Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

werden, am Wichtigsten die bekannten Höhlen im Bodethal." Diese, die Bcmmanuö-
nnd Bielshöhle init ihren wunderlichen, meist säulenartig dastehenden Tropfstein-
bildnngen, die schon an und für sich mit ihrem schwarzen, marmorähnlich gefleckten
und geäderten Kalkstein ein seltsames Aussehen haben, sind nach der Anstedt Ein¬
zelner durch bloße Aufblähung des Blasenkalks gebildet; nach der Ansicht Anderer
sind sie ursprüglich Flußbetten hindurchströmender unterirdischer Gewässer gewesen.
Daß das Bodethal und vielleicht der Harz überhaupt früher wasserreicher gewesen,
als jetzt, beweisen die mächtigen Steinblöcke, welche weit über den Wasserspiegel
der kleinen, gewaltig schäumenden Bode hinausragen, und dennoch oben voll¬
kommen ausgewaschen und ausgehöhlt sind. An vielen Orten, besonders auf dem
Oberharz, ist der Wassermangel sehr fühlbar, und er ist es, der in diesem Gebirge am
Empfindlichsten an eine gewisse Armuth der Natur erinnert. Die Flüsse des Harzes,
sowol die, welche sich der Elbe, als die sich der Weser zuwenden, entspringen fast
alle auf dem Brocken, in der Nähe der Wolken, oft ganz dicht bei einander.
Von den Thälern, welche sich später bilden, hängt der Anfang des Holtemmethals,
die sogenannte steinerne Rinne, noch am Unmittelbarsten M dem Brocken selbst
zusammen, und verdient in mancher Hinsicht vor allen Andern den Vorzug, wird
aber wegen seiner Wildheit und Unzugänglichkeit am Wenigsten besucht. Die
Quellen am Brocken zerfallen in Moor- und Steinquellen; zu den erstern gehören
die Hexcnbrnnnen, nur die letztern liefern trinkbares Wasser. Die Brockenquellen
nehmen merklich ab mit dem Abholzen der Wälder und schwellen wieder an,
wenn neue Forste heranwachsen, so wie sie auch uach den Jahreszeiten anschwellen
und verschwinden. Das eigentliche "Wassermagazin des Harzes" ist das--am
westlichen Fuße des Brockens sich ausdehnende Brockenfeld. Mit einer umfang¬
reichen, schwammigen Moosdecke bekleidet, sangt es Schnee, Regen und Nebel
ein, und strömt die eingesogene Feuchtigkeit in vielen Quellen nach allen Weltge¬
genden hin wieder von sich. Auf dem Brocken selbst liegt der Schnee bis in
den Mai und Juni hinein, und das alte Schneemark wird mir von Wind und
Regen, nicht von der Wärme, die hier zu allen Jahreszeiten fehlt, verzehrt. Das
Klima des Harzes soll im Ganzen dem von Schweden und Norwegen gleichen.
Namentlich der Oberharz hat wenig Frühling, viel Nebel und Regen, und kaum
sechs Wochen Sommer. Seine schönste Jahreszeit ist der Winter, wo die Felsen
von Eiszapfen starren und langdauernde prächtige Schlittenbahnen das ganze
Gebirge beleben. Man zieht sogar mit Handschlitten auf den Brocken, um ab¬
wärts bis Ilsenburg zu fahren.

Die Harzflüsse sind eben so krystallhell als wasserarm, und daher sehr reich
an Krebsen und Fischen, besonders auch an Forellen. Der Graf von Wernigerode,
dnrch dessen Besitzungen zwei Brockenflüsse, die Holtemme nud die Ilse, ihren
Weg nehmen, führt sogar eine Forelle im Wappen. Wo die Thäler weit werden,
wie das Wipperthal bei Wippra, werden aus Wiesen und Aengern große Lein-


58*

werden, am Wichtigsten die bekannten Höhlen im Bodethal." Diese, die Bcmmanuö-
nnd Bielshöhle init ihren wunderlichen, meist säulenartig dastehenden Tropfstein-
bildnngen, die schon an und für sich mit ihrem schwarzen, marmorähnlich gefleckten
und geäderten Kalkstein ein seltsames Aussehen haben, sind nach der Anstedt Ein¬
zelner durch bloße Aufblähung des Blasenkalks gebildet; nach der Ansicht Anderer
sind sie ursprüglich Flußbetten hindurchströmender unterirdischer Gewässer gewesen.
Daß das Bodethal und vielleicht der Harz überhaupt früher wasserreicher gewesen,
als jetzt, beweisen die mächtigen Steinblöcke, welche weit über den Wasserspiegel
der kleinen, gewaltig schäumenden Bode hinausragen, und dennoch oben voll¬
kommen ausgewaschen und ausgehöhlt sind. An vielen Orten, besonders auf dem
Oberharz, ist der Wassermangel sehr fühlbar, und er ist es, der in diesem Gebirge am
Empfindlichsten an eine gewisse Armuth der Natur erinnert. Die Flüsse des Harzes,
sowol die, welche sich der Elbe, als die sich der Weser zuwenden, entspringen fast
alle auf dem Brocken, in der Nähe der Wolken, oft ganz dicht bei einander.
Von den Thälern, welche sich später bilden, hängt der Anfang des Holtemmethals,
die sogenannte steinerne Rinne, noch am Unmittelbarsten M dem Brocken selbst
zusammen, und verdient in mancher Hinsicht vor allen Andern den Vorzug, wird
aber wegen seiner Wildheit und Unzugänglichkeit am Wenigsten besucht. Die
Quellen am Brocken zerfallen in Moor- und Steinquellen; zu den erstern gehören
die Hexcnbrnnnen, nur die letztern liefern trinkbares Wasser. Die Brockenquellen
nehmen merklich ab mit dem Abholzen der Wälder und schwellen wieder an,
wenn neue Forste heranwachsen, so wie sie auch uach den Jahreszeiten anschwellen
und verschwinden. Das eigentliche „Wassermagazin des Harzes" ist das--am
westlichen Fuße des Brockens sich ausdehnende Brockenfeld. Mit einer umfang¬
reichen, schwammigen Moosdecke bekleidet, sangt es Schnee, Regen und Nebel
ein, und strömt die eingesogene Feuchtigkeit in vielen Quellen nach allen Weltge¬
genden hin wieder von sich. Auf dem Brocken selbst liegt der Schnee bis in
den Mai und Juni hinein, und das alte Schneemark wird mir von Wind und
Regen, nicht von der Wärme, die hier zu allen Jahreszeiten fehlt, verzehrt. Das
Klima des Harzes soll im Ganzen dem von Schweden und Norwegen gleichen.
Namentlich der Oberharz hat wenig Frühling, viel Nebel und Regen, und kaum
sechs Wochen Sommer. Seine schönste Jahreszeit ist der Winter, wo die Felsen
von Eiszapfen starren und langdauernde prächtige Schlittenbahnen das ganze
Gebirge beleben. Man zieht sogar mit Handschlitten auf den Brocken, um ab¬
wärts bis Ilsenburg zu fahren.

Die Harzflüsse sind eben so krystallhell als wasserarm, und daher sehr reich
an Krebsen und Fischen, besonders auch an Forellen. Der Graf von Wernigerode,
dnrch dessen Besitzungen zwei Brockenflüsse, die Holtemme nud die Ilse, ihren
Weg nehmen, führt sogar eine Forelle im Wappen. Wo die Thäler weit werden,
wie das Wipperthal bei Wippra, werden aus Wiesen und Aengern große Lein-


58*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0471" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/91664"/>
          <p xml:id="ID_1278" prev="#ID_1277"> werden, am Wichtigsten die bekannten Höhlen im Bodethal." Diese, die Bcmmanuö-<lb/>
nnd Bielshöhle init ihren wunderlichen, meist säulenartig dastehenden Tropfstein-<lb/>
bildnngen, die schon an und für sich mit ihrem schwarzen, marmorähnlich gefleckten<lb/>
und geäderten Kalkstein ein seltsames Aussehen haben, sind nach der Anstedt Ein¬<lb/>
zelner durch bloße Aufblähung des Blasenkalks gebildet; nach der Ansicht Anderer<lb/>
sind sie ursprüglich Flußbetten hindurchströmender unterirdischer Gewässer gewesen.<lb/>
Daß das Bodethal und vielleicht der Harz überhaupt früher wasserreicher gewesen,<lb/>
als jetzt, beweisen die mächtigen Steinblöcke, welche weit über den Wasserspiegel<lb/>
der kleinen, gewaltig schäumenden Bode hinausragen, und dennoch oben voll¬<lb/>
kommen ausgewaschen und ausgehöhlt sind. An vielen Orten, besonders auf dem<lb/>
Oberharz, ist der Wassermangel sehr fühlbar, und er ist es, der in diesem Gebirge am<lb/>
Empfindlichsten an eine gewisse Armuth der Natur erinnert. Die Flüsse des Harzes,<lb/>
sowol die, welche sich der Elbe, als die sich der Weser zuwenden, entspringen fast<lb/>
alle auf dem Brocken, in der Nähe der Wolken, oft ganz dicht bei einander.<lb/>
Von den Thälern, welche sich später bilden, hängt der Anfang des Holtemmethals,<lb/>
die sogenannte steinerne Rinne, noch am Unmittelbarsten M dem Brocken selbst<lb/>
zusammen, und verdient in mancher Hinsicht vor allen Andern den Vorzug, wird<lb/>
aber wegen seiner Wildheit und Unzugänglichkeit am Wenigsten besucht. Die<lb/>
Quellen am Brocken zerfallen in Moor- und Steinquellen; zu den erstern gehören<lb/>
die Hexcnbrnnnen, nur die letztern liefern trinkbares Wasser. Die Brockenquellen<lb/>
nehmen merklich ab mit dem Abholzen der Wälder und schwellen wieder an,<lb/>
wenn neue Forste heranwachsen, so wie sie auch uach den Jahreszeiten anschwellen<lb/>
und verschwinden. Das eigentliche &#x201E;Wassermagazin des Harzes" ist das--am<lb/>
westlichen Fuße des Brockens sich ausdehnende Brockenfeld. Mit einer umfang¬<lb/>
reichen, schwammigen Moosdecke bekleidet, sangt es Schnee, Regen und Nebel<lb/>
ein, und strömt die eingesogene Feuchtigkeit in vielen Quellen nach allen Weltge¬<lb/>
genden hin wieder von sich. Auf dem Brocken selbst liegt der Schnee bis in<lb/>
den Mai und Juni hinein, und das alte Schneemark wird mir von Wind und<lb/>
Regen, nicht von der Wärme, die hier zu allen Jahreszeiten fehlt, verzehrt. Das<lb/>
Klima des Harzes soll im Ganzen dem von Schweden und Norwegen gleichen.<lb/>
Namentlich der Oberharz hat wenig Frühling, viel Nebel und Regen, und kaum<lb/>
sechs Wochen Sommer. Seine schönste Jahreszeit ist der Winter, wo die Felsen<lb/>
von Eiszapfen starren und langdauernde prächtige Schlittenbahnen das ganze<lb/>
Gebirge beleben. Man zieht sogar mit Handschlitten auf den Brocken, um ab¬<lb/>
wärts bis Ilsenburg zu fahren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1279" next="#ID_1280"> Die Harzflüsse sind eben so krystallhell als wasserarm, und daher sehr reich<lb/>
an Krebsen und Fischen, besonders auch an Forellen. Der Graf von Wernigerode,<lb/>
dnrch dessen Besitzungen zwei Brockenflüsse, die Holtemme nud die Ilse, ihren<lb/>
Weg nehmen, führt sogar eine Forelle im Wappen. Wo die Thäler weit werden,<lb/>
wie das Wipperthal bei Wippra, werden aus Wiesen und Aengern große Lein-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 58*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0471] werden, am Wichtigsten die bekannten Höhlen im Bodethal." Diese, die Bcmmanuö- nnd Bielshöhle init ihren wunderlichen, meist säulenartig dastehenden Tropfstein- bildnngen, die schon an und für sich mit ihrem schwarzen, marmorähnlich gefleckten und geäderten Kalkstein ein seltsames Aussehen haben, sind nach der Anstedt Ein¬ zelner durch bloße Aufblähung des Blasenkalks gebildet; nach der Ansicht Anderer sind sie ursprüglich Flußbetten hindurchströmender unterirdischer Gewässer gewesen. Daß das Bodethal und vielleicht der Harz überhaupt früher wasserreicher gewesen, als jetzt, beweisen die mächtigen Steinblöcke, welche weit über den Wasserspiegel der kleinen, gewaltig schäumenden Bode hinausragen, und dennoch oben voll¬ kommen ausgewaschen und ausgehöhlt sind. An vielen Orten, besonders auf dem Oberharz, ist der Wassermangel sehr fühlbar, und er ist es, der in diesem Gebirge am Empfindlichsten an eine gewisse Armuth der Natur erinnert. Die Flüsse des Harzes, sowol die, welche sich der Elbe, als die sich der Weser zuwenden, entspringen fast alle auf dem Brocken, in der Nähe der Wolken, oft ganz dicht bei einander. Von den Thälern, welche sich später bilden, hängt der Anfang des Holtemmethals, die sogenannte steinerne Rinne, noch am Unmittelbarsten M dem Brocken selbst zusammen, und verdient in mancher Hinsicht vor allen Andern den Vorzug, wird aber wegen seiner Wildheit und Unzugänglichkeit am Wenigsten besucht. Die Quellen am Brocken zerfallen in Moor- und Steinquellen; zu den erstern gehören die Hexcnbrnnnen, nur die letztern liefern trinkbares Wasser. Die Brockenquellen nehmen merklich ab mit dem Abholzen der Wälder und schwellen wieder an, wenn neue Forste heranwachsen, so wie sie auch uach den Jahreszeiten anschwellen und verschwinden. Das eigentliche „Wassermagazin des Harzes" ist das--am westlichen Fuße des Brockens sich ausdehnende Brockenfeld. Mit einer umfang¬ reichen, schwammigen Moosdecke bekleidet, sangt es Schnee, Regen und Nebel ein, und strömt die eingesogene Feuchtigkeit in vielen Quellen nach allen Weltge¬ genden hin wieder von sich. Auf dem Brocken selbst liegt der Schnee bis in den Mai und Juni hinein, und das alte Schneemark wird mir von Wind und Regen, nicht von der Wärme, die hier zu allen Jahreszeiten fehlt, verzehrt. Das Klima des Harzes soll im Ganzen dem von Schweden und Norwegen gleichen. Namentlich der Oberharz hat wenig Frühling, viel Nebel und Regen, und kaum sechs Wochen Sommer. Seine schönste Jahreszeit ist der Winter, wo die Felsen von Eiszapfen starren und langdauernde prächtige Schlittenbahnen das ganze Gebirge beleben. Man zieht sogar mit Handschlitten auf den Brocken, um ab¬ wärts bis Ilsenburg zu fahren. Die Harzflüsse sind eben so krystallhell als wasserarm, und daher sehr reich an Krebsen und Fischen, besonders auch an Forellen. Der Graf von Wernigerode, dnrch dessen Besitzungen zwei Brockenflüsse, die Holtemme nud die Ilse, ihren Weg nehmen, führt sogar eine Forelle im Wappen. Wo die Thäler weit werden, wie das Wipperthal bei Wippra, werden aus Wiesen und Aengern große Lein- 58*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/471
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/471>, abgerufen am 01.09.2024.