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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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daß bei seiner ersten großartigen Erhebung seine Vertreter so viel Gefühl für
Recht und Sitte hatten, daß sie nicht den Weg blutiger Gewaltthat, sondern den
gesetzlicher Entwickelung gingen; ich bin stolz darauf, daß wir nicht den Muth
hatten, einen andern Weg zu gehen, als den wir gegangen sind. Wenn auch die
Hoffnung des Jahres 1848 gescheitert scheint, wenn es auch ein trauriger Anblick
ist, treffliche Patrioten, wie Gagern, Arndt, Dcihlmann, mit blutendem Herzen
ans der alten Mainstadt hinausziehen zu sehen, -- das Werk der Einheit Deutsch¬
lands ist darum doch nicht verloren! Wenn das Volk überall von den ihm gesetz¬
lich zustehenden Mitteln kräftigen Gebrauch macht, wenn die Volksvertretungen
der Einzelstaaten die Triebräder in Bewegung setzen, mit denen man im Consti-
tutionalismus den Willen der Mehrheit nach und nach zur Geltung bringen muß,
wenn es immer und immer wieder tönt: wir wollen die Einheit Deutschlands,
wir wollen die Reichsverfassung! -- so wird das Ziel unfehlbar erreicht werden.
Wie lange ist es her, daß die Minister in den meisten deutscheu Staaten ihren
Ständen vordemonstrirten, wie das öffentliche Gerichtsverfahren und die Schwur¬
gerichte das verderblichste Institut seien? Und jetzt spricht man öffentlich Recht,
Geschworene urtheilen über ihre Mitbürger, und woher kommt das? Weil der
beharrliche Wille, das beständige Geltendmachen der öffentlichen Meinung die harte
Kruste der Bureaukratie gesprengt und das Rechte zur Anerkennung gebracht hat
und zur Anerkennung bringen mußte. So wird es auch mit der Einigung
Deutschlands gehen, und ich scheide deshalb, wenn auch mit schwerem Herzen wegen
so mancher für jetzt vereitelten Hoffnung, so doch mit zuversichtlichen Blick in die
Zukunft. Die treue Arbeit wahrhaft patriotischer Männer, welche, rein das Ziel
der Einheit und Freiheit Deutschlands im Auge, redlich kämpften und strebten,
kann nicht verloren sein, und Gott wird unsrer guten Sache den Sieg verleihen,
wenn das Volk dieser guten und heiligen Sache sich würdig zeigt. Sollte sür
jetzt die Macht der Bajonette stärker sein, als der allgemein kundgegebene Wille
des Volks -- nun, dieser Zustand wird nicht lange dauern, und dieselben Männer,
welche man als Fürstenknechte und Reactionaire im abgelaufenen Jahre nicht genug
zu verdächtigen wußte, sie werden gewiß im Kampf gegen dynastische Willkür nicht
dahinten bleiben!"

Darauf folgt eine specielle Vertheidigung Gagerns, des geliebten und ver¬
ehrten Führers, gegen die Verunglimpfungen der Demokraten. Erst nachdem er
diesem Drange seines ritterlichen Gemüths und den Pflichten gegen das Allge¬
meine genügt hat, kommt er auf seine persönlichen Verhältnisse. "Ich scheide aus
einer Stadt," sagt er, "aus einer Gegend, an welche die liebsten, unvergeßlichsten
Erinnerungen mich knüpfen. Sie wissen es ja: als im vorigen Jahre Ihr Ver¬
trauen mich zum Abgeordneten defignirte, damals stand eine treue Lebensgefährtin
mir zur Seite, ein geliebtes Kind führte ich an der Hand. Das verflossene Jahr
hat neben so manchem Großen auch das schöne Glück meiner kleinen Häuslichkeit


daß bei seiner ersten großartigen Erhebung seine Vertreter so viel Gefühl für
Recht und Sitte hatten, daß sie nicht den Weg blutiger Gewaltthat, sondern den
gesetzlicher Entwickelung gingen; ich bin stolz darauf, daß wir nicht den Muth
hatten, einen andern Weg zu gehen, als den wir gegangen sind. Wenn auch die
Hoffnung des Jahres 1848 gescheitert scheint, wenn es auch ein trauriger Anblick
ist, treffliche Patrioten, wie Gagern, Arndt, Dcihlmann, mit blutendem Herzen
ans der alten Mainstadt hinausziehen zu sehen, — das Werk der Einheit Deutsch¬
lands ist darum doch nicht verloren! Wenn das Volk überall von den ihm gesetz¬
lich zustehenden Mitteln kräftigen Gebrauch macht, wenn die Volksvertretungen
der Einzelstaaten die Triebräder in Bewegung setzen, mit denen man im Consti-
tutionalismus den Willen der Mehrheit nach und nach zur Geltung bringen muß,
wenn es immer und immer wieder tönt: wir wollen die Einheit Deutschlands,
wir wollen die Reichsverfassung! — so wird das Ziel unfehlbar erreicht werden.
Wie lange ist es her, daß die Minister in den meisten deutscheu Staaten ihren
Ständen vordemonstrirten, wie das öffentliche Gerichtsverfahren und die Schwur¬
gerichte das verderblichste Institut seien? Und jetzt spricht man öffentlich Recht,
Geschworene urtheilen über ihre Mitbürger, und woher kommt das? Weil der
beharrliche Wille, das beständige Geltendmachen der öffentlichen Meinung die harte
Kruste der Bureaukratie gesprengt und das Rechte zur Anerkennung gebracht hat
und zur Anerkennung bringen mußte. So wird es auch mit der Einigung
Deutschlands gehen, und ich scheide deshalb, wenn auch mit schwerem Herzen wegen
so mancher für jetzt vereitelten Hoffnung, so doch mit zuversichtlichen Blick in die
Zukunft. Die treue Arbeit wahrhaft patriotischer Männer, welche, rein das Ziel
der Einheit und Freiheit Deutschlands im Auge, redlich kämpften und strebten,
kann nicht verloren sein, und Gott wird unsrer guten Sache den Sieg verleihen,
wenn das Volk dieser guten und heiligen Sache sich würdig zeigt. Sollte sür
jetzt die Macht der Bajonette stärker sein, als der allgemein kundgegebene Wille
des Volks — nun, dieser Zustand wird nicht lange dauern, und dieselben Männer,
welche man als Fürstenknechte und Reactionaire im abgelaufenen Jahre nicht genug
zu verdächtigen wußte, sie werden gewiß im Kampf gegen dynastische Willkür nicht
dahinten bleiben!"

Darauf folgt eine specielle Vertheidigung Gagerns, des geliebten und ver¬
ehrten Führers, gegen die Verunglimpfungen der Demokraten. Erst nachdem er
diesem Drange seines ritterlichen Gemüths und den Pflichten gegen das Allge¬
meine genügt hat, kommt er auf seine persönlichen Verhältnisse. „Ich scheide aus
einer Stadt," sagt er, „aus einer Gegend, an welche die liebsten, unvergeßlichsten
Erinnerungen mich knüpfen. Sie wissen es ja: als im vorigen Jahre Ihr Ver¬
trauen mich zum Abgeordneten defignirte, damals stand eine treue Lebensgefährtin
mir zur Seite, ein geliebtes Kind führte ich an der Hand. Das verflossene Jahr
hat neben so manchem Großen auch das schöne Glück meiner kleinen Häuslichkeit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/81>, abgerufen am 01.09.2024.