alle diese Helden, diese<lb/> Genies, diese Dummköpfe, diese Heiligen, diese Sünder, diese Familienväter<lb/> siud im Grunde nichts als raffinirte Müßiggänger. Warum muß ich es gerade<lb/> wissen? Warum kauu ich uur uicht wichtig werdeu und der armen Puppe einen<lb/> Nock anziehen und einen Regenschirm in die Hand geben, daß sie sehr rechtlich<lb/> und sehr nützlich und sehr moralisch würde?" — „Meine Herren, wißt ihr auch,<lb/> was Caligula und Nero waren? Ich weiß es. — Mein Leben gähnt mich an,<lb/> wie ein großer weißer Bogen Papier, den ich vollschreiben soll, aber ich bringe<lb/> t'einen Buchstaben heraus. Mein Kopf ist ein leerer Tanzsaal, einige verwelkte<lb/> Rosen und zerknitterte Bäuderv auf dem Boden, geborstene Violinen in der Ecke,<lb/> die letzten Tänzer haben die Masken abgenommen und sehen mit todtmüden<lb/> Augen einander an. O ich kenne mich, ich weiß, was ich in eiuer Viertelstunde,<lb/> was ich in acht Tagen, was ich in einem Jahre denken und träumen werde.<lb/> Gott, was habe ich denn verbrochen, daß du mich, wie einen Schule'nahen, meine<lb/> Lection so oft hersagen läßt?" — Nach diesen Stimmungen hat er sich auch das<lb/> Ideal eines Frauenzimmers gebildet. „Unendlich schön und unendlich geistlos.<lb/> Ein köstlicher Contrast: diese himmlisch stupiden Augen, dieser göttlich einfältige<lb/> Mund, dieses schaafuasige griechische Profil, dieser geistige Tod in diesem gei¬<lb/> stigen Leib." — Als er dies Ideal gefunden, will er im höchsten Augenblick in's<lb/> Wasser springen; der Hanswurst hält ihn ab. „Mensch, du hast mich um den<lb/> schönsten Selbstmord gebracht. Ich werde in meinem Leben keinen so vorzüg¬<lb/> lichen Augenblick dazu finden, und das Wetter ist vortrefflich.. Jetzt bin ich<lb/> schon aus der Stimmung. Der Kerl hat mir mit seiner gelben Weste und seinen<lb/> himmelblauen Hosen Alles verdorben." — Endlich heirathet er, und das goldene<lb/> Zeitalter beginnt: „Es wird ein Decret erlassen, daß wer sich Schwielen an die<lb/> Hände schafft, crimiualistisch strafbar ist; daß Jeder, der sich rühmt, sein Brod im<lb/> Schweiß seines Angesichts zu essen, für verrückt und der menschlichen Gesellschaft<lb/> gefährlich erklärt wird; und dann legen wir uns in den Schatten und bitten</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0136]
Dichter, d. h. den lebhast und mit einer gewissen Gewalt empfindenden Geist,
der, was er darstellt, darstellen muß.
— Das Lustspiel: Leonee und Lena, ist uuter Tieck'sehen Einfluß ge¬
schrieben. Leonce ist Prinz Zerbino, König Peter ist König Gottlieb, auch die
Nebenfiguren sind entlehnt. — Lenz war ein Wahnsinniger, Leouce leidet an
der Modekrankheit des Spleens und der Blasirtheit. — „Ich habe alle Hände
voll zu thun. Ich weiß mir vor Arbeit uicht zu helfen. Sehen Sie, erst habe
ich aus den Stein 365 Mal zu spucken." U. s. w. — „Was die Leute nicht
alles aus Langeweile treiben! Sie studiren aus Langeweile, sie beten aus Lan-
geweile, sie verliehen, verheirathen und vermehren sich ans Langeweile und
sterben endlich aus Langeweile, und — das ist der Humor davon — Alles mit
den wichtigsten Gesichtern, ohne zu merken, warum? Alle diese Helden, diese
Genies, diese Dummköpfe, diese Heiligen, diese Sünder, diese Familienväter
siud im Grunde nichts als raffinirte Müßiggänger. Warum muß ich es gerade
wissen? Warum kauu ich uur uicht wichtig werdeu und der armen Puppe einen
Nock anziehen und einen Regenschirm in die Hand geben, daß sie sehr rechtlich
und sehr nützlich und sehr moralisch würde?" — „Meine Herren, wißt ihr auch,
was Caligula und Nero waren? Ich weiß es. — Mein Leben gähnt mich an,
wie ein großer weißer Bogen Papier, den ich vollschreiben soll, aber ich bringe
t'einen Buchstaben heraus. Mein Kopf ist ein leerer Tanzsaal, einige verwelkte
Rosen und zerknitterte Bäuderv auf dem Boden, geborstene Violinen in der Ecke,
die letzten Tänzer haben die Masken abgenommen und sehen mit todtmüden
Augen einander an. O ich kenne mich, ich weiß, was ich in eiuer Viertelstunde,
was ich in acht Tagen, was ich in einem Jahre denken und träumen werde.
Gott, was habe ich denn verbrochen, daß du mich, wie einen Schule'nahen, meine
Lection so oft hersagen läßt?" — Nach diesen Stimmungen hat er sich auch das
Ideal eines Frauenzimmers gebildet. „Unendlich schön und unendlich geistlos.
Ein köstlicher Contrast: diese himmlisch stupiden Augen, dieser göttlich einfältige
Mund, dieses schaafuasige griechische Profil, dieser geistige Tod in diesem gei¬
stigen Leib." — Als er dies Ideal gefunden, will er im höchsten Augenblick in's
Wasser springen; der Hanswurst hält ihn ab. „Mensch, du hast mich um den
schönsten Selbstmord gebracht. Ich werde in meinem Leben keinen so vorzüg¬
lichen Augenblick dazu finden, und das Wetter ist vortrefflich.. Jetzt bin ich
schon aus der Stimmung. Der Kerl hat mir mit seiner gelben Weste und seinen
himmelblauen Hosen Alles verdorben." — Endlich heirathet er, und das goldene
Zeitalter beginnt: „Es wird ein Decret erlassen, daß wer sich Schwielen an die
Hände schafft, crimiualistisch strafbar ist; daß Jeder, der sich rühmt, sein Brod im
Schweiß seines Angesichts zu essen, für verrückt und der menschlichen Gesellschaft
gefährlich erklärt wird; und dann legen wir uns in den Schatten und bitten
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |