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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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belegte Erdköthe. Zwischen beiden geht der kundige Köhler hin und her, der die
kostende Gluth in dem mit Erde belegten Meiler durch Zuglöcher nach Belieben
hin und her lenkt, indem er sie kunstgerecht von der Spitze aus nach allen Seiten
den Weg nach unten bis auf die breite Basis hinabführt. Grüßend mit dem
fröhlichen "Glück aus!", geschmückt mit dem festlich glänzenden Hinterleder, der
Gürtelschnalle und dem "Gewürzbeutel", den er selbst an seinem Hochzeitstage
nicht ablegt, schreitet am Sonntage der Bergmann vorüber, dessen Haar mit den
Jahren wohl zuweilen in den Kupferbergwerken grün geworden ist, wie das des
Neptun; seine Gestalt ist schlank und schmächtig, sie hat Nichts vom bäuerischen
Behage", im Gesicht wohnt die Blässe des Arbeiters, dabei sieht mau aber doch
dem Körper die Muskelkraft an, die ihm eigen ist. Folgen wir einem solchen
Wandersmann in seine Wohnung, so dringt uns in derselben eine wahre Back¬
ofenhitze entgegen; übrigens ist sie gewöhnlich schmuck und reinlich, mit vielen
niedrigen Fenstern und heiterm Lichte; die Fenster sind mit Blumen geschmückt
und mit kleinen Käfigen besetzt, in denen Kanarienvögel zwitschern und gelehrige
Vögel aller Art ihre Melodien herstammeln. Von der Thür des Wirthshauses her
ruft uus wol schon vou Weitem ein Kolkrabe aus dem Käfig im scharfen Harz-
schen Dialekt sein: hiehar, Kevatter! hiehar, Kevatter! entgegen.

In Bezug aus den Dialekt ist der Oberharz als eine, wenn gleich keines¬
wegs von seiner Umgebung streng abgeschlossene Sprachinsel zu betrachten, die
lebhast an Franken erinnert. Von dort her nämlich wurden einst die ersten Berg¬
leute Hieher berufen, deren Nachkommen noch jetzt hier in die Gruben fahren.
Aus einem Oberharzischen Gedichte von Karl Schulze heben wir folgende kurze
Dialektprobe hervor:

Wie anschaulich und gemüthlich die Sprache des Volkes hier oben ist, geht
daraus hervor, daß eine kahle Bergfläche bei Wildemann nur den malerischen
Namen "Schweinebraten" führt. Die Küsse heißen dort "Schnuhtels." Im
Mannsfeldischen, wo Giebelhansen Gedichte im Dialekt veröffentlichte, heißt
ein Kuß ein "Meilichen"; dort sind überhaupt die Verkleinerungswörter zu
Hause, sogar in solchen Wörtern, wie "vulldchens" (vollends) und "Hüttchen
Pfäffchen" (fehlgeschlagen). Täte (im niedersächsischen Teile) heißt im Manns¬
feldischen der Vater, kaschpernath (desperat) ärgerlich; Kiewe die Kühe, Maule die
Krankheit, Muusch das Moos, und Geschweinstes das Schweinefleisch, was an das
Oestreichische "Schweinernes" erinnert. Was die Sprache des Unterharzes im All¬
gemeinen betrifft, so hört aus ihr auch Der, der seine Geschichte nicht kennt, bald


belegte Erdköthe. Zwischen beiden geht der kundige Köhler hin und her, der die
kostende Gluth in dem mit Erde belegten Meiler durch Zuglöcher nach Belieben
hin und her lenkt, indem er sie kunstgerecht von der Spitze aus nach allen Seiten
den Weg nach unten bis auf die breite Basis hinabführt. Grüßend mit dem
fröhlichen „Glück aus!", geschmückt mit dem festlich glänzenden Hinterleder, der
Gürtelschnalle und dem „Gewürzbeutel", den er selbst an seinem Hochzeitstage
nicht ablegt, schreitet am Sonntage der Bergmann vorüber, dessen Haar mit den
Jahren wohl zuweilen in den Kupferbergwerken grün geworden ist, wie das des
Neptun; seine Gestalt ist schlank und schmächtig, sie hat Nichts vom bäuerischen
Behage», im Gesicht wohnt die Blässe des Arbeiters, dabei sieht mau aber doch
dem Körper die Muskelkraft an, die ihm eigen ist. Folgen wir einem solchen
Wandersmann in seine Wohnung, so dringt uns in derselben eine wahre Back¬
ofenhitze entgegen; übrigens ist sie gewöhnlich schmuck und reinlich, mit vielen
niedrigen Fenstern und heiterm Lichte; die Fenster sind mit Blumen geschmückt
und mit kleinen Käfigen besetzt, in denen Kanarienvögel zwitschern und gelehrige
Vögel aller Art ihre Melodien herstammeln. Von der Thür des Wirthshauses her
ruft uus wol schon vou Weitem ein Kolkrabe aus dem Käfig im scharfen Harz-
schen Dialekt sein: hiehar, Kevatter! hiehar, Kevatter! entgegen.

In Bezug aus den Dialekt ist der Oberharz als eine, wenn gleich keines¬
wegs von seiner Umgebung streng abgeschlossene Sprachinsel zu betrachten, die
lebhast an Franken erinnert. Von dort her nämlich wurden einst die ersten Berg¬
leute Hieher berufen, deren Nachkommen noch jetzt hier in die Gruben fahren.
Aus einem Oberharzischen Gedichte von Karl Schulze heben wir folgende kurze
Dialektprobe hervor:

Wie anschaulich und gemüthlich die Sprache des Volkes hier oben ist, geht
daraus hervor, daß eine kahle Bergfläche bei Wildemann nur den malerischen
Namen „Schweinebraten" führt. Die Küsse heißen dort „Schnuhtels." Im
Mannsfeldischen, wo Giebelhansen Gedichte im Dialekt veröffentlichte, heißt
ein Kuß ein „Meilichen"; dort sind überhaupt die Verkleinerungswörter zu
Hause, sogar in solchen Wörtern, wie „vulldchens" (vollends) und „Hüttchen
Pfäffchen" (fehlgeschlagen). Täte (im niedersächsischen Teile) heißt im Manns¬
feldischen der Vater, kaschpernath (desperat) ärgerlich; Kiewe die Kühe, Maule die
Krankheit, Muusch das Moos, und Geschweinstes das Schweinefleisch, was an das
Oestreichische „Schweinernes" erinnert. Was die Sprache des Unterharzes im All¬
gemeinen betrifft, so hört aus ihr auch Der, der seine Geschichte nicht kennt, bald


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/505>, abgerufen am 01.09.2024.